Kardinal Müller: „Der Papst steht nicht über dem Wort Gottes“

Keine Anerkennung von homosexuellen Verbindungen


Kardinal Gerhard Müller: "Es gibt ein Problem der Verwirrung in der Welt".
Kardinal Gerhard Müller: "Es gibt ein Problem der Verwirrung in der Welt".

(Rom) „Ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaf­ten? Ich bin dem Papst treu, aber er steht nicht über dem Wort Got­tes. So erzeugt man Ver­wir­rung.“ Deut­li­che Wor­te der Miß­bil­li­gung fin­det Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler in einem Inter­view mit dem Cor­rie­re del­la Sera zu den Aus­sa­gen von Papst Fran­zis­kus zur Homosexualität.

Anzei­ge

„Das alles hat gro­ße Ver­wir­rung gestif­tet. Ich habe Hun­der­te von Anru­fen erhal­ten. Die Gläu­bi­gen sind völ­lig verwirrt.“ 

Sie wür­den ihn fra­gen, was der Papst damit sagen wol­le, ob es denn stim­me, daß er das gesagt habe, war­um sich der Papst nicht deut­lich aus­drücke und vie­le sol­cher Fra­gen mehr.

Kar­di­nal Mül­ler ist Dog­ma­ti­ker und Kura­tor für die Ver­öf­fent­li­chung der gesam­mel­ten Wer­ke von Papst Bene­dikt XVI. bzw. Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger. Der deut­sche Papst hat­te den dama­li­gen Bischof von Regens­burg im Juni 2012 als Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on an die Römi­sche Kurie beru­fen. Papst Fran­zis­kus blieb jedoch auf Distanz zu sei­nem Glau­bens­prä­fek­ten. Das Ver­hält­nis zer­rüt­te­te sich, je mehr Fran­zis­kus durch über­ra­schen­de Aus­sa­gen, Hand­lun­gen und Unter­las­sun­gen „Ver­wir­rung“ stif­te­te. Durch Inter­pre­ta­tio­nen im Licht der Recht­gläu­big­keit ver­such­te der Kar­di­nal aus­glei­chend zu wir­ken. Als dies zu offen­sicht­lich wur­de, setz­te ihn Fran­zis­kus vor die Tür. Offi­zi­ell hieß es, weil das fünf­jäh­ri­ge Man­dat (2012–2017) abge­lau­fen war. Die nicht erfolg­te Bestä­ti­gung für ein zwei­tes Man­dat offen­bar­te jedoch den tie­fer gehen­den Dis­sens. Die Abnei­gung von Fran­zis­kus gegen­über dem „Ratz­in­ge­ria­ner“, der sei­nen locke­ren Umgang mit umstrit­te­nen Fra­gen ein­zu­däm­men ver­such­te, wur­de selbst jenen offen­sicht­lich, die lie­ber weg­schau­en, als er Mül­ler kei­ne neue Auf­ga­be mehr über­trug. Der Kar­di­nal bringt es in der heu­ti­gen Aus­ga­be des Cor­rie­re del­la Sera selbst auf den Punkt:

„Unter Bene­dikt sag­te man mir in Deutsch­land, ich sei zu papi­stisch, jetzt bin ich ein Feind des Pap­stes gewor­den! Das ist absurd: Ich bin ein Katho­lik, ein Prie­ster, habe Bücher über den Pri­mat des Pap­stes geschrie­ben und ihn immer gegen Pro­te­stan­ten und Libe­ra­le ver­tei­digt, aber …“

Cor­rie­re del­la Sera: „Aber“, Eminenz?

Kar­di­nal Mül­ler: „… aber der Papst steht nicht über dem Wort Got­tes, der den Men­schen als Mann und als Frau, die Ehe und die Fami­lie geschaf­fen hat. Ich bin Kar­di­nal und ste­he immer an der Sei­te des Pap­stes, aber nicht unter allen Bedin­gun­gen. Es ist kei­ne abso­lu­te Loya­li­tät: Die erste Loya­li­tät gilt dem Wort Got­tes. Der Papst ist der Stell­ver­tre­ter Chri­sti, er ist nicht Chri­stus. Ich glau­be an Gott.“

Cor­rie­re del­la Sera: Fran­zis­kus spricht aber nicht von der Ehe. Er sag­te, es wür­de ihm eine recht­li­che Aner­ken­nung für homo­se­xu­el­le Paa­re gefal­len, die ein­ge­tra­ge­nen Partnerschaften …

Kar­di­nal Mül­ler: Und wor­in genau besteht der Unter­schied? In vie­len Staa­ten waren die soge­nann­ten ein­ge­tra­ge­nen Part­ner­schaf­ten nur die Vor­stu­fe zur Aner­ken­nung der Homo-Ehe. Des­halb stört es vie­le Gläu­bi­ge. Sie den­ken, daß die­se Wor­te nur der erste Schritt zur Recht­fer­ti­gung der homo­se­xu­el­len Ver­bin­dun­gen durch die Kir­che sind, und das ist nicht möglich.“

Cor­rie­re del­la Sera: Und war­um?

