Königin Elizabeth II. und das Royal Assent

Die Zustimmung zum ältesten Abtreibungsgesetz des Westens


Königin II. von Großbritannien setzte 1968 ihre Unterschrift unter das erste Abtreibungsgesetz in der westlichen Welt.
Königin II. von Großbritannien setzte 1968 ihre Unterschrift unter das erste Abtreibungsgesetz in der westlichen Welt.

von Rober­to de Mattei*

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Einem Bericht der Times of Mal­ta vom 4. Dezem­ber zufol­ge hat der Prä­si­dent der Repu­blik Mal­ta, Geor­ge Vel­la, ihm nahe­ste­hen­den Per­so­nen anver­traut, daß er ernst­haft über einen Rück­tritt nach­denkt, falls die Abtrei­bung in sei­nem Land ent­kri­mi­na­li­siert wird. Die­ser Fall erin­nert an die ein­tä­gi­ge Abdan­kung des bel­gi­schen Königs Bal­du­in am 4. April 1990, um die Ein­füh­rung des Abtrei­bungs­ge­set­zes nicht zu unter­zeich­nen, aber auch an den Fall des ita­lie­ni­schen Mini­ster­prä­si­den­ten Giu­lio Andreot­ti und des Staats­prä­si­den­ten Gio­van­ni Leo­ne1, die, obwohl sie per­sön­lich gegen die Abtrei­bung waren, das vom ita­lie­ni­schen Par­la­ment am 22. Mai 1978 ver­ab­schie­de­te Gesetz als „geschul­de­ten Akt“ unterzeichneten.

Andreot­ti ver­such­te, sich zu recht­fer­ti­gen, indem er am 21. Janu­ar 1977 in sein Tage­buch schrieb: „Sit­zung in Mon­te­ci­to­rio2 wegen der Abstim­mung über die Abtrei­bung. Sie wur­de mit 310 Ja-Stim­men und 296 Nein-Stim­men ange­nom­men. Ich stell­te mir das Pro­blem, die­ses Gesetz gegen­zu­zeich­nen (das tat auch Leo­ne wegen der Unter­schrift), aber wenn ich mich wei­ger­te, wür­den wir nicht nur eine Kri­se aus­lö­sen, kaum (nach­dem wir?) damit begon­nen haben, die Ris­se zu kit­ten, son­dern die DC wür­de nicht nur das Abtrei­bungs­ge­setz erlei­den, son­dern auch das Amt des Mini­ster­prä­si­den­ten ver­lie­ren, und das wäre noch schlim­mer“ (Dia­ri 1976–1979. Gli anni del­la soli­da­rie­tà, Riz­zo­li, Mai­land 1981, S. 73). Der Ver­lust des Regie­rungs­vor­sit­zes erschien Andreot­ti also schwer­wie­gen­der als die mora­li­sche Ver­ant­wor­tung, ein Gesetz zu unter­zeich­nen, das mit der Ver­hän­gung der Todes­stra­fe für Unschul­di­ge das natür­li­che und gött­li­che Gesetz mit Füßen tritt, das er durch den all­mor­gend­li­chen Besuch der Mes­se in der Basi­li­ka San Gio­van­ni dei Fio­ren­ti­ni ehr­te. „Der schwär­ze­ste Tag mei­nes Lebens war, als ich das Abtrei­bungs­ge­setz unter­schrie­ben habe“, gestand Andreot­ti am 22. August 2001 auf dem Mee­ting3 in Rimi­ni. Der Jour­na­list Rena­to Fari­na schrieb, daß Andreot­ti in einem Gespräch mit ihm „sag­te, er bedaue­re zutiefst, ein Geno­zid-Gesetz gebil­ligt zu haben. Er hat dies sogar öffent­lich zuge­ge­ben. Er ver­trau­te mir an, daß er die Mafia-Vor­wür­fe und ande­re Angrif­fe, die er nach sei­nem Gewis­sen als unge­recht emp­fand, als lebens­lan­ge Stra­fe für die­sen Ver­rat betrach­te­te“ (Tem­pi, 10. Mai 2013).

Wir wis­sen nicht, ob die am 8. Sep­tem­ber 2022 ver­stor­be­ne Köni­gin Eli­sa­beth II. die glei­chen Skru­pel hat­te wie Prä­si­dent Andreot­ti. Einen Monat nach ihrem Tod, am 27. Okto­ber 2022, jähr­te sich zum 55. Mal die Ein­füh­rung des Abtrei­bungs­ge­setz (27. Okto­ber 1967), das am 28. April 1968 die Zustim­mung der Köni­gin erhielt. Seit­dem haben 10.021.618 unge­bo­re­ne Kin­der in Eng­land, Wales und Schott­land ihr Leben durch Abtrei­bung verloren.

Ich habe mei­ne Bewun­de­rung für die Gestalt von Köni­gin Eli­sa­beth und die Schön­heit ihrer Beer­di­gung zum Aus­druck gebracht, die uns einen außer­ge­wöhn­li­chen Abglanz der Sakra­li­tät der katho­li­schen Zere­mo­nien des Mit­tel­al­ters bot, aber ich kann es den eng­li­schen Katho­li­ken nicht ver­übeln, die sich dar­an erin­nern, daß die könig­li­che Zustim­mung zum Abtrei­bungs­ge­setz wie ein unaus­lösch­li­cher Makel auf ihrem Andenken lastet.

Die Arti­kel, die Theo Howard am 23. Sep­tem­ber 2022 auf One­Pe­ter­Fi­ve und Alan Fimi­ster am 12. Okto­ber auf Rora­te Coeli ver­öf­fent­lich­ten, wur­den am 12. Novem­ber auf Rora­te Coeli von James Bog­le und am 29. Novem­ber auf One­Pe­ter­Fi­ve von James Bog­le und Seba­sti­an Morel­lo beant­wor­tet, die das Vor­ge­hen der Köni­gin verteidigten.

Das The­ma hat jedoch eine Trag­wei­te, die über das Ver­ei­nig­te König­reich hin­aus­geht, und muß auf der Grund­la­ge mora­li­scher Erwä­gun­gen behan­delt wer­den, die vor poli­ti­schen und recht­li­chen ste­hen müs­sen. Die Umstän­de einer Hand­lung und ihre histo­ri­schen Fol­gen kön­nen nichts an der tra­di­tio­nel­len Moral­leh­re ändern, die jede Form der direk­ten Zusam­men­ar­beit mit einer dem gött­li­chen und natür­li­chen Gesetz wider­spre­chen­den Regel ver­ur­teilt. Stand Köni­gin Eli­sa­beth, Ober­haupt der Church of Eng­land, über die­sem Gesetz?

Es stimmt, daß die Köni­gin nicht die Macht hat­te, das Abtrei­bungs­ge­setz zu ver­hin­dern, aber nie­mand hät­te sie zwin­gen kön­nen, einem Gesetz ihre Zustim­mung zu geben, das ihrem Gewis­sen wider­spricht. Dar­auf ver­weist der eng­li­sche Phi­lo­soph Alan Fimi­ster in sei­nem Arti­kel, der am 30. Novem­ber bei Voice of the Fami­ly erschie­nen ist.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana


1 Sowohl Andreot­ti als auch Leo­ne gehör­ten der christ­de­mo­kra­ti­schen Par­tei DC an.

2 Sitz der Abge­ord­ne­ten­kam­mer des Ita­lie­ni­schen Parlaments.

3 Die jähr­li­che Groß­ver­an­stal­tung der Gemein­schaft Comu­nio­ne e libe­ra­zio­ne (CL).

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