(Rom) Am kommenden Freitag wird Papst Franziskus im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Rom nicht nur US-Präsident Joe Biden empfangen, sondern auch Südkoreas Regierungschef – mit einem präzisen Ziel.
Der Audienz für Joe Biden, einen Tag vor Beginn des G20-Gipfels, gilt die größere Aufmerksamkeit. Auch die zweite Begegnung mit einem Gipfelteilnehmer an jenem Tag ist für Franziskus jedoch von Bedeutung. Er wird neben dem Präsidenten der USA auch Südkoreas Staatspräsidenten Moon Jae-in empfangen.
Laut koreanischen Medien wird der Friedensprozeß auf der koreanischen Halbinsel im Mittelpunkt der Begegnung stehen. Das Oberhaupt der Republik Korea, wie Südkorea amtlich heißt, wird nach dem G20-Gipfel zur UN-Klimakonferenz nach Glasgow weiterreisen und abschließend Ungarn besuchen.
Franziskus empfing Moon Jae-in bereits einmal, im Oktober 2018. Das Korean Broadcasting System (KBS) berichtet von einem „ständigen Interesse von Papst Franziskus am Friedensprozeß auf der koreanischen Halbinsel“. Diese ist seit 1945 geteilt in einen kommunistischen Norden und einen US-geführten Süden. 1948 wurde im Süden die Republik Korea und im Norden die Demokratische Volksrepublik Korea ausgerufen. Von 1950 bis 1953 tobte der Koreakrieg, der durch die Invasion der nordkoreanischen Volksarmee im Süden ausgelöst wurde.
Staatspräsident Moon Jae-in, ein Katholik, ist seit Mai 2017 im Amt und entstammt der linksliberalen Demokratischen Partei.
Das eigentliche Interesse von Papst Franziskus wird offiziell nicht erwähnt: ein Besuch im kommunistischen Nordkorea. Dort ist die katholische Kirche offiziell anerkannt, was jedoch einer Farce entspricht. In den nordkoreanischen Konzentrationslagern gelten Christen unter den Gefangenen als die größte Einzelgruppe. Jeder dritte Gefangene, rund 70.000, ist Christ. Dabei gibt es laut offiziellen Angaben nur wenige tausend Christen im Land. Ein Vergleich zu Südkorea macht die Dimension der Christenverfolgung im nördlichen Landesteil deutlich: Südkorea ist unter den drei ostasiatischen Völkern, den Chinesen, Koreanern und Japanern, das Land, in dem das Christentum am stärksten Wurzeln schlagen konnte. Fast 30 Prozent der Südkoreaner sind getauft.
1945 gehörte im Norden nur ein Prozent der Bevölkerung der katholischen Kirche an, doch in der Hauptstadt Pjöngjang war die Christianisierung bereits weit fortgeschritten. Im 19. Jahrhundert hatte die Kirche Tausende von Märtyrern zu beklagen.
Offiziell gibt es in ganz Nordkorea heute nur vier staatlich anerkannte Kirchengebäude, eine katholische Kirche, zwei protestantische und eine orthodoxe.
Es wird angenommen, daß ein Besuch des Kirchenoberhaupts in Nordkorea ein zentraler Punkt der Begegnung mit Staatspräsident Moon Jae-in sein wird. Da es keine diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem kommunistischen Norden gibt, bemüht sich die südkoreanische Staatsführung auf diplomatischem Wege das Anliegen des Papstes in Pjöngjang vorzubringen. Südkorea war von Franziskus bereits im August 2014 besucht worden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)