Von Clemens Victor Oldendorf
Der heilige Bernardin, Volks- und Bußprediger in der Gefolgschaft des heiligen Franziskus von Assisi, wirkte im 15. Jahrhundert in der Toskana und starb 1444. In seiner Predigt drang er in Herz und Sinn seiner Zuhörer ein, indem er in besonderer Weise die Verehrung des heiligsten Namens Jesu förderte. An seinem heutigen Fest fleht die Oration deshalb darum, den Seelen und der Kirche die Liebe zu diesem Namen einzugießen. Daneben verbreitete der Heilige mit Eifer den Rosenkranz der Sieben Freuden Mariens, der aus sieben Gesätzchen besteht und mit dem man durch Hinzufügung zweier weiterer Ave die zweiundsiebzig Jahre verehrt, welche die Allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria frommer Überlieferung gemäß auf Erden gelebt hat.
Gedenkt man seiner Predigttätigkeit, ergibt sich mit der Jesusbegeisterung, die er säte, eine Gemeinsamkeit und ein Kontrast zu der Christenheit unserer Zeit.
Schon seit den 1980er Jahren beobachtet man, wie zahlreiche Katholiken in Lateinamerika sich von der Kirche ab- und charismatischen Bewegungen zuwenden. Volkskirchliche Strukturen schwinden auch in Europa zusehends. Man verweist darauf, ein konventionelles Christentum weiche einem bewussten Entscheidungschristentum. Damit mag etwas Richtiges angesprochen sein. Es kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Erosion erfolgt und das Christentum zunehmend Minderheitserscheinung wird.
Da wird es nachvollziehbar, dass die Minorität, die sich noch an Christusnachfolge gebunden fühlt, das Bedürfnis entwickelt, auch über die Grenzen der Konfessionen hinweg zusammen Zeugnis abzulegen.
Gemeinsamer ethischer und politischer Einsatz möglich und nötig
Daneben stellt man fest, dass charismatische Denk- und Ausdrucksweisen auch innerkatholisch Platz greifen, ohne dass dies vielen überhaupt noch bewusst ist. Im Gottesbild schwingt dabei oftmals ein pfingstlerisch-calvinistisches Verständnis mit, in dem Gott letztlich zu einem Erfüllungsgehilfen innerweltlicher Wünsche wird.
In zahlreichen ethischen Fragen gibt es Möglichkeiten der Kooperation, ebenso im Bereich der Politik, wo eine Zusammenarbeit sinnvoll sein kann, auch wenn Trennungen im Glaubens- und Kirchenverständnis fortbestehen. Zersplitterung ist der Tod der Chance demokratischer Legitimation, die man braucht, um in Staat und Gesellschaft wahrgenommen zu werden und mitgestalten zu können.
Eine Versuchung, die so entsteht, ist jedoch zweifach. Erstens meinen manche, indem man die spontanen Formen mehr oder weniger pfingstlerisch angehauchter Gottesdienste übernimmt (bei denen jedoch zweifelhaft ist, ob sie tatsächlich den Hauch des Heiligen Geistes vermitteln), könne man die katholische Kirche beleben und jene zurückgewinnen, die wegen solcher Formen vermeintlicher Zeitgemäßheit in Ausdruck und Musik in Freikirchen abgedriftet sind. Zweitens entsteht der Eindruck, auch im Gottesdienst sollten die Grenzen der unterschiedlichen christlichen Bekenntnisse überschritten werden. Tatsächlich erreicht man aber so nicht wirkliche Einheit, sondern täuscht sie vor oder gibt sich gar selbst einer Täuschung darüber hin.
„Häresie der Formlosigkeit“ (M. Mosebach) in frommer Verpackung
Hierher gehören bestimmte Formen des Heilungs- und Befreiungsgebets, aber auch von Lobpreis- und Anbetungsfeiern, die liturgische Bindung zugunsten spontaner Ausbrüche aufgeben. Diese Gottesdienste werden auch dadurch nicht katholischer, dass man vielleicht Priester findet, die bereit sind, daran mitzuwirken oder die bei solchen Veranstaltungen beispielsweise die Monstranz mit der Eucharistie aussetzen, um die herum dann die Emotionen branden.
Nicht verschweigen darf man, dass diese Tendenz der Emotionalisierung auch vermeintlich konservative Milieus erfasst. Das gilt vor allem für eine Vielzahl von vermeintlichen Erscheinungsorten, die seit den 1970ger Jahren wie Pilze aus dem Boden sprießen. Zu derlei Phänomenen Zuflucht zu nehmen, scheint mir überwiegend Ausdruck einer zunehmenden Orientierungslosigkeit, welche bis zur Perplexität reichen kann, und die man wohl darauf zurückführen muss, dass Katechese, die solides Glaubenswissen weitergibt, nicht bloß als Erfahrung getarnte Gefühlsbetonung, längst Seltenheitswert besitzt.
Wallfahrten und Gebetsstätten ohne Ziel?
Aus aktuellem Anlass sollte man abschließend hinzufügen, dass solche angeblichen Erscheinungen auch zu respektabler Größe anwachsen können, ohne deswegen authentisch sein zu müssen. Fragwürdig ist es dann, solche Orte unter Ausklammerung der angeblichen Vorgänge, die sie entstehen ließen, als Gebetsstätten anzuerkennen, zu denen man Wallfahrten unternehmen darf. Genauso wenig wie die Monstranz mit der Hostie aus einem Spektakel der Emotion und Spontaneität eine katholische Anbetung des Allerheiligsten macht, wird die Feier dadurch katholisch, dass sie sich subjektiv auf Phänomene bezieht, die einen marianischen Anschein besitzen.
Hl. Bernardin von Siena, erwirke uns echte Liebe zum Namen Jesu und zu Maria und erlange uns im Verein mit der Fürsprache Mariens die Gabe der Unterscheidung der Geister!
Text: Clemens Victor Oldendorf
Bild: Wikicommons