Die missionarische Dimension der überlieferten Liturgie

Gedanken zur "alten Messe" nach dreizehn Jahren Summorum Pontificum


Priesterweihen der FSSP in der Kathedrale von Laon/Frankreich am 28. Juni 2020
Priesterweihen der FSSP in der Kathedrale von Laon/Frankreich am 27. Juni 2020

von einer Katholikin 

Anzei­ge

„Ich bin über­zeugt, daß die außer­or­dent­li­che Form (des römi­schen Ritus) aus ihrer Natur her­aus mis­sio­na­risch ist: durch den Reich­tum ihrer Sym­bo­lik, die Dich­te ihrer Gebe­te, ihren Sinn für das Sakra­le und ihren sehr aus­ge­präg­ten Theo­zen­tris­mus. So, wie sie vie­le jun­ge Katho­li­ken anzieht, zieht sie auch jun­ge Beru­fun­gen an, die es nach dem Abso­lu­ten dürstet.“

Pater Andrzej Komo­row­ski, seit zwei Jah­ren Gene­ral­obe­rer der Prie­ster­bru­der­schaft St. Petrus, spricht hier von der „mis­sio­na­ri­schen Dimen­si­on der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie“.  In einem aktu­el­len Inter­view mit der fran­zö­si­schen katho­li­schen Monats­zei­tung La Nef  (Juli-August 2020) beschreibt er das Apo­sto­lat der Bru­der­schaft und legt dar, war­um die Prie­ster der FSSP aus­schließ­lich die Mes­se nach der außer­or­dent­li­chen Form des römi­schen Ritus fei­ern und nicht auch gleich­zei­tig nach dem Mis­sa­le Pauls VI. zele­brie­ren, wozu sie das kano­ni­sche Recht kei­nes­wegs ver­pflich­te. Ihre Ent­schei­dung ent­sprin­ge der „Treue zu den  latei­ni­schen lit­ur­gi­schen und spi­ri­tu­el­len Tra­di­tio­nen“, ver­wei­se aber auch auf „die Unzu­läng­lich­kei­ten der ordent­li­chen Form“.

Für das kon­ti­nu­ier­li­che Wach­sen der papst- und lehr­amtstreu­en Prie­ster­bru­der­schaft sei das Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Papst Bene­dikt XVI. ent­schei­dend gewesen.

„Das hei­li­ge Meß­op­fer steht im Zen­trum der Spi­ri­tua­li­tät und des Apo­sto­lats der Bruderschaft.“ 

Es gehe um die „Hei­li­gung der Prie­ster durch die  Hin­ein­ge­stal­tung ihres gan­zen Lebens in das am Altar gefei­er­te Myste­ri­um, das Erlö­sungs­op­fer“,  und ihr Hin­ein­wir­ken in die Welt, in eine immer mehr ent­christ­lich­te Welt, die der Evan­ge­li­sie­rung bedürfe.

Im Jah­re 2020  wur­den am 27. Juni in Frank­reich drei von ins­ge­samt 14 Neu­prie­stern für die Petrus­bru­der­schaft durch den Diö­ze­san­bi­schof (sic!) Msgr. Renauld de Dine­chin in der Kathe­dra­le von Laon geweiht. Es ist das erste Mal seit der Lit­ur­gie­re­form, daß in der Kathe­dra­le wie­der Prie­ster­wei­hen in der außer­or­dent­li­chen Form gespen­det wurden.

Das Motu Proprio Summorum Pontificum

Das vor nun­mehr drei­zehn Jah­ren am 7. Juli 2007 ver­öf­fent­lich­te Motu Pro­prio trat am 14. Sep­tem­ber 2007 in Kraft und regelt die Rah­men­be­din­gun­gen  und den „Gebrauch der römi­schen Lit­ur­gie in der Gestalt vor der Reform von 1970“:

