„Papst Franziskus offenbart sich de facto als Relativist“

Msgr. Athanasius Schneider im Gespräch mit Diane Montagna zum Kongreß der Religionsführer in Nur-Sultan (Astana)


Papst Franziskus bei der Abschlußerklärung in Nur-Sultan (15. September 2022).
Papst Franziskus bei der Abschlußerklärung in Nur-Sultan (15. September 2022).

(Ast­a­na) Die bri­ti­sche Monats­zei­tung The Catho­lic Herald ver­öf­fent­lich­te gestern ein Inter­view mit Msgr. Atha­na­si­us Schnei­der. In die­sem Inter­view, das Dia­ne Mon­tagna führ­te, äußert sich der Weih­bi­schof von Ast­a­na sehr kri­tisch über Aus­sa­gen, die von Papst Fran­zis­kus bei dem Kon­greß der Reli­gi­ons­füh­rer in Nur-Sul­tan getä­tigt wur­den. Die kasa­chi­sche Haupt­stadt Nur-Sul­tan wur­de inzwi­schen wie­der in Ast­a­na umbe­nannt, wie sie schon bis 2019 gehei­ßen hat­te. Am 4. Febru­ar 2019 unter­zeich­ne­te Fran­zis­kus in Abu Dha­bi ein umstrit­te­nes Doku­ment über die „Brü­der­lich­keit aller Men­schen“, in dem behaup­tet wird, der „Plu­ra­lis­mus und die Viel­falt der Reli­gio­nen“ sei­en gott­ge­wollt, so wie es ver­schie­de­ne Ras­sen und Geschlech­ter gibt. Bischof Schnei­der, Nach­kom­me von Ruß­land­deut­schen, die unter Sta­lin nach Kasach­stan depor­tiert wur­den, übte umge­hend Kri­tik am Doku­ment von Abu Dha­bi und erwirk­te eine infor­mel­le Klar­stel­lung, indem Fran­zis­kus ein­räum­te, die Zustim­mung Got­tes zur Plu­ra­li­tät der Reli­gio­nen sei ledig­lich per­mis­siv (gewäh­ren las­send). Aller­dings geschah die­se Klar­stel­lung in einem per­sön­li­chen Gespräch hin­ter ver­schlos­se­nen Türen, wäh­rend Fran­zis­kus die umstrit­te­ne Posi­ti­on – die eini­ge Kri­ti­ker als schwer­wie­gend miß­ver­ständ­lich, ande­re als „Häre­sie der Häre­si­en“ anpran­ger­ten – mehr­fach öffent­lich wie­der­hol­te. Wie­viel „Klar­stel­lung“ war also erfolgt?

Anzei­ge

Aus­ge­rech­net in Kasach­stan, dem Land, in dem Msgr. Schnei­der als Bischof wirkt, gab Fran­zis­kus bei sei­nem Auf­ent­halt am 14./15. Sep­tem­ber eine erneu­te Erklä­rung im Sin­ne von Abu Dha­bi ab. Dazu führ­te Dia­ne Mon­tagna ein Inter­view mit Bischof Schnei­der, in dem sich Msgr. Schnei­der auch gegen die von Papst Fran­zis­kus vor­ge­brach­te und vom Vati­kan in den sozia­len Medi­en pro­pa­gier­te Idee wen­det, daß „jeder“ ein „Recht auf den Him­mel“ habe.

Der Haupt­grund für den Besuch von Papst Fran­zis­kus in Kasach­stan war die Teil­nah­me am Kon­greß der Füh­rer der Welt- und tra­di­tio­nel­len Reli­gio­nen. In sei­ner Anspra­che erwähn­te Fran­zis­kus „weder Jesus Chri­stus noch die Drei­fal­tig­keit, noch deu­te­te er an, daß der katho­li­sche Glau­be die ein­zig wah­re Reli­gi­on ist“, so Mon­tagna. War dies ledig­lich diplo­ma­ti­schen Not­wen­dig­kei­ten geschul­det? War­um aber erwähn­te Fran­zis­kus dann nicht den „Frie­dens­für­sten“?

