Pfarrer Christian Kunz (1866–1937) und das Laienmessbuch des Regensburger Verlages Friedrich Pustet

Ein fester Platz unter den Laienmessbüchern


Christian Kunz Laienmessbuch

Ein Bei­trag von Cle­mens Vic­tor Oldendorf.

Anzei­ge

Das lang­sam sich nei­gen­de Jahr 2020 war mit dem hun­dert­sten Jubi­lä­um des vom hei­li­gen Papst Pius X. erneu­er­ten triden­ti­ni­schen Mess­buchs ver­bun­den, das des­sen Nach­fol­ger Bene­dikt XV. 1920 als neue Edi­tio typi­ca her­aus­ge­ben konn­te. Die­ser Aus­ga­be ent­sprach die berühm­te Edi­tio Lacen­sis der Eifel­ab­tei der Bene­dik­ti­ner von 1931, die in Zusam­men­ar­beit mit der ange­se­he­nen Bre­mer Pres­se erstellt wor­den war. In Maria Laach erschien ab 1927 das Volks­meß­buch1, das ana­log zum Schott nach sei­nem Bear­bei­ter bald schon umgangs­sprach­lich die Kurz­be­zeich­nung Bomm führ­te.

Bevor ab 2015 die Petrus­bru­der­schaft in der Per­son ihres Paters Mar­tin Ramm (*1971) das Volks­mis­sa­le her­aus­zu­ge­ben begann2, für das sich ent­spre­chend die Benen­nung als der Ramm anbie­tet, hat­te lan­ge der Schott des Her­der-Ver­la­ges eine star­ke Vor­rang­stel­lung, den Anspruch eines fak­ti­schen Mono­pols, und in der Zeit nach der Lit­ur­gie­re­form war er für Jahr­zehn­te tat­säch­lich das ein­zi­ge latei­nisch-deut­sche Hand­mess­buch, das in Nach­drucken für die über­lie­fer­te Lit­ur­gie ver­füg­bar blieb.

Zuletzt hat der Ver­lag Sar­to mit einer erwei­ter­ten Lizenz­aus­ga­be sicher­ge­stellt, dass dem auch in Zukunft so bleibt.3 Den Bomm, der bei Ben­zi­ger in der Schweiz erschien und dort ver­brei­te­ter war als der Schott, sich dane­ben aber gleich­falls im Köl­ner Raum und im regio­na­len und gei­sti­gen Umfeld der Laa­cher Abtei behaup­ten konn­te, gibt es lei­der schon lan­ge nur noch anti­qua­risch. Doch man erkennt, dass eine sin­gu­lä­re Stel­lung nur eines zwei­spra­chi­gen Hand­mess­bu­ches für die Gläu­bi­gen nicht der tra­di­tio­nel­le Nor­mal­zu­stand in der deutsch­spra­chi­gen Ver­lags­land­schaft gewe­sen ist.

Pustet macht Herder zuerst Konkurrenz

Fried­rich Pustet in Regens­burg war als Typo­graph des Hei­li­gen Apo­sto­li­schen Stuh­les und der Hei­li­gen Riten­kon­gre­ga­ti­on im deut­schen Sprach­raum der domi­nie­ren­de, zur Her­aus­ga­be der latei­ni­schen Aus­ga­ben für den lit­ur­gi­schen Gebrauch auto­ri­sier­te Ver­lag. Den Grund­stein zu die­ser Stel­lung hat­te 1846 ein erstes Altar­mis­sa­le gelegt.4 In der Ver­lags­ge­schich­te ist 2020 eben­falls ein Jubi­lä­ums­jahr und kenn­zeich­net das zwei­hun­dert­jäh­ri­ge Bestehen des ursprüng­lich in Pas­sau ansäs­si­gen Unternehmens.

Weni­ger bekannt ist, dass Fried­rich Pustet ein eige­nes latei­nisch-deut­sches Lai­en­mess­buch im Ver­lags­pro­gramm hat­te. Des­sen Anfän­ge rei­chen bis 19105 zurück, jedoch war die Edi­tio typi­ca von 1920 Anlass zu einer tief­grei­fen­den Neu­be­ar­bei­tung durch den Autor und Regens­bur­ger Diö­ze­san­prie­ster Chri­sti­an Kunz (1866–1937) gewe­sen, die des­sen Meß­buch der katho­li­schen Kir­che, latei­nisch und deutsch6 erst den rich­ti­gen Auf­trieb und Impuls zu meh­re­ren Auf­la­gen und Aus­ga­ben als Sonn­tags­meß­buch7 bis 1929 verschaffte.

GR Chri­sti­an Kunz

Dem Werk des Pfar­rers Chri­sti­an Kunz und damit des­sen Bio­gra­phie und Hin­ter­grund soll der heu­ti­ge Bei­trag gewid­met sein, und zwar für die Pha­se ab 1920, die durch die rubri­zi­sti­sche Reform von Pius X. ange­sto­ßen wor­den war und inso­fern mit dem hun­dert­sten Jubi­lä­um des Mis­sa­le Roma­num von 1920 in Bezie­hung gesetzt wer­den kann.

So weit und breit, dass es zu dem Kunz gewor­den wäre, konn­te sich Kunz‘ zwei­spra­chi­ges Mess­buch nicht durch­set­zen, doch hat es ver­schie­de­ne eige­ne Merk­ma­le und Vor­zü­ge, die es vom Schott unter­schei­den und es nicht nur chro­no­lo­gisch zum Etap­pen­schritt auf dem Weg zum Bomm machen.

Das allein schon recht­fer­tigt es voll­auf, sich hun­dert Jah­re spä­ter mit die­sem Lai­en­mess­buch zu beschäf­ti­gen und sich des Prie­sters und Seel­sor­gers zu erin­nern, der dahin­ter­steht. Es wird sich außer­dem eine Gemein­sam­keit mit dem Volks­mis­sa­le der Petrus­bru­der­schaft zei­gen, denn Kunz war es schon, der als erster alle Mess­for­mu­la­re pro ali­qui­bus locis in ihrem dama­li­gen Gesamt­um­fang in deut­scher Über­set­zung in sein Mess­buch ein­flie­ßen ließ.

