(Rom) Das Blut des heiligen Januarius hat sich am 16. Dezember nicht verflüssigt. In Neapel, dessen Patron der Heilige ist, bedeutet das kein gutes Zeichen. Doch die kirchliche Hierarchie beruhigt: Das habe noch nichts zu bedeuten.
An drei Tagen wird in Neapel, der größten Stadt Süditaliens, der Stadtpatron gefeiert, mit dem sich die Stadt am Fuß des Vesuvs eng verbunden fühlt. An diesen drei Tagen wird das in einer goldgefaßten Glasampulle aufbewahrte Blut des Heiligen vom Erzbischof aus dem Schrein geholt, um zu prüfen, ob es sich verflüssigt. Tut es das nicht, so der Volksmund, sei dies ein schlechtes Zeichen für die Zukunft der Stadt, es zeige einen bevorstehenden Krieg, eine Naturkatastrophe oder andere Schicksalsschläge an.
Der heilige Januarius, von den Neapolitanern San Gennaro genannt, war während der blutigen Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian Bischof von Benevent. Am 19. September 305 wurde er wegen seines Glaubens an Christus in Pozzuoli bei Neapel hingerichtet. Eine Christin sammelte, so die Überlieferung, Blut des Märtyrerbischofs in einem Gefäß, das heute in der Kathedrale von Neapel aufbewahrt wird.
Anfang des 5. Jahrhunderts wurden die sterblichen Überreste und die Ampulle von Bischof Johannes von Neapel in die Katakomben der Stadt übergeführt. Dabei verflüssigte sich das eingetrocknete Blut vor den Augen des Bischofs und einer großen Schar von Gläubigen. Darin sahen Bischof und Gläubige die Bestätigung, daß es sich tatsächlich um das Blut des Märtyrers handelt.
Sicher dokumentiert ist das Blutwunder ab dem 17. August 1389, wird allerdings „seit altersher“ beschrieben. Es ereignete sich während einer Bittprozession, die zur Abwendung einer großen Not durchgeführt wurde. Das lange Schweigen der Dokumente erklärt sich, weil die Blutreliquie erst im 14. Jahrhundert wieder öffentlich gezeigt wurde. Bis dahin war sie in einem Reliquiar verschlossen. Eine 1965 durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung der Knochen ergab, daß der Heilige zum Zeitpunkt seines Todes etwa 35 Jahre alt und von erstaunlicher Größe (1,90 m) war.
Seit 1389 verflüssigt sich das Blut an jedem Samstag vor dem ersten Sonntag im Mai, dem Tag der Überführung der Reliquien nach Neapel, und am 19. September, dem Tag des Martyriums. 1631 kam mit dem 16. Dezember noch ein dritter jährlicher Termin dazu. Damals rief das verzweifelte Volk den Heiligen um Hilfe an. Seiner Fürsprache wird es zugesprochen, daß der Vesuv, ein bis heute für die Stadt gefährlicher Vulkan, nicht zum Ausbruch gekommen ist.
Das Phänomen des Blutes, das sich nach mehr als 1700 Jahren noch immer verflüssigt, ist seit vielen Jahrhunderten nicht nur Gegenstand der Volksfrömmigkeit, sondern auch der Wissenschaft. Spektroskopische Untersuchungen haben bereits 1902 bestätigt, daß es sich tatsächlich um menschliches Blut handelt, das in der Ampulle aufbewahrt wird. Seither stellt sich die Frage, wie es sich verflüssigen kann.
Seit langem hält sich unter Skeptikern die Behauptung, schon im Mittelalter seien Alchimisten imstande gewesen, eine chemische Reaktion zu bewirken, die einen festen Stoff durch Bewegung sich verflüssigen lasse. Wissenschaftler wollten in den 1990er den Nachweis erbringen, indem sie eine solche chemische Reaktion mit Zutaten nachstellten, die auch im Mittelalter bekannt waren. Doch was haben sie damit bewiesen? Vorerst gar nichts, da es keinen Beleg gibt, daß im Mittelalter eine solche chemische Reaktion bekannt war. Zudem bleibt die Frage, warum menschliches Blut so reagiert.
Würde es sich um eine im Mittelalter von Menschenhand produzierte chemische Reaktion handeln, müßte sie beliebig und systematisch wiederholbar sein, wann immer die Ampulle bewegt wird. Das aber ist nicht der Fall. Es sind mehrere Momente überliefert, in denen das Blut sich nicht verflüssigte und die Bevölkerung in Schrecken versetzt wurde. Zuletzt so geschehen im Mai 1973, als Neapel von einer Choleraepidemie heimgesucht wurde. Ebenso im September 1980, was mit dem kurz darauf stattfindenden Erdbeben von Irpinia in Zusammenhang gebracht wurde.
Gegen die Betrugsbehauptung durch eine von Menschenhand ausgelöste chemische Reaktion sprechen auch Verflüssigungen, die im Ruhezustand erfolgten. Historisch sind mehrere solche Beispiele überliefert. Zuletzt geschah dies im Mai 2013, als das Blut bereits flüssig war, als die Schatztruhe geöffnet wurde, um die Ampulle herauszunehmen.
Die Kirche hält sich offiziell sehr zurück. Es gebe keine Beweise, daß es sich in der Ampulle wirklich um das Blut des heiligen Januarius handle. Es gebe weder ausreichend Beweise, um die Echtheit zu behaupten noch sie zu widerlegen, so die offizielle Sprachregelung. Der Erzbischof nimmt aber jeweils persönlich die Überprüfung der Verflüssigung vor. Das Ganze hat auch damit zu tun, daß das Patronatsrecht über die Kapelle, in der die Ampulle aufbewahrt wird, von der Stadt Neapel ausgeübt wird, was auf ein altes Gelübde der Stadtväter zurückgeht.
Der emotionalen, aber sehr innigen Volksfrömmigkeit Süditaliens tat diese offizielle Haltung keinen Abbruch. Das Volk von Neapel verehrt den Stadtpatron und verbindet die Verflüssigung mit göttlichem Wohlwollen, weshalb ihr Ausbleiben als schlechtes Omen gedeutet wird. Die Anhänglichkeit der Gläubigen an diesen frühchristlichen Bischof, der mangels erhaltener Dokumente historisch kaum greifbar ist, führte zu seiner Verehrung, die auch im neuen liturgischen Kalender erhalten blieb. Der 19. September kann außerhalb der Erzdiözese Neapel als fakultativer Gedenktag begangen werden.
Wenn das Blutwunder ausbleibt, bemühen sich Erzbischof und der Prälat der Schatzkapelle des heiligen Januarius im Dom von Neapel das Volk zu beruhigen. So geschieht es auch seit gestern. Was in der aufgeheizten Corona-Stimmung nicht so leicht ist.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
In der Kirche des neuen Advents gibt es nichts übernatürliches mehr. Und der Mensch wird angebetet.
Wem sollen Zeichen dieser Art noch nützen ?
Reine Sensation ist Gott zuwider, er will Glauben.
Warum also?