Art. 1. Das von Paul VI. pro­mul­gier­te Römi­sche Meß­buch ist die ordent­li­che Aus­drucks­form der „Lex oran­di“ der katho­li­schen Kir­che des latei­ni­schen Ritus. Das vom hl. Pius V. pro­mul­gier­te und vom sel. Johan­nes XXIII. neu her­aus­ge­ge­be­ne Römi­sche Meß­buch hat hin­ge­gen als außer­or­dent­li­che Aus­drucks­form der­sel­ben „Lex oran­di“ der Kir­che zu gel­ten, und auf­grund sei­nes ver­eh­rungs­wür­di­gen und alten Gebrauchs soll es sich der gebo­te­nen Ehre erfreu­en. Die­se zwei Aus­drucks­for­men der „Lex oran­di“ der Kir­che wer­den aber kei­nes­wegs zu einer Spal­tung der „Lex cre­den­di“ der Kir­che füh­ren; denn sie sind zwei Anwen­dungs­for­men des einen Römi­schen Ritus.

Die über­lie­fer­te Mes­se soll­te so den Gläu­bi­gen wie­der zugäng­lich gemacht wer­den, und tat­säch­lich ist die Nach­fra­ge der Gläu­bi­gen ste­tig gewach­sen, wobei auch jun­ge Men­schen auf der Suche dort eine geist­li­che Hei­mat fan­den. Die­se Ent­wick­lung, die sich beson­ders schon nach dem Motu Pro­prio 1988 von Johan­nes XXIII. immer deut­li­cher abzu­zeich­nen begann, beschreibt auch Papst Bene­dikt XVI. in sei­nem Brief an die Bischö­fe, der die Publi­ka­ti­on von Sum­morum Pon­ti­fi­cum begleitete:

„Hat­te man unmit­tel­bar nach dem Ende des II. Vati­can­ums anneh­men kön­nen, das Ver­lan­gen nach dem Usus von 1962 beschrän­ke sich auf die älte­re Gene­ra­ti­on, die damit auf­ge­wach­sen war, so hat sich inzwi­schen gezeigt, daß jun­ge Men­schen die­se lit­ur­gi­sche Form ent­decken, sich von ihr ange­zo­gen füh­len und hier eine ihnen beson­ders gemä­ße Form der Begeg­nung mit dem Myste­ri­um der hei­li­gen Eucha­ri­stie fin­den. So ist ein Bedarf nach kla­rer recht­li­cher Rege­lung ent­stan­den, der beim Motu Pro­prio von 1988 noch nicht sicht­bar war; die­se Nor­men beab­sich­ti­gen, gera­de auch die Bischö­fe davon zu ent­la­sten, immer wie­der neu abwä­gen zu müs­sen, wie auf die ver­schie­de­nen Situa­tio­nen zu ant­wor­ten sei.“

Ange­sichts der heu­ti­gen geist­li­chen und mora­li­schen Ero­si­on in Gesell­schaft und Kir­che und der Demon­ta­ge des sakra­len Prie­ster­tums ist es nicht nur für die der Tra­di­ti­on und dem Lehr­amt ver­bun­de­nen Katho­li­ken, son­dern auch für Suchen­de wich­tig, mit der unver­fälsch­ten Leh­re in Berüh­rung zu kom­men. Das gilt gera­de auch für Deutschland.

Auch hier­zu­lan­de gibt es in den Diö­ze­sen Nie­der­las­sun­gen der rom­treu­en Tra­di­ti­on und eine gan­ze Rei­he Meß­or­te, wo die „alte Mes­se“ gefei­ert wird und es eine respekt­vol­le Zusam­men­ar­beit mit den Bischö­fen und Orts­ge­mein­den gibt.

2017, zehn Jah­re nach dem Motu Pro­prio,  war man aller­dings bemüht, die „Rele­vanz“ der alten Mes­se her­un­ter­zu­spie­len,  sie als im sta­ti­sti­schen Ver­gleich  mit der neu­en Mes­se als Rand­phä­no­men  zu betrach­ten und auf Papst Fran­zis­kus‘ Des­in­ter­es­se an der tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie zu verweisen.