Als Priesterbildner und Dorfpfarrer der Liturgie verbunden

Über den fami­liä­ren Hin­ter­grund von Chri­sti­an Kunz konn­te nichts Nähe­res ermit­telt wer­den. Gebo­ren wur­de er am 20. Mai 1866 in Grop­pen­heim, damals zur Pfar­rei Mün­chen­reuth gehö­rig, heu­te längst der Stadt Wald­sas­sen ein­ge­mein­det. Nach dem Besuch der Volks­schu­le in Amberg, die er 1880 abschloss, wech­sel­te er zum Inter­nat und Gym­na­si­um der Bene­dik­ti­ner der Abtei St. Micha­el in Met­ten, wo er 1886 sein Abitur able­gen konn­te. Nach dem Prie­ster­se­mi­nar wur­de er am 31. Mai 1891 für die Diö­ze­se Regens­burg zum Prie­ster geweiht und war zunächst bis 1894 Koope­ra­tor in Mit­ter­teich, danach etwas mehr als zwei Jah­re Kurat in Premenreuth.

Prä­gend für sein lit­ur­gisch-rubri­zi­sti­sches Inter­es­se und wohl auch für sei­ne schrift­stel­le­ri­sche Pro­duk­ti­vi­tät wur­de die mehr als acht Jah­re umspan­nen­de Zeit, in der er als Prä­fekt am Regens­bur­ger Kle­ri­kal­se­mi­nar Ober­mün­ster ab August 1896 selbst in der Prie­ster­aus­bil­dung wirkte.

Wäh­rend die­ser Zeit brach­te Kunz begin­nend mit dem Jahr 1901 sein Hand­buch der prie­ster­li­chen Lit­ur­gie nach dem römi­schen Ritus her­aus und war bereits seit­dem durch­gän­gig Autor des Ver­la­ges Fried­rich Pustet.

Die­ses Hand­buch war so kon­zi­piert, dass in vier Bän­den, als Bücher bezeich­net, jeweils die lit­ur­gi­schen Ver­rich­tun­gen nach Funk­ti­on und Per­son der ein­zel­nen Akteu­re dar­ge­stellt wur­den. Dabei fällt auf, dass die Anla­ge syste­ma­tisch von vor­be­rei­ten­den und hel­fen­den Dien­sten aus­geht; Buch 1 und 2 beschrei­ben die Auf­ga­ben des Mes­ners bezie­hungs­wei­se der Mini­stran­ten. Buch 3 wid­met sich den Levi­ten und Assi­sten­ten, erst Buch 4, das am läng­sten und häu­fig­sten wie­der auf­ge­legt wur­de, wen­det sich den lit­ur­gi­schen Ver­rich­tun­gen des Cele­bran­ten (in spä­te­ren Auf­la­gen begeg­net die Schreib­wei­se: Zele­bran­ten) zu. Es erschien zuletzt 1922. 1931 noch ein­mal selb­stän­dig Der Ritus der stil­len hei­li­gen Mes­se, im Wesent­li­chen iden­tisch mit dem ent­spre­chen­den Kapi­tel des vor­ge­nann­ten Buches. Auch Buch 1, das die Tätig­kei­ten des Sakri­stans schil­dert, erleb­te 1915 eine zwei­te, ver­bes­ser­te und ver­mehr­te Auflage.

1904 wur­de Chri­sti­an Kunz Pfar­rer der Pfar­rei Aich in Nie­der­bay­ern, mit ihrer dem hei­li­gen Ulrich geweih­ten Pfarr­kir­che. In die­ser Zeit kam die im Hand­buch ein­ge­nom­me­ne Per­spek­ti­ve auf die Lit­ur­gie in klei­nen Kir­chen voll zum Tra­gen, die Kunz im Vor­wort zu Buch 4 nam­haft macht, wenn er schreibt, „vor allem die Ver­hält­nis­se der prak­ti­schen Seel­sor­ge, beson­ders wie sie für die klei­ne­ren Kir­chen (Land­kir­chen) bestehen“8, bei der Abfas­sung im Blick gehabt zu haben. Dies war ohne Zwei­fel auch durch sei­ne ersten bei­den Ein­satz­or­te in der Seel­sor­ge mit­be­stimmt wor­den, ehe er in der Prie­ster­aus­bil­dung tätig gewe­sen war. Die­ser Adres­sa­ten­kreis macht die Kunz’sche Rubri­zi­stik für heu­te unver­än­dert inter­es­sant, wo die über­lie­fer­te Lit­ur­gie häu­fig nur einen Gast­sta­tus in den Kir­chen hat oder in sogar impro­vi­sier­te, klei­ne Kapel­len aus­wei­chen muss, in denen sich dem got­tes­dienst­li­chen Leben oft­mals nicht die Mög­lich­keit zu unbe­schränk­ter Ent­fal­tung bietet.

Pfarr­kir­che und Pfarr­hof von Aich in Nie­der­bay­ern, um 1910

Erschließung der Messliturgie und des Kirchenjahres für gläubige Laien

In der Erst­auf­la­ge des Klei­nen Meß­bu­ches der katho­li­schen Kir­che, das 1910 erschien, führt es im Unter­ti­tel den Zusatz zugleich Ein­füh­rung in den Geist der latei­ni­schen Lit­ur­gie. Damit zeigt sich schon eine Zeit­stim­mung, die ganz bestimmt mit dem Pon­ti­fi­kat von Pius X. zusam­men­hängt. Schon 1911 wur­de eine zwei­te Auf­la­ge erfor­der­lich. Man darf über­zeugt sein, dass Kunz, der zu die­sem Zeit­punkt bereits sechs Jah­re in Aich in der Pfarr­seel­sor­ge stand, den ihm anver­trau­ten Pfarr­kin­dern etwas vom Geist der Lit­ur­gie ver­mit­teln woll­te, also die ein­fa­che Land­be­völ­ke­rung, nicht unbe­dingt den Aka­de­mi­ker vor Augen hatte.

Dass eine Über­ar­bei­tung und Erwei­te­rung erfolg­te und ein voll­stän­di­ges Meß­buch der katho­li­schen Kir­che erstellt wur­de, ist nur mit der Edi­tio typi­ca von 1920 erklär­bar, und inter­es­sant ist, dass der Titel lau­tet: Meß­buch der katho­li­schen Kir­che (latei­nisch und deutsch) nach dem neu­en römi­schen Mis­sa­le des Pap­stes Bene­dikt XV., also die Mis­sa­le­r­e­form anders als in der Titu­la­tur der Edi­tio typi­ca nicht Pius X. zuge­schrie­ben wird.