Msgr. Atha­na­si­us Schneider

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Die Chri­sten, und erst recht die Nach­fol­ger der Apo­stel – in die­sem Fall der Nach­fol­ger von Petrus – soll­ten sich vor nie­man­dem für Jesus Chri­stus schä­men und ihn als den ein­zi­gen Erlö­ser und damit als den ein­zig wah­ren Frie­dens­für­sten beken­nen. Die Apo­stel schäm­ten sich nicht, die Ein­zig­ar­tig­keit von Jesus Chri­stus öffent­lich zu beken­nen. Der hei­li­ge Pau­lus sag­te: „Schämt euch nicht, unse­ren Herrn zu bezeu­gen“ (2 Tim 1,8). Inter­re­li­giö­se Begeg­nun­gen ent­bin­den heu­te den Papst und ande­re Kir­chen­män­ner nicht davon, die Wor­te des Herrn zu beher­zi­gen: „Wer sich mei­ner und mei­ner Wor­te schämt in die­sem ehe­bre­che­ri­schen und sün­di­gen Geschlecht, des­sen wird sich auch der Men­schen­sohn schä­men, wenn er in der Herr­lich­keit sei­nes Vaters mit den hei­li­gen Engeln kommt“ (Mk 8,38). Es ist scha­de, daß Papst Fran­zis­kus Jesus Chri­stus auf die­sem Kon­greß nicht erwähnt hat. Er hat eine ein­zig­ar­ti­ge Gele­gen­heit ver­paßt, sich zu Chri­stus zu beken­nen.
Die Apo­stel und die katho­li­sche Kir­che haben sich im Lau­fe der Jahr­hun­der­te nicht geschämt, Jesus Chri­stus öffent­lich zu beken­nen, auch bei Begeg­nun­gen mit Ungläu­bi­gen oder ande­ren Reli­gio­nen. Wir sehen dies am Bei­spiel des hei­li­gen Pau­lus auf dem Areo­pag in Athen: „Er ver­kün­de­te ihnen Jesus und die Auf­er­ste­hung“ (Apg 17,18). Ich den­ke, Papst Fran­zis­kus hat eine Chan­ce ver­paßt, sich vor der inter­re­li­giö­sen Ver­samm­lung in Nur-Sul­tan offen zu Chri­stus als dem Ret­ter und Frie­dens­für­sten zu beken­nen.
Es sei dar­an erin­nert, daß 1893 in Chi­ca­go ein inter­re­li­giö­ses Tref­fen mit dem Namen „Par­la­ment der Welt­re­li­gio­nen“ statt­fand. Damals pro­te­stier­ten die katho­li­schen Bischö­fe – ins­be­son­de­re Bischof Ber­nard John McQuaid von Roche­ster (+1909) – und vie­le Lai­en in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten dage­gen, daß die Teil­nah­me der katho­li­schen Kir­che an einem sol­chen inter­re­li­giö­sen Tref­fen die Kir­che, die von Chri­stus gegrün­de­te Reli­gi­on mit ihrer unum­stöß­li­chen Leh­re, mit jeder vor­ge­täusch­ten Reli­gi­on auf eine Stu­fe stellt.
Ange­sichts die­ser Gefahr ver­bot Papst Leo XIII. 1895 den Katho­li­ken die Teil­nah­me an sol­chen Tref­fen und Kon­gres­sen. Mit Papst Pius XI. ver­bot die katho­li­sche Kir­che sol­che inter­re­li­giö­sen Tref­fen. Im Jahr 1928 schrieb er, um die fal­schen Argu­men­te ihrer Befür­wor­ter zu erklä­ren:
Sie hal­ten es für sicher, daß Men­schen ohne jeg­li­chen reli­giö­sen Sinn nur sehr sel­ten anzu­tref­fen sind, und sie schei­nen auf die­ser Über­zeu­gung die Hoff­nung zu grün­den, daß die Natio­nen, obwohl sie sich in bestimm­ten reli­giö­sen Din­gen unter­ein­an­der unter­schei­den, ohne gro­ße Schwie­rig­kei­ten dazu kom­men wer­den, sich als Brü­der zu bestimm­ten Leh­ren zu beken­nen, die gleich­sam eine gemein­sa­me Grund­la­ge des geist­li­chen Lebens bil­den. Aus die­sem Grund wer­den von die­sen Per­so­nen häu­fig Kon­gres­se, Ver­samm­lun­gen und Anspra­chen ver­an­stal­tet, bei denen eine gro­ße Zahl von Zuhö­rern anwe­send ist und bei denen alle ohne Unter­schied ein­ge­la­den wer­den, sich an der Dis­kus­si­on zu betei­li­gen, sowohl Ungläu­bi­ge jeder Art als auch Chri­sten, selbst sol­che, die unglück­li­cher­wei­se von Chri­stus abge­fal­len sind oder die mit Hart­näckig­keit und Beharr­lich­keit sei­ne gött­li­che Natur und Sen­dung leug­nen. Gewiß, sol­che Ver­su­che kön­nen von den Katho­li­ken kei­nes­falls gebil­ligt wer­den, da sie auf jener fal­schen Mei­nung beru­hen, die alle Reli­gio­nen für mehr oder weni­ger gut und lobens­wert hält, da sie alle auf unter­schied­li­che Wei­se jenen Sinn offen­ba­ren und bezeich­nen, der uns allen ange­bo­ren ist und durch den wir zu Gott und zur gehor­sa­men Aner­ken­nung sei­ner Herr­schaft geführt wer­den“ (Enzy­kli­ka Mor­ta­li­um Ani­mos, 2).

