(Rom) Das Pontifikat von Papst Franziskus ist reich an Kuriosem, Seltsamem, auch Skurrilem und Befremdlichem und seit Sonntag um eine Episode reicher. Papst Franziskus änderte in seiner Amtszeit das Vaterunser in seiner italienischen Fassung, betete es aber gestern in der alten Fassung.
In den ersten Jahren seines Pontifikats hörte man Franziskus mehrmals über das Vaterunser sprechen, weil er die sechste Vaterunser-Bitte „Und führe uns nicht Versuchung“ nicht mochte und ändern wollte. Er sprach dabei allerdings immer nur von der italienischen Übersetzung, nie von anderen volkssprachlichen Übertragungen – was für sich bereits kurios ist.
Das lateinische Original lautet: „Et ne nos inducas in tentationem“. Die ältesten bekannten germanischen bzw. deutschen Übersetzungen geben genau die immer gebetete Version wieder.
Vom gotischen Bischof Wulfila ist aus der Zeit um 350 eine Vaterunser-Übersetzung in das Gotische überliefert. Wulfila schuf dafür ein eigenes gotisches Alphabet. Die sechste Bitte lautet in lateinischem Alphabet wiedergegeben: „jah ni briggais uns in fraistubnjai“, was wörtlich heißt: „Und bringe uns nicht in Versuchung“, was deckungsgleich ist mit der noch heute im Deutschen gebräuchlichen Version: „Und führe uns nicht in Versuchung“. Auch Luther legte nicht Hand an diese Formulierung. Eine altdeutsche Fassung von 750 gibt die Stelle genauso wieder: „inti ni gileitêst unsih in costunga“. Anderslautende altdeutsche Versionen entsprechen dem inhaltlich. Interessant ist eine ripuarische (rheinfränkische) Version aus der Zeit um 500: „un stellt uus net op de Pröfung“. Das entspricht jedoch genau, dem was die immer gebräuchliche Fassung „und führe uns nicht in Versuchung“ ausdrücken will. So kommt es auch im Evangelium vor, wo es heißt, der Teufel „versuchte“ den Herrn in der Wüste.
Wie dem auch sei: Papst Franziskus störte sich an der italienischen Fassung und bisher nur an dieser, und das so sehr, daß er 2020 mit dem Inkrafttreten der dritten Editio typica der italienischen Übersetzung des Missale Romanum die sechste Vaterunser-Bitte änderte. Die Neufassung lautet seither: „e non abbandonarci alla tentazione“.
Von einer „Fehlübersetzung“, wie damals Medien unter Berufung auf Papst Franziskus schrieben, kann aber keine Rede sein. Zwei Evangelisten überliefern das Vaterunser genau. Die italienische Neuübersetzung wird auf deutsch häufig mit „Laß uns nicht in Versuchung geraten“ wiedergegeben. Es könnte auch heißen: „Und laß uns nicht der Versuchung ausgesetzt sein“. Papst Franziskus meint vielleicht mehr die ebenso mögliche Variante: „Und verlaß uns nicht in der Versuchung“. Aber das bleibt Spekulation.
Es steht außer Frage, daß Franziskus diese Änderung durch mehre Äußerungen vorbereitete und diese dann auch auf seine ausdrückliche Billigung hin erfolgte. Ausgangspunkt waren allerdings italienische Theologen und Liturgiker, die anscheinend seit Jahren auf eine solche Änderung hingearbeitet, aber unter Papst Benedikt XVI. dafür kein Gehör gefunden hatten. Es handelt sich dabei im Kern zum Teil um dieselben Theologen, die auch gegen das Motu proprio Summorum Pontificum von Benedikt XVI. agitierten. Diese Theologen und Franziskus vertreten den Standpunkt, daß die bisherige Übersetzung den Inhalt der Herrenworte nicht richtig wiedergeben würde, denn sie sei mißverständlich und könne zu einem falschen Gottesbild führen, denn Gott könne „nicht in Versuchung führen“, so Franziskus, denn er ist ein Vater, und Väter führen nicht in Versuchung. Diesem Gedanken liegt eher vielmehr eine Engführung des Begriffs Versuchung zugrunde.
Es gehört zu den Seltsamkeiten des derzeitigen Pontifikats, daß Papst Franziskus einerseits die Übersetzung der liturgischen Bücher den Bischofskonferenzen übertrug, sich dann aber in einem Land wie Italien persönllich einmischte, eine Übersetzungsänderung anregte und diese kraft seiner Autorität durchsetzte.
Unter das Kapitel Seltsamkeiten fällt dann auch, daß Franziskus gestern, am 19. März 2023, beim Angelus auf dem Petersplatz auf italienisch sagte:
„Und heute beglückwünschen wir alle Väter! Mögen sie im heiligen Josef das Vorbild, die Unterstützung und den Trost finden, um ihre Vaterschaft gut zu leben. Und alle zusammen beten wir für die Väter das Vaterunser…“
Bei der Rezitation des Vaterunsers betete Franziskus dann aber die alte Version der sechsten Bitte: „e non indurci in tentazione“, „und führe uns nicht in Versuchung“ (im Video nach Minute 16:45).
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
Der Papst ist ein Chaot. Das hat er von sich selber gesagt. Heute gefällt ihm dies, morgen das Gegenteil. Sein Pontifikat ist voll von Verwirrung.
Joseph Ratzinger – Papst Benedikt XVI. schreibt in seinem Buch „Jesus von Nazareth“:
„Und führe uns nicht in Versuchung
Die Formulierung dieser Bitte ist für viele anstößig: Gott führt uns doch nicht in Versuchung. In der Tat sagt uns der heilige Jakobus: ‚Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott kann nicht in Versuchung kommen, Böses zu tun, und er führt auch selbst niemand in Versuchung‘ (1,13).
Einen Schritt vorwärts hilft uns, wenn wir uns an das Wort des Evangeliums erinnern: ‚Damals wurde Jesus von Gott in die Wüste geführt, um von Teufel versucht zu werden‘ (Mt 4,1). Die Versuchung kommt vom Teufel, aber zu Jesu messianischer Aufgabe gehört es, die großen Versuchungen zu bestehen, die die Menschheit von Gott weggeführt haben und immer wieder wegführen. Er muss, wie wir gesehen haben, diese Versuchungen durchleiden bis zum Tod am Kreuz und so den Weg der Rettung für uns öffnen. Er muss so nicht erst nach dem Tod, sondern mit ihm und in seinem ganzen Leben gleichsam ‚hinabsteigen in die Hölle‘, in den Raum unserer Versuchungen und Niederlagen, um uns an die Hand zu nehmen und aufwärts zu tragen. Der Hebräer-Brief hat auf diesen Aspekt ganz besonderen Wert gelegt, ihn als wesentlichen Teil des Weges Jesu herausgestellt: ‚Denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden‘ (2,18). ‚Wir haben ja nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wir wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat‘ (4,15).“ (5. Kapitel S. 195/196)
Vielleicht hat Papst Franziskus diese Textstelle inzwischen gelesen und ist deshalb wieder zum traditionellen Text des Vaterunser zurückgekehrt?