Der Zusatz latei­nisch und deutsch darf übri­gens nicht zu der Vor­stel­lung einer bereits durch­gän­gi­gen Zwei­spra­chig­keit ver­lei­ten, die­se beschränkt sich nur auf die gleich­blei­ben­den Tei­le, und die Pro­prien wer­den über­setzt. Im Mess­ka­non tritt an die Stel­le der Über­set­zung des Kon­se­kra­ti­ons­ak­tes und sei­ner Wor­te eine Erläu­te­rung zur Bedeu­tung des Gesche­hens und wer­den Stoß­ge­be­te ange­bo­ten, wel­che bei Erhe­bung der kon­se­krier­ten Hostie und des Kel­ches zu spre­chen sind:

„Die Wor­te der hei­li­gen Wand­lung sind für den opfern­den Prie­ster allein bestimmt, in des­sen Mund sie Jesus selbst gelegt hat, indem er beim letz­ten Abend­mahl nach der Fei­er des ersten hei­li­gen Meß­op­fers zu den Apo­steln und hier­mit zu allen Bischö­fen und Prie­stern der katho­li­schen Kir­che sprach: ‚Tut dies zu mei­nem Andenken!‘ Die­se hei­li­gen Wor­te haben übri­gens auch nur im Mun­de des Prie­sters Sinn und Kraft. Wäh­rend der hei­li­gen Wand­lung bete in tief­ster Demut und in leben­di­gem Glau­ben das Opfer des Neu­en Bun­des, Chri­sti Leib und Blut an, wie folgt: Bei der Auf­he­bung der hei­li­gen Hostie mache das Kreuz­zei­chen und bete still, indem du an die Brust klopfst: O Jesus, sei mir gnä­dig! O Jesus, sei mir barm­her­zig! O Jesus, ver­zeih mir mei­ne Sün­den! Amen. (Kreuz­zei­chen.) Sei gegrüßt, o wah­rer Leib Jesu Chri­sti, der am Kreu­ze als Opfer für mei­ne Sün­den hin­ge­ge­ben wor­den ist. In tief­ster Demut bete ich Dich an. Vater­un­ser usw. Bei der Auf­he­bung des hei­li­gen Kel­ches mache wie­der­um das Kreuz­zei­chen und bete, an die Brust klop­fend: O Jesus, dir lebe ich! O Jesus, dir ster­be ich! O Jesus, dein bin ich tot und leben­dig. Amen. (Kreuz­zei­chen.) Sei gegrüßt, o kost­ba­res Blut Jesu Chri­sti, das am Kreu­ze als Opfer für mich ver­gos­sen wor­den ist. In tief­ster Demut bete ich dich an.“9

Wäh­rend Anselm Schott OSB (1843–1896) in der Erst­auf­la­ge sei­nes Mess­bu­ches den Kan­on­text lücken­los über­setzt hat­te, ging er ab der zwei­ten Auf­la­ge von 1888 davon ab. Die­se Scheu war in ultra­mon­tan gepräg­ter Zeit häu­fig, Kunz in die­sem Punkt aber doch ein kon­ser­va­ti­ver Ver­tre­ter, denn schon ab der 22. Auf­la­ge des Schott von 1921 kehr­te in die­sem Werk die voll­stän­di­ge Über­set­zung auch der mit der eucha­ri­sti­schen Wand­lung ver­bun­de­nen Wor­te zurück.10

Weih­nachts­chmuck, Pfarr­kir­che Aich

Das Buch von Chri­sti­an Kunz trägt in sei­ner ersten Auf­la­ge als voll­stän­di­ges Mess­buch zwar das Erschei­nungs­jahr 1920, aus einer Wer­be­an­zei­ge des Ver­la­ges, die ihrer­seits in einem Ende 1920 aus­ge­lie­fer­ten Buch11 abge­druckt ist, lässt sich indes schlie­ßen, dass es tat­säch­lich frü­he­stens erst Anfang 1921 erschie­nen sein kann. Ein in der glei­chen Ankün­di­gung als Klei­nes Meß­buch eben­falls für 1921 in Aus­sicht gestell­ter Aus­zug für die Sonn- und Fei­er­ta­ge ver­zö­ger­te sich bis 1922 und trug statt­des­sen den Titel Sonn­tags­mis­sa­le, ent­hal­tend die Mes­sen aller Sonn- und Fei­er­ta­ge, latei­nisch und deutsch, mit aus­führ­li­chen Erklä­run­gen.12

Sicher­lich wur­de die­ser Titel gewählt, um eine Ver­wechs­lung mit dem Klei­nen Meß­buch in den Auf­la­gen von 1910 und 1911 zu ver­mei­den. Das Sonn­tags­mis­sa­le erleb­te bis 1929 beacht­li­che sie­ben Auf­la­gen (davon die­je­ni­ge von 1929 als Lizenz­aus­ga­be des Ver­la­ges der Buch­ge­mein­de mit Erschei­nungs­ort Bonn). Die voll­stän­di­ge Vari­an­te erfuhr immer­hin eine neu­be­ar­bei­te­te zwei­te Auf­la­ge13, die zum Bei­spiel auch das damals soeben vor­ge­schrie­be­ne Christ­kö­nigs­fest berücksichtigt.

Kunz übersetzt als erster vollständig die eigenen Messen für manche Orte

Bemer­kens­wert ist, dass Kunz die Mes­sen pro ali­qui­bus locis voll­stän­dig in sein Buch auf­nimmt. Genau­ge­nom­men gilt das in der Erst­auf­la­ge jeden­falls für die Mess­for­mu­la­re zu Ehren des Herrn und die­je­ni­gen zu Ehren der Got­tes­mut­ter14, wäh­rend in der Auf­la­ge von 1920 zunächst noch vier­zehn Hei­li­ge feh­len15, wel­che im deut­schen Sprach­raum nicht so sehr bekannt sind bezie­hungs­wei­se kaum ver­ehrt wer­den oder sei­ner­zeit wurden.

