(Rom) Am 1. Mai 1917 errichtete Papst Benedikt XV. mit dem Motu proprio Dei Providentis die römische Kongregation für die Ostkirchen. Bis dahin war dieser Bereich eine Abteilung der Propaganda Fide, jener Kongregation für die Verbreitung des Glaubens, die heute unter dem Namen Kongregation für die Evangelisierung der Völker bekannt ist. Am vergangenen Dienstag, dem 25. Februar, nahm Papst Franziskus einen Eingriff an der Spitze der Ostkirchenkongregation vor. Die eigentliche Spitze blieb mit Kardinalpräfekt Leonardo Sandri, einem Argentinier, unverändert. Sandri steht allerdings im 77. Lebensjahr und könnte von Franziskus demnächst abberufen werden.
Vor diesem Hintergrund werden seine personellen Veränderungen im zweiten Glied aufmerksam beobachtet, die einiges Unbehagen in den mit Rom unierten Kirchen auslösten.
Laut dem Vatikanisten Sandro Magister widersprechen die beiden Neuernennungen sogar dem Auftrag der Kongregation, das Wachstum der mit Rom unierten Ostkirchen zu fördern und deren jeweilige Traditionen lebendig und intakt zu halten.
Eparch Giorgio Gallaro – der latinisierende Sekretär
Zum neuen Sekretär der Kongregation ernannte Franziskus den Eparchen Giorgio Demetrio Gallaro. Gallaro, 72 Jahre alt, war bisher Bischof der griechisch-katholischen Diözese Piana degli Albanesi auf Sizilien, die 1937 für die dort lebende albanische Minderheit des Byzantinischen Ritus errichtet wurde. Die Eparchie zählt 25.000 Gläubige mit 24 Priestern, 4 ständigen Diakonen, 4 Ordensbrüdern, 44 Ordensschwestern und 15 Pfarreien.
„In der Piana degli Albanesi haben viele mit Erleichterung seine Abreise begrüßt, weil sich Gallaro nie durch die Unterstützung der ostkirchlichen Traditionen hervortat“, so Magister.
Bereits 2016 schrieb der Vatikanist, daß Gallaro von seiner Herkunft her weder einen Bezug zur albanischen Volksgruppe in Italien noch zur ostkirchlichen Tradition hat. Die griechisch-katholischen Albaner flüchteten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit in Wellen über die Straße von Otranto nach Italien. Die ersten Wellen waren eine Fluchtbewegung vor der islamischen Eroberung des südlichen Balkans. Es folgten Verfolgungen und gescheiterte Aufstände der Christen gegen die osmanischen Unterdrücker.
Gallaro ist Sizilianer, Kirchenrechtler und stammt aus dem lateinischen Ritus. In jungen Jahren ging er als Seminarist des sizilianischen Bistums Noto in die USA, weil seine Familie dorthin auswanderte. 1972 wurde er für das Erzbistum Los Angeles zum Priester geweiht, für das er bis 1980 in der Pfarrseelsorge tätig war. Dann wurde ihm ein Studium der Ökumenischen Theologie und des Ostkirchenrechts in Rom ermöglicht. Nach dessen Abschluß ließ er sich 1987 in den USA in die Eparchie Newton der Melkitischen Griechisch-katholischen Kirche inkardinieren. Diese seit 1724 mit Rom unierte Kirche war aus dem griechisch-orthodoxen Patriarchat von Antiochien hervorgegangen, weshalb in ihr der Byzantinische Ritus gilt. Ihr Schwerpunkt liegt traditionell im Nahen Osten besonders im Libanon und in Syrien – heute aber auch in der großen Diaspora.
2013 wird er von Papst Franziskus zum Consultor der Ostkirchenkongregation berufen und 2015 zum Eparchen der griechisch-katholischen Albaner auf Sizilien ernannt.
Er spricht allerdings weder Albanisch noch ließ er eine Liebe zum Griechischen erkennen. Denkbar schlechte Voraussetzungen für einen Bischof der Albaner des griechischen Ritus.
In seiner fünfjährigen Amtszeit als Eparch kam es wiederholt zu Spannungen mit den ihm anvertrauten Gläubigen und Priestern, weil er sein Bistum Richtung italienischer Sprache und lateinischen Ritus drängte. Genau das wollen die griechisch-katholischen Albaner aber nicht, weil sie nach 600 Jahren des Ausharrens durch Aufgabe des Ritus mit der schnellen Assimilation rechnen müssen.
