Aus Angst vor der Pandemie, wird die Kirche zur NGO

Gedanken von zwei Intellektuellen zum Verhalten der Kirche in der Corona-Krise


Corona-Kommunion mit Gesichtsmaske und Einweghandschuhen – und natürlich Handkommunion.
Corona-Kommunion mit Gesichtsmaske und Einweghandschuhen – und natürlich Handkommunion.

(Rom) Kri­ti­sche Wor­te zum Ver­hal­ten der Kir­che in der Coro­na-Kri­se fan­den zwei nam­haf­te katho­li­sche Den­ker, der Theo­lo­ge und Lit­ur­gi­ker Don Nico­la Bux und der Bank­ma­na­ger und Finanz­ethi­ker Etto­re Got­ti Tede­schi. Don Bux, ein per­sön­li­cher Freund von Bene­dikt XVI., ist seit des­sen Pon­ti­fi­kat Con­sul­tor meh­re­rer römi­scher Dik­aste­ri­en. Aus dem Amt für die lit­ur­gi­schen Fei­ern des Pap­stes wur­de der dem über­lie­fer­ten Ritus ver­bun­de­ne Prie­ster von Papst Fran­zis­kus ent­fernt. Got­ti Tede­schi, Pro­fes­sor der Wirt­schafts­ethik, ein der Tra­di­ti­on ver­bun­de­ner Laie, war eini­ge Jah­re Prä­si­dent der Vatik­an­bank IOR, bis er einer Intri­ge zum Opfer fiel. Am 19. Mai ver­öf­fent­lich­ten bei­de erst­mals einen Text gemein­sam, in dem sie sich Gedan­ken zur Reak­ti­on der Kir­che auf die Coro­na-Pan­de­mie machen. Der Text wur­de von der ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung La Veri­tà veröffentlicht.

Besiegt von der Angst vor der Pandemie, hat sich die Kirche in eine NGO verwandelt

Anzei­ge

Von Don Nico­la Bux und Etto­re Got­ti Tedeschi

Die Angst, das Leben wegen der Pan­de­mie zu ver­lie­ren, und die erzwun­ge­ne Iso­la­ti­on, um Ansteckun­gen zu ver­mei­den, hät­ten für unse­re gelieb­te Kir­che zwei gro­ße Mög­lich­kei­ten sein kön­nen, um über den Wert und den Sinn des Lebens und den Wert der Frei­heit nach­zu­den­ken und die­ses Nach­den­ken zu fördern.

Das ist eine Haupt­auf­ga­be der Kir­che, wie auch die erste Enzy­kli­ka die­ses Pon­ti­fi­kats, Lumen Fidei, deut­lich macht. Die Kir­che soll­te Chri­stus nach­ah­men: „Ego autem in medio vestrum sum sicut qui mini­strat“, „Ich aber bin unter euch wie der, der dient“ (Lk 22, 27).

Indem unse­re Kir­che es aber so dis­kret und mit so gro­ßem „mensch­li­chen Respekt“ getan hat, daß nur weni­ge etwas davon bemerkt haben, hat sie eine groß­ar­ti­ge Chan­ce ver­paßt, jene geist­lich zu trö­sten, die es drin­gend brau­chen, und läuft Gefahr, die Glaub­wür­dig­keit ihrer über­na­tür­li­chen Mis­si­on zu verlieren.

Die mora­li­sche Auto­ri­tät scheint in die­ser Zeit eine lau­war­me „mora­li­sche Neu­tra­li­tät“ nach außen kom­mu­ni­zie­ren zu wol­len. Die Mög­lich­keit zu einem star­ken und hel­den­haf­ten Vor­schlag, dem spi­ri­tu­el­len Lei­den Hil­fe sein zu wol­len, indem die Wahr­heit auf jede Wei­se und bei jeder Gele­gen­heit bekräf­tigt wird, wur­de nicht ergrif­fen. Kein heroi­scher Wil­le war fest­zu­stel­len, die­se Gele­gen­heit nüt­zen zu wol­len, um auf wirk­sa­me Wei­se die Suche nach per­sön­li­cher Umkehr und nach dem Wil­len Got­tes zu ver­mit­teln. Kei­ne gro­ße und ange­mes­se­ne hel­den­haf­te Anstren­gung war zu erken­nen, um unter die­sen Umstän­den den Men­schen zu erklä­ren, was mora­lisch wahr oder unwahr, rich­tig oder falsch, gut oder böse ist.