Anselm Schott hat­te indes­sen zumin­dest jene Mess­for­mu­la­re für bestimm­te Orte auf­ge­nom­men, die damals im deut­schen Sprach­raum all­ge­mein gebräuch­lich waren.16

Für die Edi­tio typi­ca des Mis­sa­le Roma­num von 1920 gilt fol­gen­de inter­es­san­te Infor­ma­ti­on hin­sicht­lich der Mes­sen pro ali­qui­bus locis, die nach ursprüng­li­chem Plan schon damals eigent­lich ganz hät­ten ent­fal­len sol­len, dann aber doch – haupt­säch­lich aus Rück­sicht auf bestehen­de Patro­zi­ni­en – noch bei­be­hal­ten wurden:

„Wäh­rend der Appen­dix der Edi­tio typi­ca vom Jah­re 1900 212 in exten­so gesetz­te oder auf das Com­mu­ne ganz oder zum Teil zitier­te Mes­sen auf­weist, ent­hält das im Jah­re 1911 als letz­tes vor der Reform gedruck­te Pustet­sche Mis­sa­le deren 250. Es war all­mäh­lich unter den Typo­gra­phen ein wah­res Wett­ren­nen in der Auf­nah­me neu­er Mes­sen ent­stan­den, wodurch der Appen­dix immer reich­hal­ti­ger wur­de. Um die­ses für die Zukunft ganz aus­zu­schal­ten, wur­de die Zahl der in den Appen­dix auf­zu­neh­men­den Mes­sen von der Kom­mis­si­on für die Reform des Mis­sa­le selbst fest­ge­legt, zugleich den lit­ur­gi­schen Ver­le­gern die strik­te Wei­sung erteilt, daß ande­re Mes­sen in den Appen­dix nicht mehr auf­ge­nom­men wer­den dürf­ten. Die Zahl der Mes­sen im neu­en Appen­dix beträgt 62. […] Die­se 62 Mes­sen sind in drei Grup­pen zer­glie­dert: in hono­rem D. N. J. C., in hono­rem B. Mariae Virg., in hono­rem Sanc­torum. […] Die Mes­sen sind jedoch nicht, wie im eigent­li­chen Mis­sa­le, chro­no­lo­gisch geord­net, son­dern bei den Festen des Herrn und der Mut­ter Got­tes nach den Geheim­nis­sen und den Titeln bzw. Tugen­den, bei den Festen der Hei­li­gen nach der digni­tas, und hier in jeder Abtei­lung wie­der­um alpha­be­tisch.“17

Damit, die­se Mess­for­mu­la­re alle­samt in ein Mess­buch für die Gläu­bi­gen auf­zu­neh­men, war Kunz sei­ner­zeit Pio­nier, ist dem Volks­mis­sa­le der Petrus­bru­der­schaft tat­säch­lich zumin­dest 90 Jah­re vor­aus­ge­we­sen, denn in der zwei­ten Auf­la­ge von 1925 sind auch die 1920 noch feh­len­den Hei­li­gen­mes­sen voll­stän­dig zu fin­den.18 Von Anfang an ent­hielt Kunz‘ Mess­buch indes sogar die Com­mu­ne­tex­te, die 1915 pro ali­qui­bus locis appro­biert wor­den waren19, in deut­scher Über­set­zung20.

Die Straf­fung, wel­che die Mess­for­mu­la­re pro ali­qui­bus locis 1920 erfuh­ren und das Ver­bot an die auto­ri­sier­ten Ver­le­ger lit­ur­gi­scher Bücher, in Zukunft zusätz­li­che oder neue For­mu­la­re hin­zu­zu­fü­gen, ja, sogar die ursprüng­li­che Absicht, die­sen Anhang ersatz­los zu strei­chen, darf nicht unter­schätzt wer­den. Mit dem Codex Rubri­carum von 1960 fie­len wie­der­um eini­ge Mes­sen aus die­ser Zusam­men­stel­lung her­aus, doch auch im Mis­sa­le Roma­num von 1962 hat man schluss­end­lich nicht ganz dar­auf ver­zich­ten wol­len. Das sei hier erwähnt, um auf­zu­zei­gen, wie ver­fehlt die ver­brei­te­te tra­di­tio­na­li­sti­sche Ten­denz ist, jede Strei­chung als anfäng­li­ches Indiz moder­ni­sti­scher Unter­wan­de­rung zu brand­mar­ken und des­halb sol­che Strei­chun­gen für sich eigen­mäch­tig gewis­ser­ma­ßen unge­sche­hen zu machen.

Lai­en­mess­buch von Kunz im Pustet-Verlag

Da wir uns mit einem Lai­en­mess­buch befas­sen, kann hier die erwei­ter­te Neu­auf­la­ge des voll­stän­di­gen Schott, die der Bobin­ger Ver­lag Sar­to 2018 her­aus­ge­bracht hat und dabei in Nach­ah­mung des Volks­mis­sa­le einen Anhang pro ali­qui­bus locis auf­nahm, kurz kri­tisch kom­men­tiert wer­den. Die­sen Anhang hat man näm­lich mit sol­cher Eigen­mäch­tig­keit einer­seits um For­mu­la­re ergänzt, die 1960 schon ent­fal­len waren, ande­rer­seits sogar um Eigen­mes­sen aus Diö­ze­san-21 oder Ordens­pro­prien22 berei­chert, die im Anhang pro ali­qui­bus locis über­haupt nichts ver­lo­ren haben23 und sowie­so aus­schließ­lich in den Bis­tü­mern oder Ordens­ge­mein­schaf­ten lit­ur­gisch benutzt wer­den dürf­ten, für die sie aus­drück­lich gestat­tet wor­den sind. Frei­lich ist es denk­bar, dass auch Feste wie­der­keh­ren, wie es bei­spiels­wei­se mit dem Loret­o­fest am 10. Dezem­ber im aktu­el­len Römi­schen Gene­ral­ka­len­der grund­sätz­lich 2019 gesche­hen ist, wobei bis­her nicht geklärt ist, inwie­weit dies auch Fei­ern nach Sum­morum Pon­ti­fi­cum betrifft.24