Kar­di­nal Mül­ler: Vom Anfang der Hei­li­gen Schrift an, in der Gene­sis, heißt es, daß Gott den Mann und die Frau erschuf. Jesus ruft es den Pha­ri­sä­ern in Erin­ne­rung: Der Mann wird sich mit sei­ner Frau ver­ei­ni­gen und bei­de wer­den ein Fleisch sein. Des­halb ist die ein­zi­ge mög­li­che Ehe die zwi­schen Mann und Frau, und der Geschlechts­ver­kehr ist aus­schließ­lich der Ehe vor­be­hal­ten. Wir wol­len die Per­so­nen mit homo­se­xu­el­len Nei­gun­gen nicht ver­ur­tei­len, viel­mehr sie beglei­ten und ihnen hel­fen, aber gemäß den Bedin­gun­gen der christ­li­chen Glaubenslehre.

Cor­rie­re del­la Sera: Die Schrift spricht nicht von ein­ge­tra­ge­nen Partnerschaften …

Kar­di­nal Mül­ler: Das ist Haar­spal­te­rei! Das Wort Got­tes gilt für alle Zei­ten. Es spricht vom Natur­recht, der Moral. Die anthro­po­lo­gi­sche Ver­fas­sung wird in der neu­en LGBT-Anthro­po­lo­gie nicht respek­tiert: Sie sagen, es gäbe kei­ne defi­nier­te mensch­li­che Natur, nicht Mann und Frau, und das Geschlecht sei nur ein idea­les Kon­strukt mit allen sich dar­aus erge­ben­den Kon­se­quen­zen ein­schließ­lich dem Recht, es zu ändern. In Wirk­lich­keit gibt es kei­ne Zukunft für die Mensch­heit, ohne die Kom­ple­men­ta­ri­tät zwi­schen Mann und Frau, die bio­lo­gi­schen und psy­chi­schen Fak­ten, ein die mensch­li­che Kul­tur begrün­den­des Ver­hält­nis anzu­er­ken­nen. Der Papst ist auch der erste Inter­pret des Natur­rechts: War­um greift er in die­se Din­ge der Staa­ten ein, ohne die Dimen­si­on des Natur­ge­set­zes zu unterstreichen?

Cor­rie­re del­la Sera: Die Kir­che kann die ein­ge­tra­ge­nen Part­ner­schaf­ten nicht anerkennen?

Kar­di­nal Mül­ler: Das ist nicht mög­lich wegen des christ­li­chen Den­kens. Des­halb hat sich die Kir­che immer wider­setzt: Auch der welt­li­che Staat muß das Natur­ge­setz respek­tie­ren und die Grund­rech­te der Men­schen anerkennen.

Cor­rie­re del­la Sera: Wo wür­den die Men­schen­rech­te versetzt?

Kar­di­nal Mül­ler: Mit der Adop­tie­rung von Kin­dern zum Bei­spiel. Ein Kind hat ein Recht, mit einem Vater und einer Mut­ter auf­zu­wach­sen. Und spre­chen wir nicht von der „Leih­mut­ter­schaft“, von armen Frau­en, die Geld brau­chen und ihren eige­nen Kör­per ver­kau­fen. Ein gro­ßer Markt gegen die Menschenwürde.

Cor­rie­re del­la Sera: Was haben Sie den Gläu­bi­gen gesagt, die Sie ange­ru­fen haben?

Kar­di­nal Mül­ler: Wir respek­tie­ren den Papst, das ist klar, er ist das Prin­zip der Ein­heit der Kir­che. Aber auch Petrus und Pau­lus haben dis­ku­tiert und ein Papst, Hono­ri­us I., wur­de sogar von einem Kon­zil ver­ur­teilt. Die Per­son ist nicht völ­lig iden­tisch mit dem Papst­tum. Es gab Pon­ti­fi­ka­te, die in der Glau­bens­leh­re nicht immer ein­deu­tig waren.

Cor­rie­re del­la Sera: Und die­ses Mal?

Kar­di­nal Mül­ler: Die Erklä­rung von Papst Fran­zis­kus ist nicht offi­zi­ell, sie kommt von einem Inter­view, und das rela­ti­viert sie und erzeugt Miß­ver­ständ­nis­se. Das alles ist nicht gut, weil ein Papst, so wie jeder Bischof, immer sehr umsich­tig und klar sein muß, beson­ders in die­sen so heik­len Zei­ten. Eini­ge sagen, ich weiß nicht, ob es stimmt, daß im Doku­men­tar­film ver­schie­de­ne Zita­te kom­bi­niert wur­den. War­um gibt der Hei­li­ge Stuhl kei­ne Erklä­rung ab? Und die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on? Dabei hat sie wis­sen­schaft­lich erar­bei­te­te Tex­te über Homo­se­xua­li­tät und Ehe ver­öf­fent­licht. Es ist ein Pro­blem der Ver­wir­rung in der Welt. Nun heißt es: „Der Papst seg­net die homo­se­xu­el­len Ver­bin­dun­gen“. Das hat er nicht gesagt, aber das sind die Kon­se­quen­zen. Er soll­te vor­sich­ti­ger sein.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­rie­re del­la Sera (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!