Schon 2011 hat­te bei­spiels­wei­se Bischof Fürst auf den Wil­len zu Ver­än­de­run­gen und Refor­men in den katho­li­schen Gemein­den gesetzt, den er schlicht und ergrei­fend dar­an ablas, daß es in sei­ner Diö­ze­se nur weni­ge Gläu­bi­ge gebe, „die eine Mes­se im außer­or­dent­li­chen Ritus wünsch­ten“, womit er letzt­lich nur die spal­te­ri­sche Glei­chung ‚tra­di­tio­nel­le Mes­se = reform­un­wil­li­ge Gläu­bi­ge‘  bestä­tig­te. Er „för­de­re die­se Bewe­gung nicht“, sag­te er sei­ner­zeit zur Lud­wigs­bur­ger Kreis­zei­tung (20.5.2011).  (Nota bene, es geht hier um Gläu­bi­ge, „die klar die Ver­bind­lich­keit des II. Vati­can­ums“ anneh­men „und treu zum Papst und zu den Bischö­fen“ ste­hen, wie Papst Bene­dikt XVI. in sei­nem Begleit­brief an die Bischö­fe unterstreicht.)

Die Aus­sa­ge­kraft einer „Sta­ti­stik“, die die Rele­vanz der alten Mes­se an Daten zum ver­meint­li­chen „Bedarf“ kop­pelt, erscheint mehr als frag­wür­dig. Vie­le Katho­li­ken haben nach wie vor nicht die Mög­lich­keit, eine Meß­fei­er in der außer­or­dent­li­chen Form des römi­schen Ritus zu besu­chen oder kön­nen lan­ge Anfahrts­we­ge nicht auf sich neh­men, Ande­re fra­gen gar nicht danach, weil sie die über­lie­fer­te Lit­ur­gie nicht ken­nen oder ken­nen­ler­nen durf­ten. Wie­der ande­re resi­gnie­ren, weil ihnen die Erfolgs­chan­cen für Geneh­mi­gun­gen von Meß­fei­ern zu gering sind.

Sta­ti­sti­sche Ver­glei­che zum Besuch der Sonn­tags­mes­se oder der Beicht­pra­xis inter­es­sie­ren dage­gen – aus gutem Grun­de – nicht.

Anfang März die­ses Jah­res sand­te die römi­sche Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on an alle Diö­ze­san­bi­schö­fe welt­weit einen Fra­ge­bo­gen  zur „vor­kon­zi­lia­ren“  Mes­se mit der Bit­te um Rück­sen­dung nach Rom bis Ende Juli 2020. Papst Fran­zis­kus möch­te sich ein Bild machen von den posi­ti­ven und nega­ti­ven Aspek­ten, die die Umset­zung des Motu pro­pio mit sich brachte.

Es ist nun frei­lich nicht hilf­reich, hin­ter der Befra­gung der Bischö­fe sofort das Gespenst einer schritt­wei­sen Behin­de­rung der alten Mes­se auf­tau­chen zu sehen. Tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Katho­li­ken gera­de in Deutsch­land könn­ten dazu ver­ständ­li­cher­wei­se nei­gen, weil sie sehen, wie wenig die Reform­for­de­run­gen des soge­nann­ten syn­oda­len Wegs zu tun haben mit dem  katho­li­schen Glau­bens-und Kir­chen­ver­ständ­nis, das sich in der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie treu und unver­sehrt ver­wirk­licht. Weil sie sich dem Tra­di­tio­na­lis­mus­vor­wurf aus­ge­setzt sehen und der Gene­ral­ver­dacht des Spal­tungs­wil­lens auf ihnen lastet, wäh­rend „Maria 2.0“-Aktivistinnen von nicht weni­gen Bischö­fen und Gemein­de­pfar­rern demon­stra­tiv hofiert wer­den. Weil sie sehen, daß nichts geschieht, wenn selbst pro­te­stan­ti­sche Pfar­rer in der  Mes­se die Eucha­ri­stie gespen­det bekom­men, und daß die Gläu­bi­gen in der neu­en Mes­se vor lit­ur­gi­schen Miß­bräu­chen nicht sicher sind.