Inso­weit es um Ergän­zun­gen für zwei- oder rein volks­sprach­li­che Hand­mess­bü­cher geht, war Chri­sti­an Kunz auch bei die­sen Lokal­an­hän­gen Vor­rei­ter, denn für die Mess­bü­cher von Schott gab es sol­che Anhän­ge von Eigen­mes­sen vor und zeit­gleich mit Kunz ledig­lich für ver­ein­zel­te (meist gro­ße und bedeu­ten­de) (Erz-)Bistümer und Orden.25 Das Volks­meß­buch des Urba­nus Bomm OSB (1901–1982) erschien, wie schon ein­gangs erwähnt, erst­mals 1927, als also gera­de die letz­ten Auf­la­gen Kunz’scher Mess­bü­cher bevor­stan­den. Anhän­ge zu den Bomm-Aus­ga­ben gab es über­haupt nur weni­ge und rela­tiv spät. Zuerst für die Schwei­zer Bis­tü­mer 1937 und den Bene­dik­ti­ner­or­den und die Abtei­en der Schweiz, dane­ben 1952 für das dama­li­ge Bis­tum, seit 1988 Erz­bis­tum, Luxem­burg, ein Indiz für die Aus­strah­lung von Maria Laach und des Bomm in regio­na­ler Hin­sicht. Außer­dem gab es 1940 einen Kapu­zi­ner­an­hang zum Bomm, der als ein­zi­ger über­haupt 1953 eine erwei­ter­te zwei­te Auf­la­ge erleb­te.26

Besondere Pionier- und Eigenleistung: beachtlich viele Diözesanproprien in Übersetzung

Die­se Ver­glei­che wer­den hier gezo­gen, um die Lei­stung des Chri­sti­an Kunz rich­tig wert­schät­zen zu kön­nen, der begin­nend mit sei­ner eige­nen Diö­ze­se Regens­burg und dem Erschei­nungs­jahr 192127, über­wie­gend aber 1923, ins­ge­samt acht­zehn Diö­ze­san­pro­prien als Ergän­zung zu sei­nem Mess­buch in deut­scher Spra­che erstellt hat.28 Ordens­pro­prien von Kunz gibt es nicht, doch zei­gen die erschie­ne­nen Anhän­ge den beacht­li­chen Ver­brei­tungs­ra­di­us sei­nes Mess­buch­pro­jek­tes auf, der einen auf den bay­ri­schen (Erz-)Diözesen ruhen­den Schwer­punkt erken­nen lässt, was nicht über­rascht, aber auch (Erz-)Bistümer wie Köln oder Mainz umfasst und mit Chur bis in die (deutsch­spra­chi­ge) Schweiz und nach Luxem­burg sowie in heu­te zu Polen gehö­ren­de Gebie­te reicht. Zuletzt leg­te Kunz 1929 die Eigen­mes­sen der Erz­diö­ze­se Salz­burg in Über­set­zung vor29, war folg­lich offen­bar auch in Tei­len Öster­reichs mit sei­nen Mess­bü­chern bekannt.

Ein gestal­te­ri­scher Vor­zug von die­sen war zudem, dass, ent­spre­chend ver­klei­nert, der ver­lags­ei­ge­ne, unver­wech­sel­ba­re Buch­schmuck der lit­ur­gi­schen Aus­ga­ben von Fried­rich Pustet – Fron­ti­spiz, Vignet­ten und neo­go­ti­sche Kup­fer­sti­che des 19. Jahr­hun­derts (letz­te­re zur Illu­stra­ti­on der Haupt­fe­ste) – über­nom­men wurde.

Der Schriftsteller Christian Kunz – seine Publikationen neben dem vollständigen Messbuch und dem Messbuch für die Sonntage

Zu Beginn wur­de mit dem mehr­bän­di­gen rubri­zi­sti­schen Hand­buch von Kunz ein Werk erwähnt, das sich vor­wie­gend an Prie­ster­amts­kan­di­da­ten und an Prie­ster rich­tet, die als Lit­ur­gen die Riten und Zere­mo­nien der Kir­che unmit­tel­bar kor­rekt voll­zie­hen und aus­füh­ren müs­sen. Wäh­rend sei­ne Mess­bü­cher erschie­nen, war Kunz, wie schon erwähnt, Pfar­rer der dörf­lich und bäu­er­lich gepräg­ten Land­ge­mein­de Aich, die heu­te zur Pfar­rei­en­gemein­schaft Bina­bi­burg gehört. Schaut man die ande­ren Ver­öf­fent­li­chun­gen an, die Kunz in jenen Jah­ren aus der Feder geflos­sen sind, sind dies neben den Auf­la­gen des Hand­bu­ches der prie­ster­li­chen Lit­ur­gie und der schon erwähn­ten Mess­bü­cher bezeich­nen­der­wei­se viel­fach eben­falls Schrif­ten, die lit­ur­gi­sche Tex­te und Riten in der Volks­spra­che zugäng­lich machen und erläu­tern: Die Dia­ko­nen- und Prie­ster­wei­he nach dem römi­schen Pon­ti­fi­ka­le, deutsch und latei­nisch, nebst Wei­he-Unter­richt (erschie­nen: 1913), Die Ton­sur und die kirch­li­chen Wei­hen nach dem römi­schen Pon­ti­fi­ka­le, deutsch und latei­nisch, nebst Wei­he-Unter­richt (1913), Das katho­li­sche Kir­chen­jahr, popu­lär-wis­sen­schaft­lich dar­ge­stellt (1913), Die Bischofs­wei­he nach dem römi­schen Pon­ti­fi­ka­le, deutsch und latei­nisch, dem Vol­ke erklärt (1914). Zwar wen­det er sich dar­in teils auch an Semi­na­ri­sten, was der ange­schlos­se­ne Wei­he­un­ter­richt erken­nen lässt, ist aber deut­lich bestrebt, die Gläu­bi­gen anzu­spre­chen, was vor allem das Kir­chen­jahr von Chri­sti­an Kunz belegt und die Klein­schrift zur Bischofs­wei­he cha­rak­te­ri­siert. In die Grup­pe die­ser lit­ur­gi­schen Publi­ka­tio­nen gehört übri­gens noch 1936 das Meß­büch­lein für die Kin­der des 2. und 3. Schul­jah­res, lit­ur­gi­sche Vor­stu­fe für das [Regens­bur­ger] Diözesangebetbuch.

