Vatikanmedium spricht erstmals von „russischer Invasion“

Positionierung und Friedensinitiativen


Wikipedia-Karte mit dem nicht ganz aktuellen Frontverlauf in der Ukraine.
Wikipedia-Karte mit dem nicht ganz aktuellen Frontverlauf in der Ukraine.

(Rom) Erst­mals wur­de im Zusam­men­hang mit der Ukrai­ne­kri­se im Vati­kan von einer „rus­si­schen Inva­si­on“ gespro­chen, nicht offi­zi­ell, aber doch.

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Papst Fran­zis­kus und das vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­at hal­ten sich zurück. Die Stel­lung­nah­men kon­zen­trie­ren sich auf eine Ver­ur­tei­lung der Gewalt, Wor­te der Nähe für das ukrai­ni­sche Volk, aber ohne Schuldzuweisungen.

Seit ver­gan­ge­nem Frei­tag bemüht sich Papst Fran­zis­kus um Frie­dens­ver­mitt­lung, wie der Vati­kan gestern bekräftigte.

Die Töne der west­li­chen Staats­kanz­lei­en wer­den unter­des­sen rau­er. In die­sem Zusam­men­hang ist die Unter­stüt­zung von Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne durch Kar­di­nal Jean-Clau­de Hol­le­rich zu sehen, den Vor­sit­zen­den der Kom­mis­si­on der Bischofs­kon­fe­ren­zen in der EU ComE­CE. Kar­di­nal Hol­le­rich for­der­te aus­drück­lich die deut­sche Bun­des­re­gie­rung auf, die noch zöger­te, Waf­fen an Kiew zu lie­fern. Der Vor­stoß ist als Signal zu wer­ten, daß die Par­tei­nah­me in der EU auch von der Kir­che erwar­tet wird.

Heu­te ver­öf­fent­lich­te Vati­can News einen Leit­ar­ti­kel des stell­ver­tre­ten­den Haupt­chef­re­dak­teurs der Vati­kan­me­di­en Ser­gio Cen­to­fan­ti. Cen­to­fan­ti, der seit den 80er Jah­ren bei Radio Vati­kan tätig war, ist seit 2019 einer der bei­den Stell­ver­tre­ter von Andrea Tornielli.

Der heu­te ver­öf­fent­lich­te Leit­ar­ti­kel trägt die Über­schrift: „Las­sen wir die Ukrai­ner nicht im Stich“. Dar­in ist erst­mals von einer „rus­si­schen Inva­si­on“ die Rede. Vati­can News ist kein offi­zi­el­les Sprach­rohr des Hei­li­gen Stuhls, aber eine inter­na­tio­nal gehör­te Stim­me, die mit dem Papst in Ver­bin­dung gebracht wird.

Wei­te­re bemer­kens­wer­te Stel­len fin­den sich in dem Leit­ar­ti­kel, die sich mit den Inten­tio­nen von Kar­di­nal Hol­le­rich decken: „Der Ein­marsch in ein frei­es Land hat Euro­pa geeint wie nie zuvor. Euro­pa, das in so vie­len Fra­gen gespal­ten ist, war noch nie so geeint wie heu­te: Es steht an der Sei­te des ukrai­ni­schen Volkes.“

Cen­to­fan­ti erwähnt, wenn auch sehr iso­liert, ein kaum bekann­tes histo­ri­sches Ereignis:

„Es besteht eine gro­ße Ver­bun­den­heit mit den Ukrai­nern. Ein Volk, das sich nach Frie­den sehnt und das so viel gelit­ten hat. In den 1930er Jah­ren ließ Sta­lin sie aus­hun­gern, weil sie sich der sowje­ti­schen Poli­tik wider­setz­ten: Meh­re­re Mil­lio­nen Ukrai­ner star­ben an Hun­ger. Es han­del­te sich um eine wenig bekann­te Aus­rot­tung, den Holo­do­mor, die Aus­lö­schung eines Vol­kes durch Verhungern.“

Cen­to­fan­ti läßt kei­nen Zwei­fel an der Par­tei­nah­me für die Ukrai­ne, ohne die Tür zu Mos­kau zuzu­schla­gen. Den Ukrai­nern wird Nähe und Soli­da­ri­tät aus­ge­spro­chen und der EU und Washing­ton wird signa­li­siert, auf wes­sen Sei­te man steht, aber ohne Papst Fran­zis­kus die Ver­mitt­ler­rol­le zu verbauen. 

Pro­pa­gan­di­sti­sche Unsin­nig­kei­ten, wie die von Mos­kau behaup­te­te „Ent­na­zi­fi­zie­rung“ der Ukrai­ne oder die von Washing­ton lan­cier­te Paro­le eines rus­si­schen „Über­falls“, ana­log zur jahr­zehn­te­lan­gen kom­mu­ni­sti­schen Pro­pa­gan­da eines deut­schen „Über­falls“ auf die Sowjet­uni­on im Jahr 1941, wer­den von Cen­to­fan­ti vermieden.

Der Leit­ar­ti­kel blen­det zugleich die kol­li­die­ren­den Inter­es­sen bei­der Kon­flikt­par­tei­en aus, wodurch die Beweg­grün­de von Kiew, Mos­kau, Washing­ton unaus­ge­spro­chen blei­ben. Die Ereig­nis­se bewe­gen sich aller­dings nicht im luft­lee­ren Raum. Die Lösun­gen aber sind am Ver­hand­lungs­tisch zu suchen. Das gilt für alle Sei­ten. Letz­te­res schreibt Cen­to­fan­ti nicht, dafür aber: „Jetzt gibt es Hoff­nung auf Verhandlungen“.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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