Die Eingriffe des Eparchen
Gallaro, so Magister in einem Kurzporträt von 2016, kümmere sich nicht um liturgische Vorschriften, zelebriere auch in den lateinischen Kirchen der Eparchie in lateinischen Meßgewändern, kürze die feierlichen byzantinischen Liturgien der Karwoche und der Osterfesttage, weil „für ihn zu weitschweifig, während die Bevölkerung sehr daran hängt“.
In den vergangenen Jahren entfernte er schrittweise aus dem Hauptort der Eparchie Priester des griechischen Ritus, um sie durch Priester des lateinischen Ritus zu ersetzen. Auch an der berühmten Martorana-Kirche in Palermo, auch bekannt als Santa Maria dell’Ammiraglio (St. Maria des Admirals) oder San Nicolò dei Greci (St. Nikolaus der Griechen), die seiner Jurisdiktion unterstand, brach er mit der langen Tradition der „Papas“, der albanischen Priester des Byzantinischen Ritus.
Diese Kirche Palermos wurde 1143 fertiggestellt und mit prächtigen Mosaiken ausgestaltet, sodaß sie mittelalterlichen Besuchern als das „wunderbarstes Bauwerk der Welt“ galt. Von Landesfremden und „integrationsfixierten“ Publikationen wird sie heute als eine Art Synthese eines muslimisch-lateinischen Stils gesehen, was sie nicht ist. Sie ist vielmehr ein herausragender Ausdruck der byzantinischen Kirchenbautradition, wie sie im ganzen Nahen Osten prägend war, auch für den Islam. Errichtet wurde sie von Georg von Antiochien, dem Admiral des Normannenkönigs Roger II. von Sizilien. Georg war kein Muslim, sondern ein syrischer, also arabischer Christ, wie sein Name erkennen läßt.
In der Kirche finden sich arabische Inschriften. Arabische Spuren auf Sizilien sind a priori kein Hinweis auf den Islam, obwohl dies heute gerne angenommen und auch behauptet wird, weil Muslime 200 Jahre lang Teile der Insel beherrschten, aber erstaunlich wenig hinterlassen haben. In vielen Fällen handelt es sich vielmehr um Hinweise auf die viele Jahrhunderte währenden Kontakte zur christlich-arabischen Welt des Nahen Ostens, die auf die byzantinische Tradition zurückgehen, die lange auf Sizilien prägend war. So ist der Gründungsakt der Martorana in griechischer und arabischer Sprache überliefert, weil ihr Stifter ein arabischer Syrer des griechischen Ritus war.
In dem angrenzenden, mit der Martorana lange verbundenen Benediktinerinnenkloster Eloisia Martorana aus dem Jahr 1193 wurde die Frutta Martorana entwickelt. Das ist eine berühmte sizilianische Süßware aus Marzipan mit dem charakteristischen Aussehen von Früchten. Die allgemein gebräuchliche Bezeichnung der Kirche als La Martorana ging vom Kloster auf die Kirche über.
Die Benennung der Pfarrei als San Nicolò dei Greci ist hingegen jüngeren Datums. 1935 gab Benito Mussolini die Kirche an die Albaner des Byzantinischen Ritus zurück. So wurde nach 500 Jahren darin wieder im griechischen Ritus zelebriert. 1937 wurde sie zur Konkathedrale der Eparchie der Piana degli Albanesi erhoben. Als im Mai 1943 alliierte Bomben die Kirche San Nicolò dei Greci, nach 1547 die einzige Kirche Palermos, in der immer im Byzantinischen Ritus zelebriert wurde, zerstörten, wurde die Pfarrei samt dem alten Namen an die Martorana verlegt, die seither der kirchliche Mittelpunkt der Gläubigen des Byzantinischen Ritus in Palermo ist.