Hoch­al­tar, Pfarr­kir­che Aich

Außer­dem stam­men von Kunz kate­che­ti­sche Schrif­ten, näm­lich ein Volks­schul­ka­te­chis­mus in meh­re­ren Auf­la­gen und Aus­ga­ben (teil­wei­se unter dem Titel Das Büch­lein vom lie­ben Gott erschie­nen: 1932, 1934 und 1935) und pasto­ra­le Hand­rei­chun­gen für Prie­ster in der Kran­ken­seel­sor­ge (1921 und 1922), schließ­lich ein Bei­stand in der Ster­be­stun­de. Ein Haus­büch­lein für die Ange­hö­ri­gen eines Ster­ben­den (1936). Alle Wer­ke, die Chri­sti­an Kunz vor­ge­legt hat, erschie­nen bei Fried­rich Pustet in Regens­burg.

Wenn man all die­se Titel über­blickt, wird in ihnen durch­ge­hend das Motiv prak­ti­scher Seel­sor­ge, das frei­lich von der Lit­ur­gie der Kir­che stark geprägt und durch­drun­gen ist, deutlich.

Dass in den Mess­bü­chern die ver­än­der­li­chen Tei­le nur in der Über­set­zung vor­lie­gen, ist kein Man­gel bei Kunz, son­dern zeit­ty­pi­scher Stan­dard. Erst ab 1926 liegt der Schott30 durch­ge­hend zwei­spra­chig vor, der Bomm31 ab 1936.

Vergleich und Würdigung der Übersetzungsqualität bei Kunz

Indem wir zum Abschluss kom­men, soll anhand einer Gegen­über­stel­lung bei­spiel­haft noch die Über­set­zungs­ge­nau­ig­keit von Chri­sti­an Kunz vor­ge­stellt wer­den, die mei­stens bemer­kens­wert hoch und prä­zi­se ist. Gewählt wird dazu das Kir­chen­ge­bet des 23. Sonn­tags nach Pfing­sten. Des­sen amt­li­cher latei­ni­scher Text der Lit­ur­gie lautet:

„Absol­ve, quae­su­mus, Domi­ne, tuo­rum delic­ta popul­orum: ut a pec­ca­torum nexi­bus, quae pro nost­ra fra­gi­li­ta­te con­tra­ximus, tua benig­nita­te liber­emur. Per Dominum.“

Die ori­gi­na­le Über­set­zung von Anselm Schott lau­te­te: „Löse, o Herr, dein Volk von sei­nen Ver­ge­hen, damit wir von den Fes­seln unse­rer Sün­den, in die wir zufol­ge unse­rer Schwä­che uns ver­strickt haben, durch Dei­ne Güte befreit wer­den. Durch J. Chr.“32 Es blieb also quae­su­mus unüber­setzt.

Im Sar­to-Schott liest man: „Wir bit­ten Dich, o Herr, erlaß Dei­nem Vol­ke sei­ne Mis­se­ta­ten, damit wir frei wer­den von den Sün­den­fes­seln, in die wir infol­ge unse­rer Schwach­heit gera­ten sind. Durch unsern Herrn.“33

Kunz bie­tet: „Wir bit­ten dich, o Herr, laß nach die Ver­ge­hen dei­ner Völ­ker, damit wir durch Dei­ne Güte von den Fes­seln der Sün­den befreit wer­den, in die wir wegen unse­rer Schwach­heit gera­ten sind. Durch Jesus Chri­stus.“34

Der Bomm hat: „Wir bit­ten, Herr, laß die Ver­ge­hen Dei­nes Vol­kes nach, und befreie uns in Dei­ner Güte von den Sün­den­fes­seln, in die wir in unse­rer Gebrech­lich­keit uns ver­fan­gen haben. Durch Jesus Chri­stus.“35

„Wir bit­ten dich, o Herr, laß nach die Ver­ge­hen dei­ner Völ­ker“, Lai­en­mess­buch nach Kunz

Die For­mu­lie­rung im Volks­mis­sa­le hat den Wort­laut: „Erlas­se, so bit­ten wir, Herr, die Ver­ge­hen Dei­nes Vol­kes, damit wir von den Fes­seln der Sün­den, die wir uns durch unse­re Schwach­heit zuge­zo­gen haben, durch Dei­ne Güte befreit wer­den. Durch unse­ren Herrn.“36

Zwar erken­nen wir, dass außer Anselm Schott selbst und Mar­tin Ramm alle ande­ren Über­set­zer die vor­ge­ge­be­ne Satz­kon­struk­ti­on preis­ge­ben, aber Kunz ist bei­spiels­wei­se der ein­zi­ge, der tuo­rum popul­orum kor­rekt im Plu­ral wie­der­gibt. Die Nei­gung, frei zu über­set­zen, zeigt sich im Schott deut­lich im Begriff der Mis­se­ta­ten, durch den etwa ver­un­klart wer­den mag, dass die delic­ta auch in schuld­haf­ten Unter­las­sun­gen bestehen kön­nen. Im Sar­to-Schott hat tua benig­nita­te davon abge­se­hen gar kei­ne Berück­sich­ti­gung mehr gefun­den, wodurch der Par­al­le­lis­mus der Ent­ge­gen­set­zung zu nost­ra fra­gi­li­ta­te nicht zum Bewusst­sein kom­men kann, eine Ent­spre­chung, die in ihrer Span­nung durch die syn­tak­ti­sche Zuord­nung von con­tra­ximus und liber­emur fort­ge­führt und dadurch unter­stri­chen wird, dass ein­mal akti­visch for­mu­liert ist, das befrei­en­de Heils­han­deln Got­tes aus Sicht der Sün­der hin­ge­gen rein emp­fan­gend erscheint, im Pas­siv steht. Das damit wir frei wer­den der Über­set­zung des Sar­to-Schott (die übri­gens seit 1921/​1926 unver­än­dert ist), ver­säumt es, den Gegen­satz bei­der Vor­gän­ge aus­zu­drücken, und es müss­te dazu wenig­stens damit wir frei gemacht wer­den heißen.

In der Bomm-Über­set­zung vor­züg­lich gewählt ist Gebrech­lich­keit für fra­gi­li­tas, das auch Zer­brech­lich­keit bedeu­ten könn­te und dann an die irde­nen Gefä­ße in Vers 7 im vier­ten Kapi­tel des zwei­ten Korin­ther­brie­fes den­ken ließe.