Was nach der Lit­ur­gie­re­form begann,  hat seit­her kein Ende genom­men. Auch heu­te wer­den „Men­schen, die ganz im Glau­ben der Kir­che ver­wur­zelt (sind), durch die eigen­mäch­ti­gen Ent­stel­lun­gen der Lit­ur­gie verletzt“:

„Wir wis­sen alle, daß in der von Erz­bi­schof Lefeb­v­re ange­führ­ten Bewe­gung das Ste­hen zum alten Mis­sa­le zum äuße­ren Kenn­zei­chen wur­de; die Grün­de für die sich hier anbah­nen­de Spal­tung reich­ten frei­lich viel tie­fer. Vie­le Men­schen, die klar die Ver­bind­lich­keit des II. Vati­can­ums annah­men und treu zum Papst und zu den Bischö­fen stan­den, sehn­ten sich doch auch nach der ihnen ver­trau­ten Gestalt der hei­li­gen Lit­ur­gie, zumal das neue Mis­sa­le vie­ler­orts nicht sei­ner Ord­nung getreu gefei­ert, son­dern gera­de­zu als eine Ermäch­ti­gung oder gar als Ver­pflich­tung zur ‚Krea­ti­vi­tät‘ auf­ge­faßt wur­de, die oft zu kaum erträg­li­chen Ent­stel­lun­gen der Lit­ur­gie führ­te. Ich spre­che aus Erfah­rung, da ich die­se Pha­se in all ihren Erwar­tun­gen und Ver­wir­run­gen mit­er­lebt habe. Und ich habe gese­hen, wie tief Men­schen, die ganz im Glau­ben der Kir­che ver­wur­zelt waren, durch die eigen­mäch­ti­gen Ent­stel­lun­gen der Lit­ur­gie ver­letzt wur­den.“ (Begleit­brief an die Bischöfe)

Und wei­ter:

„Die sicher­ste Gewähr dafür, daß das Mis­sa­le Pauls VI. die Gemein­den eint und von ihnen geliebt wird, besteht im ehr­fürch­ti­gen Voll­zug sei­ner Vor­ga­ben, der sei­nen spi­ri­tu­el­len Reich­tum und sei­ne theo­lo­gi­sche Tie­fe sicht­bar wer­den läßt.“

Dem Papst ging es eben auch:

„(…) um eine inne­re Ver­söh­nung in der Kir­che. In der Rück­schau auf die Spal­tun­gen, die den Leib Chri­sti im Lauf der Jahr­hun­der­te ver­wun­det haben, ent­steht immer wie­der der Ein­druck, daß in den kri­ti­schen Momen­ten, in denen sich die Spal­tung anbahn­te, von sei­ten der Ver­ant­wort­li­chen in der Kir­che nicht genug getan wor­den ist, um Ver­söh­nung und Ein­heit zu erhal­ten oder neu zu gewin­nen; daß Ver­säum­nis­se in der Kir­che mit schuld dar­an sind, daß Spal­tun­gen sich ver­fe­sti­gen konn­ten. Die­se Rück­schau legt uns heu­te eine Ver­pflich­tung auf, alle Anstren­gun­gen zu unter­neh­men, um all denen das Ver­blei­ben in der Ein­heit oder das neue Fin­den zu ihr zu ermög­li­chen, die wirk­lich Sehn­sucht nach Ein­heit tragen.“

Wüß­te man nicht um den Kon­text die­ser Wor­te, könn­ten sie genau so den heu­ti­gen deut­schen „Ver­ant­wort­li­chen in der Kir­che“ ins Stamm­buch geschrie­ben wor­den sein, die auf dem soge­nann­ten syn­oda­len Weg eine Spal­tung bil­li­gend in Kauf zu neh­men scheinen.

Es fällt lei­der schwer zu glau­ben, unse­re Bischö­fe könn­ten  die Auf­for­de­rung von Papst Fran­zis­kus, im Rah­men der aktu­el­len Befra­gung kon­kre­te Vor­schlä­ge zum Umgang mit der alten Mes­se zu machen, zum Anlaß neh­men, deren mis­sio­na­ri­sche Dimen­si­on in Zukunft zu wür­di­gen und gar zu nutzen.

Bild: FSSP

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