Mon­tagna erin­nert an die Schluß­wor­te von Fran­zis­kus in sei­ner Anspra­che vor dem Kon­greß der Reli­gi­ons­füh­rer am 14. Sep­tem­ber, als er sag­te: „Suchen wir nicht nach fal­schen, ver­söhn­li­chen Syn­kre­tis­men – sie nüt­zen nicht –, son­dern bewah­ren wir unse­re Iden­ti­tä­ten in Offen­heit für den Mut zum Anders­sein und für die geschwi­ster­li­che Begeg­nung. Nur so, auf die­sem Weg, kön­nen wir in den dunk­len Zei­ten, in denen wir leben, das Licht unse­res Schöp­fers aus­strah­len.“ Den­noch habe er, so Mon­tagna, in sei­ner Rede „kei­ne Anstren­gun­gen unter­nom­men, die katho­li­sche Iden­ti­tät auf­recht­zu­er­hal­ten, und er hat sie um Sprü­che des mus­li­mi­schen Dich­ters Abai (1845–1904) her­um auf­ge­baut. Inwie­fern ist dies ein Bei­spiel für die ‚feste Bei­be­hal­tung‘ einer christ­li­chen Identität?“

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Inter­re­li­giö­se Begeg­nun­gen beschrän­ken ihren spi­ri­tu­el­len Hori­zont heu­te auf eine natür­li­che Sicht der Reli­gi­on; daher sprach Papst Fran­zis­kus nur von einem Schöp­fer oder All­mäch­ti­gen. Es reicht nicht aus, „das Licht des Schöp­fers aus­zu­strah­len“; das ist Natu­ra­lis­mus. Die gegen­wär­ti­ge Zeit ist eine Zeit der Fin­ster­nis, gera­de weil sie dem wah­ren Licht, das Chri­stus ist, ver­schlos­sen ist: „Das wah­re Licht, das alle erleuch­tet, ist in die Welt gekom­men“ (Joh 1,9). Die Mehr­heit der Men­schen folgt heu­te fal­schen Reli­gio­nen, die das von Jesus Chri­stus ange­bo­te­ne Heil ableh­nen. Für die Anhän­ger der nicht­christ­li­chen Reli­gio­nen, ein­schließ­lich der Juden und Mus­li­me, gilt heu­te das Wort der Hei­li­gen Schrift: Sie woh­nen in der Fin­ster­nis und im Schat­ten des Todes (Mt 4,16), weil sie Chri­stus, das Licht der Welt, nicht anneh­men (Joh 8,12). Die katho­li­sche Kir­che, allen vor­an der Papst, soll­te die Nicht­chri­sten lie­be­voll, aber ohne die gering­ste Hem­mung ein­la­den, „das gro­ße Licht, das auf­ge­gan­gen ist“ (Mt 4,16), zu sehen und die Wor­te des mensch­ge­wor­de­nen Got­tes anzu­neh­men: „Tut Buße, denn das Him­mel­reich ist nahe“ (Mt 4,17).