Es ist gewis­ser­ma­ßen typisch für die Über­set­zung von Chri­sti­an Kunz, dass sich sei­ne Genau­ig­keit an einer schein­ba­ren Neben­säch­lich­keit unter Beweis stellt, näm­lich im Plu­ral dei­ne Völ­ker statt dei­nes Vol­kes. Zwar ist man geneigt, das neue Got­tes­volk der Kir­che als ein Volk zu betrach­ten, doch ist die­ses mit der pau­li­ni­schen Mis­si­ons­tä­tig­keit begin­nend aus Juden und Hei­den­völ­kern zusam­men­ge­ru­fen und ver­sam­melt: ex omni­bus gen­ti­bus et tri­bu­bus et popu­lis et lin­gu­is, wie es in der Lesung des Aller­hei­li­gen­fe­stes heißt.37

Zieht man die jewei­li­gen Vor­zü­ge der ein­zel­nen Über­set­zun­gen als Anre­gung her­an, so müss­te sich für die Coll­ec­ta des 23. Sonn­tags nach Pfing­sten im Deut­schen wohl am besten fol­gen­de For­mu­lie­rung erge­ben: „Löse38 uns, so bit­ten wir, Herr, los von den Über­tre­tun­gen Dei­ner Völ­ker, damit wir aus den Ver­strickun­gen der Sün­den, die wir uns wegen unse­rer Gebrech­lich­keit zuge­zo­gen haben, dank mil­der Zuwen­dung Dei­ner Güte befreit wer­den. Durch unsern Herrn.“39

Ausklang

Aus heu­ti­ger Sicht ist das Mess­buch des Chri­sti­an Kunz kein moder­nes, das auf eine durch­gän­gi­ge Zwei­spra­chig­keit nicht mehr ver­zich­ten könn­te, es war aber min­de­stens gleich­wer­tig mit den dama­li­gen Schott-Aus­ga­ben. Das an ent­schei­den­den Stel­len bei Kunz immer wie­der her­vor­tre­ten­de Gespür für die Nuan­cen der begriff­li­chen Kla­via­tur des lit­ur­gi­schen Lateins war eine Vor­stu­fe zur von Urba­nus Bomm ange­streb­ten Prä­zi­si­on des Aus­drucks und zum heu­ti­gen Anspruch an die Text­treue, unter dem die Neu­über­set­zung des Volks­mis­sa­le ent­stan­den ist. Das sichert Chri­sti­an Kunz einen festen Platz unter den deutsch­spra­chi­gen Lai­en­mess­bü­chern im 20. Jahr­hun­dert und ihm hun­dert Jah­re nach Ent­ste­hen und Erschei­nen sei­nes Hand­mess­bu­ches ein aner­ken­nen­des Andenken.

Nach fünf­und­zwan­zig Jah­ren als Pfar­rer von Aich wur­de Chri­sti­an Kunz 1929 mit dem Titel eines (bischöf­li­chen) Geist­li­chen Rates geehrt. Ins­ge­samt lei­te­te er die Pfar­rei bis zum 31. Okto­ber 1934, also etwas mehr als drei­ßig Jah­re. Anschlie­ßend ging er als Ruhe­stands­geist­li­cher nach Alt­öt­ting, blieb aber schrift­stel­le­risch prak­tisch bis zuletzt rege. In die­ser maria­ni­schen Metro­po­le Bay­erns ist er am 16. Febru­ar 1937 ver­stor­ben und am 19. Febru­ar 1937 zur letz­ten Ruhe gebet­tet wor­den.40

Bild: Archiv Peter Käser/​Bischöfliches Zen­tral­ar­chiv Regensburg/​Archiv Oldendorf


1 Vgl. Häuß­ling, A. A., Das Mis­sa­le deutsch. Mate­ria­li­en zur Rezep­ti­ons­ge­schich­te der latei­ni­schen Meß­lit­ur­gie im deut­schen Sprach­ge­biet bis zum Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil. Tbd. 1: Biblio­gra­phie der Über­set­zun­gen in Hand­schrif­ten und Drucken, Münster/​Westfalen 1984, lfd. Nr. 1211, S. 148, fort­an zitiert als Häuß­ling, Mis­sa­le deutsch (Tbd. 2 ist nie erschienen).

2 Vgl. dazu Wim­mer, A., abge­ru­fen am 21. Novem­ber 2020.

3 Vgl. dazu Olden­dorf, C. V., abge­ru­fen am 21. Novem­ber 2020; die­ses Buch wird fort­an kurz als Sar­to-Schott bezeich­net.

4 Vgl. dazu die Inter­net­prä­senz des Ver­la­ges, abge­ru­fen am 21. Novem­ber 2020.

5 Häuß­ling, Mis­sa­le deutsch, lfd. Nr. 1088, S. 132, nennt fälsch­lich erst die Auf­la­ge von 1911 und kenn­zeich­net sie auch nicht als zwei­te. Eben­so wird eine Abhän­gig­keit (sogar Über­nah­me?) der Über­set­zung von zwei Vor­la­gen behaup­tet, obwohl Kunz sowohl den Ordo Mis­sae als auch sämt­li­che ver­än­der­li­chen Eigen­tex­te eigen­stän­dig über­setzt hat. Wie Häuß­ling zu die­ser Annah­me kommt, zugleich aber nicht ent­schei­den will, von wem Kunz denn abge­schrie­ben haben soll, ist zum einen nicht nach­zu­voll­zie­hen, beweist zum ande­ren aber, dass mit kei­nem von bei­den Vor­läu­fern, W. K. Rei­schl (1818–1873) und M. V. Satt­ler (Lebens­da­ten bis jetzt nicht fest­zu­stel­len, jedoch ab 1858 und bis zur Jahr­hun­dert­wen­de ins 20. Jahr­hun­dert als publi­zi­stisch täti­ger Gym­na­si­al­leh­rer für Geschich­te nach­weis­bar) die behaup­te­te, text­li­che Über­ein­stim­mung gege­ben sein kann.

6 Vgl. ebd., lfd. Nr. 1103, S. 135.

7 Vgl. ebd., lfd. Nr. 1140f, S. 138f.

8 Kunz, Chr., Die lit­ur­gi­schen Ver­rich­tun­gen des Cele­bran­ten [= Hand­buch der prie­ster­li­chen Lit­ur­gie nach dem römi­schen Ritus, 4. Buch] Regens­burg u. a. 1904, S. V.

