Vergangene Woche veröffentlichte der langjährige Vatikanist des italienischen Staatsfernsehens RAI, Aldo Maria Valli, ein Interview mit Prof. Roberto de Mattei. Valli, der ab 1996 für RAI 3 und ab 2007 für RAI 1 über den Vatikan berichtete, ging im vergangenen Januar in Pension. Seit einigen Jahren betreibt er den Blog Duc in altum, auf dem er seit 2016 kritische Kommentare zur Amtsführung von Papst Franziskus veröffentlicht. Anlaß dafür war das umstrittene nachsynodale Schreiben Amoris laetitia. Laut de Mattei ist das Pontifikat von Franziskus bereits „klinisch tot“. Das Coronavirus habe ihm den „Gnadenstoß“ gegeben.
Valli: Wie sehen Sie dieses Jahr 2020, das Jahr des Coronavirus?
Roberto de Mattei: Als Jahr eines großen Wendepunkts. Beschränken wir uns auf ein Beispiel: die Reisen des Papstes. Alle Reisen von Papst Franziskus wurden ausgesetzt, von der Reise nach Argentinien, wo er den neuen Präsidenten Alberto Fernandez treffen sollte, bis zu der terminlich noch nicht fixierten Reise nach Peking, um die Verlängerung des Abkommens mit dem chinesischen kommunistischen Regime feierlich zu besiegeln. Reisen haben in der Kommunikationsstrategie von Papst Franziskus eine entscheidende Rolle gespielt, der in sieben Jahren 31 Reisen in 49 verschiedene Länder absolvierte: anspruchsvolle Reisen mit großer symbolischer Bedeutung wie die auf die Insel Lesbos oder nach Abu Dhabi. Während seiner Reisen wurden Sätze ausgesprochen, die in die Geschichte eingegangen sind, wie zum Beispiel das berühmte „Wer bin ich, um zu urteilen?“. Jetzt wurde das Büro für die päpstlichen Reisen sogar geschlossen, und bis 2022 werden keine neuen Reisen des Papstes erwartet. Zugleich ist der Petersplatz leer, und weder die Fernsehbilder von Papst Franziskus noch seine Bücher und Interviews ziehen noch die öffentliche Meinung an. Das Coronavirus hat seinem Pontifikat, das sich bereits in der Krise befand, den Gnadenstoß gegeben. Woher das Virus auch immer stammen mag, das war eine seiner Hauptfolgen. Um eine Metapher zu verwenden: Mir scheint das Pontifikat von Franziskus klinisch tot zu sein.
Valli: Am 3. Oktober wird der Papst jedoch seine dritte Enzyklika „Fratres omnes über Brüderlichkeit und soziale Freundschaft“ veröffentlichen, das als sein programmatisches Dokument zur Bewältigung der Zukunft der Welt gilt.
Roberto de Mattei: Es ist kein Zufall, daß der Papst nach Assisi geht, um das Dokument zu unterschreiben. Das zeigt, wie wichtig der symbolische Kontext ist, in den er seine Botschaften stellt. Ich denke jedoch nicht, daß diese Mini-Reise ausreicht, um die Enzyklika auf den Weg zu bringen. 1989, in jenem Jahr des Mauerfalls und des 200. Jahrestages der Französischen Revolution, wurde das Thema der Brüderlichkeit oder „Solidarität“ von der internationalen Linken als Leitmotiv für die kommenden Jahre ausgerufen. Die universelle Brüderlichkeit, die eines der Prinzipien der Revolution von 1789 ist, erfordert jedoch eine einheitliche Welt, in der alle geographischen und kulturellen Barrieren fallen. Dieser Prozeß der Globalisierung und der Auflösung der Grenzen wurde durch das Coronavirus unterbrochen, das zu Gesundheitsbarrieren führte, die starrer und unpassierbarer sind als die alten historisch-politischen Grenzen. Auch in dieser Hinsicht erwies sich das Virus als fataler Schlag für die Strategie von Papst Franziskus.
Valli: Sprechen wir also über das Coronavirus. Wie ist Ihre Meinung zur Pandemie?