Es gibt kein wah­res, über­na­tür­li­ches Licht außer Jesus Chri­stus, der gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nach­folgt, wird nicht in der Fin­ster­nis wan­deln, son­dern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Papst Fran­zis­kus ver­sucht, sich gegen den Vor­wurf des Syn­kre­tis­mus zu ver­tei­di­gen, doch indem er sich für eine natür­li­che Sicht der Reli­gi­on ein­setzt und sich nicht zur Ein­zig­ar­tig­keit Jesu Chri­sti bekennt, offen­bart er sich in Sachen Reli­gi­on de fac­to als Rela­ti­vist. Daher die zwei­deu­ti­ge Spra­che in bezug auf ande­re Reli­gio­nen und die Auf­for­de­rung, „offen für den Mut des Anders­seins“ zu sein.
In sei­ner Anspra­che zur Ver­le­sung der Schluß­er­klä­rung und dem Abschluß des Kon­gres­ses rela­ti­viert Papst Fran­zis­kus die Ein­zig­ar­tig­keit und den über­na­tür­li­chen Cha­rak­ter der Gna­de des christ­li­chen Gebets, wenn er de fac­to alle Kult­stät­ten der ver­schie­de­nen Reli­gio­nen gleich­setzt und sagt: „Es ist beein­druckend, daß sich jeden Tag Mil­lio­nen und Aber­mil­lio­nen von Män­nern und Frau­en unter­schied­li­chen Alters, unter­schied­li­cher Kul­tu­ren und sozia­ler Bedin­gun­gen in unzäh­li­gen Got­tes­häu­sern zum Gebet ver­sam­meln. Dies ist die ver­bor­ge­ne Kraft, die unse­re Welt vor­an­bringt“. In Wirk­lich­keit kön­nen got­tes­lä­ster­li­che Hand­lun­gen und Anbe­tung, die Gott miß­fal­len, d. h. alle nicht­christ­li­chen Anbe­tun­gen, nie­mals eine über­na­tür­li­che Kraft sein, die der Mensch­heit wah­ren gei­sti­gen Fort­schritt bringt, da das, was Gott objek­tiv nicht gefällt („Du sollst kei­ne ande­ren Göt­ter neben mir haben!“), dem Men­schen nie­mals nüt­zen kann.

Mon­tagna weist dar­auf hin, daß der Vati­kan zum Abschluß des Papst­be­su­ches in Kasach­stan über den offi­zi­el­len Twit­ter-Account des Pon­ti­fex die Aus­sa­ge aus der Anspra­che ver­brei­te­te: „Wir ver­tei­di­gen das Recht eines jeden auf Reli­gi­on, auf Hoff­nung, auf Schön­heit: auf den Himmel.“

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Nie­mand hat ein Recht auf den Him­mel, denn das wür­de ein Recht auf Got­tes Gna­de bedeu­ten. Der Him­mel ist ein rei­nes Geschenk Got­tes, das auch auf der Zusam­men­ar­beit des Men­schen mit Got­tes Gna­de beruht. Der Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che lehrt: „Gegen­über Gott gibt es von sei­ten des Men­schen kein Ver­dienst im eigent­li­chen Sinn. Zwi­schen ihm und uns besteht eine uner­meß­li­che Ungleich­heit, denn wir haben alles von ihm, unse­rem Schöp­fer, emp­fan­gen.“ (Nr. 2007).
Die­se öku­me­ni­schen Tref­fen fan­den bereits vor Papst Fran­zis­kus statt.