9 Kunz, Meß­buch (11920), S. 20f.

10 Vgl. Häuß­ling, Mis­sa­le deutsch, lfd. Nr. 617, S. 95.

11 Vgl. Brehm, F., Die Neue­run­gen im Mis­sa­le, Regens­burg 1920, erste unpa­gi­nier­te Sei­te nach S. 452, unten: „Anfang 1921 erscheint: Meß­buch der katho­li­schen Kir­che, latei­nisch-deutsch von Pfar­rer Chr. Kunz. Voll­stän­dig neu bear­bei­tet. Ent­hält sämt­li­che Mes­sen des neu­en Mis­sa­le. Für die­se Aus­ga­be wird spä­ter eine Rei­he von Pro­prien erschei­nen. Ein Aus­zug, ent­hal­tend alle Sonn- und Fei­er­ta­ge, sowie jene Feste, die an einem Sonn­tag gefei­ert wer­den kön­nen, erscheint 1921 unter dem Titel: Klei­nes Meß­buch“, fort­an zitiert als Brehm, Neue­run­gen.

12 Vgl. Häuß­ling, Mis­sa­le deutsch, lfd. Nr. 1140, S. 138.

13 Vgl. ebd., lfd. Nr. 1104, S. 135.

14 Vgl. Kunz, Meß­buch (11920), S. 865–908.

15 Vgl. Brehm, Neue­run­gen, S. 398f; vgl. dage­gen Kunz, Meß­buch (11920), S. 908–937.

16 Vgl. Häuß­ling, Mis­sa­le deutsch, lfd. Nr. 596–599, S. 93f, also die von Anselm Schott (1843–1896) selbst und allein besorg­ten Auflagen.

17 Brehm, Neue­run­gen, S. 397.

18 Vgl. Häuß­ling, Mis­sa­le deutsch, lfd. Nr. 1104, S. 135.

19 Vgl. lat. Brehm, Neue­run­gen, S. 401–413. In das MR1962 wur­den die­se Com­mu­ne­tex­te nicht mehr aufgenommen.

20 Vgl. Kunz, Meß­buch (11920), S. 937–952.

21 So aus dem Trie­rer Pro­pri­um, vgl. Sar­to-Schott, S. [337]-[340].

22 Unter ande­rem aus den Eigen­mes­sen der Fran­zis­ka­ner, vgl. ebd., S. [401]-[406].

23 Vgl. ebd., S. [277]-[463].

24 Vgl. ebd., S. [280]-[283]. Papst Fran­zis­kus, dem die Migra­ti­ons­fra­ge ein geist­li­ches Anlie­gen ist, könn­te in ähn­li­cher Wei­se das Fest der Flucht Unse­res Herrn Jesus Chri­stus nach Ägyp­ten am 17. Febru­ar wie­der ein­füh­ren, vgl. Brehm, Neue­run­gen, Mis­sae in hono­rem D. N. J. C., Nr. 4, S. 398 sowie Kunz, Meß­buch (11920), S. 872–874.

25 Vgl. Häuß­ling, Mis­sa­le deutsch, lfd. Nr. 837‑1004, S. 111–120.

26 Vgl. zu die­sen Anhän­gen ebd., lfd. Nr. 1276–1280, S. 155.

27 Vgl. ebd., lfd. Nr. 1135, S. 138.

28 Vgl. ebd., lfd. Nr. 1122–1138, S. 137f.

29 Vgl. ebd., lfd. Nr. 1312, S. 161.

30 Vgl. ebd., Mis­sa­le deutsch, lfd. Nr. 692, S. 101.

31 Vgl. ebd., lfd. Nr. 1238, S. 151.

32 Schott, A., Ves­per­buch (Ves­pe­ra­le Roma­num), latei­nisch und deutsch, ent­hal­tend die Ves­pern des Kir­chen­jah­res, für Lai­en bear­bei­tet, Frei­burg im Breis­gau u. a. 51913, S. 197f.

33 Sar­to-Schott, S. 699.

34 Kunz, Meß­buch (11920), S. 552.

35 Bomm, U., Latei­nisch-Deut­sches Volks­meß­buch. Das voll­stän­di­ge Römi­sche Mess­buch für alle Tage des Jah­res, Ein­sie­deln und Köln 141961, S. 689f.

36 Ramm, M., Volks­mis­sa­le. Das voll­stän­di­ge römi­sche Mess­buch nach der Ord­nung von 1962, lateinisch/​deutsch, Thal­wil 32017, S. 677 T.

37 Offb 7, 2–12.

38 Vgl. zum Impe­ra­tiv absol­ve auch im Trac­tus der Requi­em­mes­se: „Absol­ve[…] ab omni vin­cu­lo delic­torum.“ Auch der Ter­mi­nus delic­tum begeg­net dort wieder.

39 Eige­ner Über­set­zungs­vor­schlag. Statt delic­ta mit Ver­ge­hen wie­der­zu­ge­ben, wird Über­tre­tun­gen bevor­zugt, da die­se Über­tre­tun­gen von Got­tes Gebot sowohl in einem sünd­haf­ten (oder nach­läs­si­gen) Tun als auch in einem Unter­las­sen des Guten und Tugend­haf­ten bestehen kön­nen. Benig­ni­tas kann Güte oder Mil­de bedeu­ten, meint aber nicht in erster Linie Güte und Mil­de an sich, son­dern güti­ges, mil­des Ver­hal­ten gegen­über jeman­dem. Des­we­gen ist in unse­rem Vor­schlag von Zuwen­dung der Güte die Rede. Kur­siv­set­zun­gen im Text kenn­zeich­nen jeweils Über­nah­men gelun­ge­ner Über­set­zungs­ele­men­te von ande­ren, Fett­satz völ­lig eigen­stän­di­ge Übersetzungsentscheidungen.

40 Für die Anga­ben zur Bio­gra­phie von GR Pfar­rer Chri­sti­an Kunz und Foto­gra­fien zur Illu­stra­ti­on dan­ke ich den Her­ren Dr. Die­ter Haberl und Dr. Franz v. Klim­stein vom Bischöf­li­chen Zen­tral­ar­chiv Regens­burg sowie dem Aicher Hei­mat­for­scher Peter Käser recht herz­lich. Eben­so herz­li­cher Dank gilt dem Ver­lag Fried­rich Pustet für Hin­wei­se und Recher­che­emp­feh­lun­gen, die mir freund­li­cher­wei­se Frau Eli­sa­beth Pustet per­sön­lich gege­ben hat.

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