Im Gegen­teil, man konn­te Bemü­hun­gen wahr­neh­men, die Wis­sen­schaft und die Ver­nunft bana­li­sie­ren zu wol­len, etwa wenn man ver­such­te, die Ursa­chen der Epi­de­mie zu erklä­ren.
Gewiß liegt es an uns, daß wir auf­grund unse­res Man­gels an Sorg­falt oder unse­rer Vor­ur­tei­le die spi­ri­tu­el­len Anzei­chen nicht aus­rei­chend wahr­ge­nom­men haben, um aus die­sen Momen­ten der Angst und der Iso­la­ti­on geist­li­chen Nut­zen zu zie­hen. Dafür haben wir Wün­sche für eine myste­riö­se mensch­li­che „Brü­der­lich­keit“ (ohne Bezug auf Gott, der sie recht­fer­ti­gen wür­de) und Auf­for­de­run­gen zu einem unde­fi­nier­ten inter­re­li­giö­sen Dia­log gehört, mit vagen Hin­wei­sen auf einen ein­zi­gen Gott für alle Reli­gio­nen und beglei­tet von einem eben­so vagen uni­ver­sel­len Gebet.[1]

Aber Ach­tung! Das sind die Grund­kon­zep­te des reli­giö­sen Syn­kre­tis­mus zwi­schen unver­ein­ba­ren Glau­bens­be­kennt­nis­sen, die auf For­men einer reli­giö­sen Ein­heit jen­seits von Glau­bens­dog­men abzielen.

Wir haben auch die Ankün­di­gung eines „neu­en Huma­nis­mus“ gehört. Neu, weil man den alten christ­li­chen Huma­nis­mus, der auf der mensch­li­chen Natur aus See­le, Leib und Intel­lekt grün­det, die durch die Erb­sün­de ver­wun­det und durch den mensch­ge­wor­de­nen Gott erlöst wur­de, für über­holt hält? Wie kann man dar­an den­ken, jeman­den oder etwas zu „huma­ni­sie­ren“, wenn man nicht zuerst aner­kennt, wer der Schöp­fer des­sen ist, was mensch­lich ist?

Aber es gibt noch eine myste­riö­se­re Tat­sa­che, die ver­stan­den wer­den muß. Wenn sich die Kir­che jetzt als eine im sozia­len Bereich täti­ge Insti­tu­ti­on prä­sen­tiert, und fak­tisch zu ver­ste­hen gibt, daß die Hei­li­ge Mes­se nicht ein „hei­li­ges Opfer“, son­dern nur eine „Ver­samm­lung“ ist, und als öffent­li­che Ver­samm­lung durch die Bestim­mun­gen der staat­li­chen Regie­rung zu regeln ist, war­um beschwert man sich dann über­haupt?[2]

Aus die­sen Grün­den befürch­ten wir, daß die größ­te Ver­än­de­rung nach Covid-19 die mora­li­sche Auto­ri­tät der Kir­che betref­fen könnte.

In der Tat besteht die Gefahr, daß sie nicht nur aus prag­ma­ti­schen, son­dern auch aus phil­an­thro­pi­schen Grün­den als Ver­mitt­le­rin aus­ge­schal­tet wird. Phil­an­thro­pis­mus (oder Näch­sten­lie­be ohne Wahr­heit) möch­te genau der lai­zi­sti­sche Kon­kur­rent zur christ­li­chen Näch­sten­lie­be sein. Dank der Ver­lockun­gen und des Ein­flus­ses des geld­schwe­ren Phil­an­thro­pis­mus ris­kiert die mora­li­sche Auto­ri­tät zum Trä­ger der Uni­ver­sal­re­li­gi­on zu wer­den, des Öko­lo­gis­mus, um alle Kul­tu­ren zu einem ein­zi­gen uni­ver­sa­len Wert zusam­men­zu­füh­ren.
Manch­mal scheint die Kir­che die Nach-Coro­na-Ära gera­de­zu pro­phe­tisch vor­weg­zu­neh­men, da sie die Aner­ken­nung einer domi­nan­ten Rol­le des Staa­tes anti­zi­pier­te, geo­po­li­ti­sche Unter­stüt­zung außer­halb der tra­di­tio­nel­len west­li­chen such­te und die Mög­lich­keit zur Fusi­on der Reli­gio­nen (als wären sie Unter­neh­men) durch­blicken ließ, indem Hin­der­nis­se für die­se Trans­for­ma­ti­on (Dog­men, Fami­lie, Sou­ve­rä­ni­tät, Tra­di­ti­on …) durch Ent­wer­tung und Schwä­chung abge­baut wurden.