Der Kon­greß der Füh­rer der Welt­re­li­gio­nen und der tra­di­tio­nel­len Reli­gio­nen, der 2003 zum ersten Mal statt­fand, habe, so Mon­tagna, sei­ne Anre­gung durch den Besuch von Papst Johan­nes Paul II. in Kasach­stan im Sep­tem­ber 2001 erhal­ten und an dem Assi­si-Tref­fen ori­en­tiert, das er 2002 ein­be­ru­fen hat­te. Zu den Assi­si-Tref­fen äußer­te sich Bischof Schnei­der bereits in der Ver­gan­gen­heit kritisch.

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Das Ziel der inter­re­li­giö­sen Begeg­nun­gen ist es, den Frie­den und das gegen­sei­ti­ge Ver­ständ­nis in einer Welt zu för­dern, die von einer gro­ßen Viel­falt von Völ­kern, Mei­nun­gen und Reli­gio­nen geprägt ist. Die­ses Ziel hat sei­ne posi­ti­ve Bedeu­tung. Aller­dings erwecken sol­che Begeg­nun­gen, bei denen zumin­dest äußer­lich alle Reli­gio­nen als gleich­wer­tig betrach­tet wer­den, den Ein­druck, eine Art Super­markt der Reli­gio­nen zu sein.
Die katho­li­sche Reli­gi­on ist jedoch die ein­zig wah­re, von Gott gewoll­te Reli­gi­on, und es gibt kei­ne ande­re Reli­gi­on, die Gott gefällt, außer dem Glau­ben an Sei­nen Sohn Jesus Chri­stus, den wah­ren Gott und wah­ren Men­schen, den ein­zi­gen Erlö­ser der Mensch­heit. Inter­re­li­giö­se Begeg­nun­gen, wie sie heu­te durch­ge­führt wer­den, stel­len Jesus Chri­stus, wenn nicht theo­re­tisch, so doch prak­tisch, auf die glei­che Stu­fe mit reli­giö­sen Figu­ren ande­rer Welt­re­li­gio­nen. Das unter­gräbt den Auf­trag der Kir­che, alle Völ­ker zu leh­ren, zu Jesus Chri­stus, ihrem Erlö­ser, zu kom­men. Mehr denn je muß die katho­li­sche Kir­che den mis­sio­na­ri­schen Eifer der Apo­stel und der ersten Chri­sten erneu­ern, um Chri­stus mit Lie­be und Über­zeu­gung allen Völ­kern und allen Reli­gio­nen zu brin­gen.
Statt inter­re­li­giö­se Begeg­nun­gen auf glo­ba­ler Ebe­ne zu ver­an­stal­ten, die auch von poli­ti­schen Eli­ten für ihre Zwecke miß­braucht wer­den kön­nen und Gefahr lau­fen, zu einem gran­dio­sen Spek­ta­kel zu wer­den, wäre es bes­ser, Begeg­nun­gen zwi­schen Anhän­gern ver­schie­de­ner Reli­gio­nen auf per­sön­li­cher, fami­liä­rer und loka­ler Ebe­ne zu haben und Lie­be und gegen­sei­ti­gen Respekt dort zu ent­wickeln, wo die Men­schen tat­säch­lich leben. Es wird kei­nen dau­er­haf­ten sozia­len und poli­ti­schen Frie­den geben ohne die Gna­de Chri­sti und ohne die Ein­hal­tung der Gebo­te Got­tes und des Natur­ge­set­zes, das Gott in das Herz eines jeden Men­schen auf Erden ein­ge­schrie­ben hat.