Roberto de Mattei: Die Frage sollte den Fachwissenschaftlern gestellt werden, die sich darüber aber nicht einig sind. Erstens gibt es Virologen, die das Virus im Labor studieren, aber sich nicht zu sagen trauen, daß dessen künstliche Erzeugung im Rahmen eines Projekts für die biologische Kriegsführung wahrscheinlich ist. Dann gibt es die Infektiologen, die mit der Epidemie in den Krankenhäusern konfrontiert sind, wo die Krankheit aber je nach Zeit und Ort an Intensität variiert, was eine einheitliche Analyse des Phänomens unmöglich macht. Schließlich gibt es Statistiker und Epidemiologen, die anhand mathematischer Modelle die Ausbreitung des Virus untersuchen. Ihre Daten sind, da abhängig von den verwendeten Algorithmen, am leichtesten manipulierbar. Jede dieser Kategorien sieht das Problem aus einem anderen Blickwinkel und übermittelt widersprüchliche Daten an die Politiker. Die Folge ist, daß in verschiedenen Ländern der Welt die Eindämmungsstrategien unterschiedlich sind. Vor allem wird der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht mehr vertraut, deren Versagen in diesem medizinischen Notfall dem Versagen der UNO in politischen Notfällen entspricht.
Valli: Apropos Politiker, wie hat sich die italienische Regierung verhalten? Hat sie die Gesundheitskrise nicht für ihre eigenen Interessen ausgenutzt?
Roberto de Mattei: Daß sich die Regierung unangemessen verhalten hat, ist eine gesicherte Tatsache, denn die herrschende Klasse, die uns regiert, ist unzureichend. Meiner Meinung nach ist jedoch auch die politische Klasse unzureichend, die sich der Regierung widersetzt. Ich verstehe, daß jeder, rechts und links, versucht, den Coronavirus-Notfall politisch zu seinem Vorteil auszunutzen. Und genau aus diesem Grund glaube ich nicht an einen organisierten politischen Plan. Wie kann man sonst erklären, daß in Italien, wo die Linke regiert, das Virus für die Regierung gegen die Opposition nützlich war, während in den Vereinigten Staaten, wo Trump an der Regierung ist, das Virus für die Opposition nützlich ist, um die Wiederwahl des amerikanischen Präsidenten zu verhindern? Es scheint mir, daß eine vergleichende Studie über die Maßnahmen verschiedener Politiker wie Trump, Bolsonaro, Johnson, Macron, Merkel, Conte, Orbán usw. bisher fehlt. Eine solche Studie wäre unabdingbar, um die Pandemie-Frage ernsthaft anzugehen.
Valli: Wie ist Ihre Meinung zur Regierung von Giuseppe Conte?
Roberto de Mattei: Natürlich negativ, aber nicht schlechter als die zur Regierung von Emilio Colombo, die in Italien die Scheidung einführte (1970), die zur Regierung von Giulio Andreotti, die die Abtreibung legalisierte (1978), oder die zur Regierung von Matteo Renzi, die die Homo-Ehe genehmigte (2016). Sie alle waren wie Conte „mündige Katholiken“ in einem Prozeß des kulturellen und moralischen Verfalls der politischen Klasse. Es wäre nicht verwunderlich, wenn von der Regierung Conte das Dekret gegen Homophobie verabschiedet würde, das genau auf dieser Linie der Säkularisierung liegt. Zu diesem Punkt scheint die Opposition abwesend.
Valli: Und was wird in der Schule passieren? Besteht die Gefahr, daß einem die Kinder entzogen werden?
Roberto de Mattei: In der Schule wird großes Chaos herrschen. Viele, die angesichts der zunehmenden Desorganisation mobilisieren, haben jedoch zu viel ernsteren Gefahren geschwiegen. Die jüngst erfolgte Genehmigung des sogenannten Schuldekrets durch die Regierungsmehrheit hat im Wesentlichen die Verpflichtung gebracht, ab dem Schuljahr 2020/2021 die sogenannte „Gender-Theorie“ zu unterrichten. Das ist weitaus schlimmer als eine eventuelle Verpflichtung für die Kinder, Masken zu tragen. Das „Volk der Mütter“ sollte mobilisieren, um die eigenen Kinder nicht nur vor dem Einatmen von Kohlendioxid zu bewahren, sondern vor allem vor der ideologischen Vergiftung, die ihnen im Corona-Jahr in der Schule zugefügt wird.
Valli: Glauben Sie nicht an die Existenz einer „Gesundheitsdiktatur“?
