(Washington) Nachdem US-Präsident Donald Trump die Richterin Amy Coney Barrett für den Obersten Gerichtshof nominiert hatte, brach der zu erwartende Sturm der Entrüstung los. So kurz vor den Präsidentschaftswahlen mobilisierte alles, was an Trump-Gegnern in den USA aufzubieten ist. Die Angriffe richteten sich gegen Barrett wegen ihrer Haltung zur Lebensrechtsfrage und natürlich grundsätzlich, weil sie von Trump nominiert wurde. Die Angriffe gingen aber soweit, Barrett deshalb zu attackieren, weil sie Katholikin ist. Im Wahlkampffieber kommen wieder längst überwunden geglaubte Reflexe zum Vorschein. Dagegen nahm Erzbischof Charles Chaput Stellung, einer der profiliertesten Kirchenvertreter in den USA.
Die massiven Angriffe gegen Amy Coney Barrett, eine renommierte Juristin und Mutter von sieben Kindern, seien Ausdruck eines antikatholischen „Virus“, so der Erzbischof. Msgr. Chaput veröffentlichte am 28. September in der renommierten Zeitschrift First Things den Artikel „When Dogma Lives Strongly“.
Darin schreibt er: Die Attacken gegen die Richterin machten eine antikatholische „Intoleranz“ sichtbar, die als Bedrohung für die Religionsfreiheit angesehen werden sollte.
Msgr. Chaput unterstreicht die Bedeutung des ersten Zusatzartikels der US-Verfassung, der seit 1791 in Kraft ist. Er garantiert Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit.
Mit den Angriffen gegen Barrett, ihren Glauben und ihr Familienleben, so der Erzbischof, sei eine kritische Linie erreicht worden. Er sehe darin die „Vorboten“ künftiger Angriffe „gegen die Kirche selbst und gegen jeden Katholiken“, der die kirchliche Morallehre unterstützt.
Bereits 2017, als Barrett von Trump zur Richterin an einem Berufungsgericht ernannt wurde, kam es bei der Anhörung vor dem Senat zu Angriffen. Die damals 84-jährige Demokratin Dianne Feinstein, die sich zum Judentum bekennt und seit 1992 den Staat Kalifornien im US-Senat vertritt, hielt Barrett ihren katholischen Glauben vor, der „ein Problem“ sei. Auch jetzt meldete sich Feinstein gegen Barrett zu Wort.
Feinstein sei „mit ihrer Intoleranz nicht allein“, wie Erzbischof Chaput beklagte: „Die Verachtung eindeutiger religiöser Überzeugungen, besonders der katholischen, ist ein Virus, das sich ausbreitet.“ Es scheine „eine Reihe demokratischer Senatoren zu infizieren, darunter Senatorin Kamala Harris, Feinsteins Kollegin als Vertreterin Kaliforniens und designierte Vizepräsidentin“, sollten die Demokraten mit Joe Biden die Wahlen gewinnen.
Erzbischof Chaput kritisierte, daß demokratische Vertreter sich sogar mit dem Rosenkranz in der Hand ablichten lassen, was für die Partei kein Problem, ja wahltaktisch sogar gut sei, solange die Glaubenslehre nicht ernst genommen werde. Gemünzt war die Kritik auf den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, der sich im Wahlkampf mit dem Rosenkranz ablichten ließ.
Sobald ein Katholik aber seinen Glauben und dessen Lehre zu Ehe und Familie, Religionsfreiheit, Sexualität und Abtreibung ernst nehme, gelte er denselben Kreisen als untragbar.
Die Katholiken in den USA hätten ein halbes Jahrhundert damit verbracht, um einen Platz im öffentlichen Raum des Landes zu kämpfen. „Der Preis dafür war hoch“, so Msgr. Chaput. Damit meinte der Oberhirte wohl, daß dieser Behauptungskampf in einem Teil der katholischen Gemeinschaft zu einer Anpassung und inneren Distanzierung vom Glauben beigetragen habe. „Abweichende Katholiken“ werden als „populäre Amerikaner“ gefeiert und gläubige Katholiken als „Extremisten“ hingestellt. Das sei eine verbreitete, aber „unehrliche Technik im Kulturkampf“ und ein Affront gegen das Recht auf freie Religionsausübung.
Die mahnende Stimme des Kapuziners Chaput hätte noch mehr Gewicht, wenn Papst Franziskus ihm nicht die Kardinalswürde vorenthalten hätte, die traditionell mit dem Bischofsstuhl von Philadelphia verbunden war. Auch darin kann eine spezielle Note in dem genannten Kulturkampf gesehen werden.
Pünktlich zu seinem 75. Geburtstag vor einem Jahr übermittelte Chaput dem Papst den kirchenrechtlich vorgeschriebenen Rücktritt, den dieser kurz darauf – auch das erwartungsgemäß – annahm.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Firstthings.com/MiL (Screenshots)