Schließ­lich the­ma­ti­siert Mon­tagna den 11. Sep­tem­ber 2001, nach dem es „gro­ße Anstren­gun­gen gab, die Reli­gio­nen mit­ein­an­der ins Gespräch zu brin­gen. War es nicht die Pflicht der Reli­gio­nen, nach einer sol­chen Greu­el­tat zusam­men­zu­kom­men, um den Frie­den zu fördern?“

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Inter­re­li­giö­se Begeg­nun­gen auf welt­wei­ter Ebe­ne sind eine beein­drucken­de Demon­stra­ti­on der Viel­falt der Reli­gio­nen. Tat­säch­lich wer­den sie von ideo­lo­gi­schen Eli­ten und Grup­pen genutzt, um den reli­giö­sen Rela­ti­vis­mus zu för­dern, d. h., daß es kei­ne ein­zi­ge und wah­re Reli­gi­on gibt, die über allen ande­ren steht. Reli­giö­se Viel­falt ist jedoch in den Augen Got­tes nichts Posi­ti­ves, son­dern etwas Nega­ti­ves, das er tole­riert oder zuläßt, so wie er unse­re Sün­den zuläßt. Die Viel­falt der Reli­gio­nen ver­stößt ein­deu­tig gegen das erste Gebot Got­tes. Die welt­wei­ten inter­re­li­giö­sen Tref­fen haben sich als unwirk­sam gegen die Kriegs­ge­fahr erwie­sen. Tat­säch­lich folg­te auf die inter­re­li­giö­sen Assi­si-Tref­fen 1986 und 2002 kei­ne Zeit des Frie­dens, son­dern eine Zeit grau­sa­mer Krie­ge: der Krieg in Ex-Jugo­sla­wi­en, der 1991 begann, der Krieg in Ruan­da 1994, der erste Irak-Krieg 1991, der zwei­te Irak-Krieg 2003, der Krieg in Syri­en 2018 und nun der äußerst tra­gi­sche Krieg in der Ukrai­ne.
Wäh­rend des VII. Kon­gres­ses der Füh­rer der Welt- und tra­di­tio­nel­len Reli­gio­nen in Nur-Sul­tan brach ein Kon­flikt zwi­schen Aser­bai­dschan und Arme­ni­en aus, obwohl die hoch­ran­gi­gen Reli­gi­ons­ver­tre­ter die­ser Län­der an dem Kon­greß teil­nah­men. Der Frie­den zwi­schen den Län­dern und der Welt­frie­den kön­nen nicht durch beein­drucken­de Kon­gres­se erreicht wer­den, die die Ein­zig­ar­tig­keit von Jesus Chri­stus unter­gra­ben. Gott wird kei­nen dau­er­haf­ten Frie­den gewäh­ren, wenn die Welt nicht im Glau­ben den Frie­dens­für­sten Jesus Chri­stus annimmt. Außer­dem ist Frie­den ein lang­fri­sti­ger und schwie­ri­ger Pro­zeß, der an der Basis beginnt, in den Fami­li­en und in der Nach­bar­schaft zwi­schen Men­schen ver­schie­de­ner Reli­gio­nen und Ethnien.

Kasach­stan, so Mon­tagna, wur­de als „ein welt­wei­tes Zen­trum für den Dia­log zwi­schen den Reli­gio­nen geprie­sen. Wel­ches beson­de­re Zeug­nis kön­nen die kasa­chi­schen Katho­li­ken ange­sichts der Geschich­te der Kir­che in die­sem Land heu­te geben?“

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Die jüng­ste Geschich­te Kasach­stans ist durch eine grau­sa­me Unter­drückung von Men­schen ver­schie­de­ner Natio­na­li­tä­ten und Reli­gio­nen gekenn­zeich­net. In der sta­li­ni­sti­schen Zeit war Kasach­stan eine Art rie­si­ger Gulag (Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger), in dem alle zu lei­den hat­ten. Das gemein­sa­me Leid schweiß­te alle zusam­men. Des­halb leben die Ange­hö­ri­gen ver­schie­de­ner Reli­gio­nen und christ­li­cher Kon­fes­sio­nen fried­lich zusam­men und ver­mei­den jeg­li­che Anzei­chen von Syn­kre­tis­mus oder reli­giö­sem Relativismus.