Roberto de Mattei: Wir müssen uns auf den Begriff „Gesundheitsdiktatur“ einigen. Solange wir uns auf die Auferlegung von Masken, sozialer Distanz oder häufigem Händewaschen durch die Regierungen beziehen, scheint es mir nicht, daß wir von ‚Diktatur‘ sprechen können, sondern von Vorsichtsregeln, die in allen Epidemien der Vergangenheit selbst von den Heiligen angewendet wurden, die ihr Möglichstes getan haben, um die Pestopfer zu heilen. Wenn wir uns aber darauf beziehen, der Kirche Regeln aufzuzwingen wie den Zugang zu den Kirchen und die Durchführung religiöser Zeremonien, scheint mir die Verwendung des Begriffs „Diktatur“ mehr als legitim zu sein, weil der Staat kein Recht hat, in die kirchliche Sphäre einzudringen und die Gläubigen beispielsweise zur Handkommunion zu zwingen. Es scheint mir jedoch, daß es sich dabei oft nicht um einen staatlichen Zwang handelt, sondern um ein Andienen der kirchlichen Autoritäten an die politischen. Angesichts solcher Maßnahmen, die Respektlosigkeit und Sakrilegien fördern, hat der gläubige Katholik das Recht und die Pflicht zur Verweigerung aus Gewissensgründen, während er die Gesetze des Staates respektieren muß, solange sie nicht direkt gegen göttliches, natürliches oder kirchliches Recht verstoßen.
Valli: Scheint es nicht, daß es eine Massenpsychose gibt, die eine Strategie des Terrors nahelegt?
Roberto de Mattei: Es gibt zweifellos Phänomene der Massenpsychose. Es gibt die Psychose, die von den offiziellen Medienorganen ausgelöst wird und Angst wegen der Virusgefahr provoziert, aber es gibt auch die Psychose, die von Blogs ausgelöst wird, die mit Nachdruck auf angeblichen Plänen zur Ausrottung der Menschheit beharren. Beide verbreiten Terror in der öffentlichen Meinung.
Valli: War die Krise nicht dazu gedacht, eine Weltregierung einzuführen?
Roberto de Mattei: Das Ziel der revolutionären Kräfte ist nicht eine Weltregierung, sondern ein Weltchaos. Für den Marxismus-Leninismus zum Beispiel ist die „Diktatur des Proletariats“ nicht das Ziel, sondern das Mittel. Das Ziel ist eine klassenlose, pantheistische, anarchistische und egalitäre Gesellschaft. Die Mittel zu dessen Erreichung können sich ändern, der Zweck aber ist immer der gleiche. In diesem Sinne scheint mir die schwerwiegendste Folge des Coronavirus der Verlust des kritischen Sinns und eine zunehmend verbreitete Verwirrung in den Köpfen zu sein.
Valli: Existiert ein Plan hinter dem Virus?
Roberto de Mattei: Ich glaube an die Existenz von Verschwörungen in der Geschichte. Der Mensch als soziales Wesen wird dazu gebracht, sich zu vereinen, und da er durch die Erbsünde verwundet ist, verbindet er sich nicht nur zum Guten, sondern auch zum Bösen. Das Merkmal der Gottlosen, die nicht zufällig „Söhne der Finsternis“ genannt werden, ist es, sich heimlich zu treffen, ihr Handeln zu verbergen. Deshalb haben die Päpste Geheimbünde immer verurteilt, angefangen mit der Freimaurerei. Gerade weil ich um die Manöver der Söhne der Finsternis weiß, denke ich, daß wir sehr vorsichtig sein sollten, wenn wir teuflische Pläne anprangern, ohne den Beweis dafür zu haben. Jede Hypothese ist legitim, aber es muß mit Sorgfalt vorgegangen werden, bevor sie zur absoluten Gewißheit erklärt wird.