Bis vor eini­ger Zeit durf­te sich die Kir­che nicht mit Wirt­schaft, Wis­sen­schaft und Poli­tik befas­sen, son­dern hat­te sich dar­auf zu beschrän­ken, nur an das Gewis­sen zu den­ken. Heu­te wird die Kir­che gezwun­gen, sich mit Wirt­schaft, Wis­sen­schaft und Poli­tik zu befas­sen, aber nicht mehr mit dem Gewis­sen. Und sie scheint das akzep­tiert zu haben. Der dar­aus resul­tie­ren­de Abbau ihrer Ver­mitt­ler­rol­le ist unvermeidlich.

In die­ser Situa­ti­on soll­te sich die Kir­che bemü­hen, das „tran­szen­den­te Geheim­nis“ des­sen, was gesche­hen ist und gesche­hen könn­te, auf­zu­zei­gen und zu erklä­ren, anstatt Lösun­gen vor­zu­schla­gen, die mit Chri­stus nichts zu tun haben und ein­fach nur täu­schen.

Die Kir­che muß heu­te neu ent­bren­nen und allen Hoff­nung geben, und sie kann das auch durch Dia­log tun, aber durch einen Dia­log, damit Chri­stus gefun­den wird, durch Evan­ge­li­sie­rung, denn der wah­re Hun­ger und Durst ist heu­te vor allem der nach Gott. Nur so und ganz allein so wird „alles gut gehen“ in die­ser Welt und in der anderen.

Einleitung/​Übersetzung/​Fußnoten: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Una Vox


[1] Papst Fran­zis­kus hat­te für den 14. Mai zu einem „Gebets­tag aller Reli­gio­nen“ wegen des Coro­na­vi­rus aufgerufen.

[2] Die ita­lie­ni­sche Regie­rung lehn­te die von den Bischö­fen für den 3. Mai gewünsch­te Wie­der­zu­las­sung öffent­li­cher Got­tes­dien­ste ab. Erst nach lang­wie­ri­gen Ver­hand­lun­gen und erheb­li­cher Miß­stim­mung einig­te man sich auf die Wie­der­zu­las­sung ab 18. Mai und unter stren­gen Auflagen.

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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2 Kommentare

  1. Vor­sichts­maß­nah­men sind sicher nicht falsch. Gott will auch, daß wir nach unse­ren Erkennt­nis­sen han­deln und nicht, daß wir leicht­sin­nig einer klei­ne­ren oder grö­ße­ren Gefahr Vor­schub lei­sten. Wer weiß heu­te, ob zu Pest­zei­ten nicht auch Vor­sichts­maß­nah­men getrof­fen wor­den waren. Der Ein­fluß von Hygie­ne auf die Aus­brei­tung von Krank­hei­ten war damals schon bekannt. 

    Am mei­sten stört mich aber die Ablie­fe­rung von Per­so­nen­da­ten, wie sie fast über­all ver­langt wird. Ein Armuts­zeug­nis, daß sich die Kir­che zum Hand­lan­ger des Über­wa­chungs­staats macht! Nie­mand weiß, ob sich der Kirch­gän­ger sich tat­säch­lich in der Kir­che ange­steckt hat oder vor­her woan­ders. Eine lücken­lo­se Nach­ver­fol­gung der Ansteckungs­ket­te ist Wunschdenken.

    Wir brau­chen glau­bens­treue Prie­ster, wel­che nicht mit­spie­len und not­falls im Ver­bor­ge­nen Hl. Mes­se ohne staat­li­che Über­wa­chung feiern.

  2. Beim Barm­her­zig­keits-Rosen­kranz
    beten wir „Jesus ich ver­traue auf dich “

    Haben die Hir­ten kein Ver­trau­en mehr und
    unter­wer­fen sich dem Überwachungsstaats.

    Die­se Zei­ten hat­ten wir schon einmal!

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