Die Schluß­be­mer­kung im Inter­view wid­met Msgr. Schnei­der noch ein­mal dem Kon­greß der Reli­gi­ons­füh­rer, um des­sen größ­tes Defi­zit herauszustreichen:

„Die Abschluß­er­klä­rung des VII. Kon­gres­ses der Füh­rer der Welt­re­li­gio­nen und der tra­di­tio­nel­len Reli­gio­nen ent­hält in Absatz 10 eine Ände­rung gegen­über dem Abu-Dha­bi-Doku­ment von 2019 über die mensch­li­che Brü­der­lich­keit. Der letzt­ge­nann­te Text besagt fol­gen­des: „Der Plu­ra­lis­mus und die Viel­falt der Reli­gio­nen, der Haut­far­be, des Geschlechts, der Ras­se und der Spra­che sind von Gott in sei­ner Weis­heit gewollt, durch die er die Men­schen geschaf­fen hat.“ Ursprüng­lich war in der Abschluß­er­klä­rung des dies­jäh­ri­gen Kon­gres­ses in Nur-Sul­tan der Begriff „Reli­gio­nen“ neben Haut­far­be, Kul­tur usw. als von Gott in sei­nem wei­sen Wil­len gewollt auf­ge­nom­men wor­den. Auf Antrag meh­re­rer Dele­gier­ter wur­de jedoch der offi­zi­el­le Text der Erklä­rung (die ent­ge­gen Medi­en­be­rich­ten nicht unter­zeich­net wor­den war) geän­dert und auf der Web­site des Kon­gres­ses ver­öf­fent­licht. Er lau­tet nun: „Wir stel­len fest, daß Plu­ra­lis­mus in Form von Unter­schie­den in Haut­far­be, Geschlecht, Ras­se, Spra­che und Kul­tur Aus­druck der Weis­heit Got­tes in der Schöp­fung ist. Reli­giö­se Viel­falt ist von Gott zuge­las­sen, und daher ist jeder Zwang zu einer bestimm­ten Reli­gi­on und reli­giö­sen Leh­re inak­zep­ta­bel.“ Die­se Ände­rung könn­te eine Ver­bes­se­rung dar­stel­len. Sie wirft jedoch die wei­te­re Schwie­rig­keit auf, daß die frag­li­che „Erlaub­nis“ mehr als nur meta­phy­sisch sein könn­te (d. h., Gott erlaubt die Exi­stenz ande­rer Reli­gio­nen) und als mora­lisch ange­se­hen wer­den könn­te (d. h., Gott bil­ligt die Exi­stenz ande­rer Reli­gio­nen). Die letzt­ge­nann­te Behaup­tung wäre ein schwe­rer Irr­tum.
Hof­fen wir, daß der Hei­li­ge Stuhl damit beginnt, jedes Zei­chen oder jede Hand­lung zu ver­mei­den, die den reli­giö­sen Rela­ti­vis­mus för­dert, nicht mehr an welt­wei­ten inter­re­li­giö­sen Tref­fen teil­nimmt und alles tut, um der gan­zen Welt mit Über­zeu­gung und Lie­be die Ein­zig­ar­tig­keit Jesu Chri­sti zu ver­kün­den. „Wir schä­men uns des Evan­ge­li­ums nicht“ (vgl. Röm 1,16), war das Mot­to der Apo­stel und der katho­li­schen Kir­che in den ver­gan­ge­nen zwei­tau­send Jah­ren, und es soll­te auch heu­te unser Mot­to sein. Möge auch der Papst den Mäch­ti­gen die­ser Welt und allen Nicht­chri­sten von gan­zem Her­zen und auf­rich­tig in Wort und Tat die Ein­zig­ar­tig­keit Jesu Chri­sti, des ein­zi­gen Erlö­sers der Mensch­heit, verkünden.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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