Valli: Und doch hat die Pandemie etwas Teuflisches …
Roberto de Mattei: Zweifellos. In der Geschichte handeln rationale Geschöpfe, Menschen und Engel. Und die gefallenen Engel, die Dämonen, spielen heute eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung des revolutionären Prozesses, insbesondere durch die Waffen der psychologischen Kriegsführung. Mentale Anarchie hat etwas Teuflisches. Aber Maria, die Königin der Engel und Frau der Geschichte, widersetzt sich den Dämonen. Unsere Liebe Frau hat in Fatima den endgültigen Triumph ihres Unbefleckten Herzens verheißen. Wir kämpfen mit dieser Hoffnung, die, mit Gottes Hilfe, niemand aus unseren Herzen entfernen kann.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017 und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Da die Menschen glauben (gemacht werden) sehr gut ohne Gott auszukommen, haben Sie kein Wissen mehr von Gott, Seiner Offenbarung in Seinem Sohn Jesus Christus. Sie wissen nichts über Sünden und ihre Folgen und suchen in ihren Depressionen und sonstigen Verzweiflungen nicht mehr den Heiland und Retter, weil sie Ihn nicht kennen, nie oder nur Falsches von Ihm gehört haben. Sie erkennen nicht mehr, dass sie nur in Gott frei sind und nicht, wenn sie ständig ihren egoistischen Ideen und Lüsten, die ihnen als Rechte eingeredet werden, zu ihrem eigenen Schaden nachgehen.
Weil sie keinerlei Kenntnisse der übernatürlichen Welt haben, wissen sie nichts von ihrem Schutzengel, nichts von Maria, der immer helfenden Mutter. Sie erkennen auch nicht das Wirken der Dämonen, erkennen auch nicht das abgrundtiefe Böse, sondern lassen es sich noch als gut verkaufen.
Weil sie von der übernatürlichen Welt und ihrem Wirken in unsere natürliche Geschichte hinein nichts verstehen und Priester oder Bischöfe sich diesbezüglich in lautes Schweigen hüllen, müssen nun die noch Gläubigen davon reden. So danke ich Herrn de Mattei, dass er von den übernatürlichen Realitäten spricht.
Sehr schön hat es auch Erzischof Fulton Sheen gesagt und dass schon vor ca. 70 Jahren.
Vielen Dank für das intellektuelle Niveau dieses Artikels, und auch den Kommentar. Warum nur, hat die Kirche ein so elementares Interresse aufsehenerregende Zeichen und Gesten zu setzen, anstatt auf die Verkündigung des Glaubens.
„Klinisch tot“, nur weil gegenwärtig keine Reisen möglich sind? Eine kühne Aussage. „Ich denke jedoch nicht, daß diese Mini-Reise ausreicht, um die Enzyklika auf den Weg zu bringen“ – ebenso gewagt. Kommt nicht der bereits geschaffenen Infrastruktur wie etwa den im Zuge von „Abu Dhabi“ geschaffenen Gremien hier größere Bedeutung zu als Papstreisen? Diese kommuniziert mittlerweile als Superstruktur mit der UNO (siehe gemeinsame Botschaft an die UNO, den 4. Februar jährlich als weltweiten Gedenk- und Aktionstag „im Zeichen der Geschwisterlichkeit“ zu veranstalten) und plant ein „interreligiöses Haus“ namens „Abrahamic Family House“, welches in Abu Dhabi auf der Insel Sadiyyat in der Nähe des Louvre Abu Dhabi entstehen soll.
Dieses „Haus der Abrahamitischen Familie“ wird eine Moschee, eine Synagoge und eine Kirche umfassen, ebenso soll im Gebäudekomplex ein Studien- und Forschungszentrum über die Brüderlichkeit aller Menschen untergebracht werden, der als Austragungsort der Feierlichkeiten zur Verleihung eines sog. „Human Brotherhood Awards“ vorgesehen ist.
Wird nicht so das sog. „gemeinsamen Haus“ real, das in seinen Enzykliken enthalten ist? Die immer engere interreligiöse Kooperation mit dem Islam und die Kooperation mit der UNO? Bereits der Duktus von Laudato Si ist stellenweise von einer UNO-Deklaration kaum zu unterscheiden. Nicht zufällig bleibt das radikale Abschlussdokument der Oktobersynode freischwebend im Raum, weder gültig noch ungültig, aber „pastoral“ schon irgendwie verbindlich – was immer man darunter zu verstehen hat.
Es steht zu befürchten, das hier wie auch sonst im politischen und wirtschaftlichen Leben die Hauptarbeit nicht in öffentlichkeitswirksamen Reisen, sondern in verborgenen Gremiensitzungen geleistet wird. Und die Infrastruktur steht, da benötigt man wohl keine Reisen mehr…