Die Hinweise verdeutlichen, warum die Gläubigen Eparch Gallaro als Elefanten im Porzellanladen empfanden. Es erklärt auch, warum seine Ernennung zum Sekretär der Ostkirchenkongregation in der weiten Welt der mit Rom unierten Ostkirchen mit Enttäuschung aufgenommen wurde. Magister bemerkt dazu:
„Sich mit einem Sekretär wiederzufinden, der nicht nur offen latinisiert, sondern auch im lateinischen Ritus geboren, aufgewachsen und ausgebildet ist, ist kein gutes Zeichen für jene, die von der Kongregation eine überzeugte Unterstützung für östliche Traditionen erwarten.“
Kontakte und Hintergründe
Die Ernennung scheint durch die Freundschaft mit Bischof Marcello Semeraro von Albano zustande gekommen zu sein, den Franziskus gleich zu Beginn seines Pontifikats in seine Nähe holte und zum Sekretär des inzwischen geschrumpften C9-Kardinalsrates machte, der den Papst in der Leitung der Weltkirche und bei der Kurienreform berät.
Der bisherige Sekretär der Kongregation, der Erzbischof und Jesuit Cyril Vasil, den Papst Benedikt XVI. 2009 berufen hatte, wurde als Apostolischer Administrator der Eparchie Kaschau (slow. Košice) in seine slowakische Heimat zurückgeschickt. Vasil sank in der päpstlichen Gunst, als er sich 2015, zwischen den beiden Familiensynoden, öffentlich gegen die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion aussprach.
Magister spricht deshalb auch von einer Deklassierung, denn die Pläne waren, daß Vasil Großerzbischof einer Kirche der Ruthenen mit Sitz in Prešov würde, die alle Gläubigen des Byzantinischen Ritus der Slowakei sammeln sollte, einschließlich der westukrainischen Eparchie Mukatschewo, die von Ruthenen bewohnt wird (Karpato-Ukraine). Insgesamt geht es um mehr als 500.000 Gläubige.
Den griechisch-katholischen Ukrainern mißfielen diese Bestrebungen der Ruthenen naturgemäß. Sie hofften, daß einer ihrer Bischöfe Sekretär der Ostkirchenkongregation wird, und das nicht nur wegen der Ruthenenfrage, sondern mehr noch wegen Moskau.
Weder die Ukrainer noch die Ruthenen erreichten ihr Ziel. Vasil muß sich mit einer untergeordneten Eparchie begnügen, und das nur als Apostolischer Administrator, weil gegen den amtierenden Eparchen, Milan Chautur, ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf sexuellen Mißbrauch einer Minderjährigen im Gange ist.
Der neue Untersekretär
Nicht weniger „problematisch“ (Magister) ist die zweite Ernennung, die Franziskus vornahm. Er berief den italienischen Priester Flavio Pace zum Untersekretär der Ostkirchenkongregation. Pace gehört dem Erzbistum Mailand an und verfügt über „keinerlei Kompetenz in ostkirchlichen Dingen, sondern nur eine vage Zertifizierung als Islam-Kenner“, so der Vatikanist. Allerdings war er in den vergangenen Jahren persönlicher Sekretär von Kardinal Sandri, dem Präfekten der Ostkirchenkongregation.
Magister spricht von einem weiteren Niedergang, der bereits durch den Amtsvorgänger, den Dominikaner Lorenzo Lorusso, begonnen hatte. Lorusso war in ostkirchlichen Kreisen wiederholt kritisiert worden, aber vom bisherigen Sekretär der Kongregation, Vasil, gestützt worden. Beide sind Kirchenrechtler und haben gemeinsam am selben Institut Kirchenrecht gelehrt. Am 14. September 2019 wurden unter dem Einfluß von Lorusso und Vasil neun neue Consultoren für die Kongregation ernannt, von denen sieben Kirchenrechtler sind.
Das Unbehagen in den unierten Ostkirchen war erheblich, da sie sich wie ein juristisches Problem behandelt sehen und nicht „wie ein ekklesiologischer Reichtum“.
Lorusso und Vasil wurden gemeinsam aus ihren Ämtern entfernt. Lorusso erhielt am 15. November 2019 das Schreiben, in dem ihm mitgeteilt wurde, in sein Kloster in Apulien zurückkehren zu müssen.
Das Problem bleibt, daß mit den Neuernennungen die Situation nicht verbessert, sondern nach dem verbreiteten Empfinden der mit Rom unierten Ostkirchen verschlechtert wurde.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Constantin Order/Wikicommons (Screenshot)
[Update: 29.02.2020] Aus Versehen wurde ursprünglich ein Bild von S. Exz. Msgr. Donato Oliverio, Eparch von Lungro (Kalabrien) veröffentlicht, der für die Albaner des Byzantinischen Ritus auf dem italienischen Festland zuständig ist. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.