
(Wien) „Dieser Papst erschüttert uns zutiefst“, lautet der Titel eines ausführlichen Interviews, das die Salzburger Nachrichten in ihrer Samstagausgabe (15. Dezember) mit dem neuen Generaloberen der PriesterbruderschaftSt. Pius X. (FSSPX), P. Davide Pagliarni, veröffentlichten.
Papst Franziskus suche den Dialog, so die Tageszeitung: „Wie reagiert der neue Generalobere auf das Entgegenkommen des Papstes?“
P. Pagliarani bekräftigte in dem Interview die Position, daß die Exkommunikation von Erzbischof Marcel Lefebvre, ihres Gründers, von
der Piusbruderschaft„nie als gültig angesehen“ wurde.
Auf die Frage, was die Bruderschaft sich von Rom noch erwarte, da „auch Franziskus“ ihr „entgegenkam“, antwortete Pagliarani:
„Wir erwarten, was jeder Katholik bei seiner Taufe von der Kirche erwartet, den Glauben. Die göttliche Offenbarung ist abgeschlossen und es ist die Aufgabe des Papstes, dieses Glaubensgut treu weiterzugeben. Der Papst muss daher der schrecklichen Krise ein Ende bereiten, durch die die Kirche seit 50 Jahren erschüttert wird. Diese Krise wurde ausgelöst durch einen neuen Glaubensbegriff, der bestimmt wird von der subjektiven Erfahrung des Einzelnen.“
Zum Verhältnis gegenüber Rom sagte der Generalobere:
„Tatsächlich betrachtet uns Rom nicht als schismatisch, sondern als ‚irregulär‘. Wie auch immer: Ich würde die Bruderschaft sofort verlassen, wenn ich nicht die Gewissheit hätte, in der und für die römisch-katholische Kirche zu arbeiten.“
Und zum Verhältnis gegenüber Papst Franziskus:
„Die Priesterbruderschaft St. Pius ist dem Nachfolger Petri zutiefst verbunden, selbst dann, wenn sie sich den Irrtümern des Zweiten Vatikanischen Konzils entgegenstellt.“
Dennoch:
„Ein Grundzug des gegenwärtigen Pontifikats erschüttert uns aber zutiefst: Die völlig neue Anwendung des Begriffs der Barmherzigkeit. Diese wird auf ein Wundermittel für alle Sünden reduziert, ohne auf die wahre Bekehrung zu drängen, auf die Umwandlung der Seele durch Gnade, Abtötung und Gebet. In seinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Amoris laetitia eröffnet der Papst den Christen die Möglichkeit, sich zu Fragen der Ehemoral von Fall zu Fall nach ihrem persönlichen Gewissen zu entscheiden. Das widerspricht ganz eindeutig der notwendigen und klaren Orientierung am Gesetz Gottes. Wir sehen darin einen Widerhall der Spiritualität von Luther: ein Christentum ohne Forderung nach sittlicher Erneuerung, einen Subjektivismus, der keine allgemein gültige Wahrheit mehr anerkennt.“
Auf das Lutherjahr 2017 angesprochen sagte P. Pagliarani:
„Seit dem 16. Jahrhundert ist die katholische Kirche auf die Protestanten zugegangen, um sie zu bekehren und in die wahre Kirche zurückzuführen. Das Lutherjahr hat nicht diesem vorrangigen Ziel gedient, die Protestanten zurückzuführen. Im Gegenteil, diese wurden in ihren Irrtümern bestärkt. Der Grund dafür ist, dass die Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil meint, jeder Mensch könne in seiner Religion zu Gott finden. Das ist eine Prämisse, die den Glauben auf eine persönliche, innere Erfahrung reduziert, anstelle des Festhaltens des Verstandes an der göttlichen Offenbarung.“
Zum Zweiten Vatikanischen Konzil betonte der Generalobere,daß sich dieses selbst zwar „zum reinen Pastoralkonzil erklärt“ habe, tatsächlich „aber schwerwiegende dogmatische Entscheidungen“ traf wie zum Beispiel zur Religionsfreiheit und zum Ökumenismus.
„Papst Benedikt XVI. meinte, die Differenzen zwischen Rom und der Priesterbruderschaft St. Pius X. seien ein Problem der Interpretation der Konzilstexte. Man müsse sich nur auf diese Texte selbst besinnen, dann sei eine Einigung möglich. Dies ist aber nicht unsere Position. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. verwirft alles, was im Zweiten Vatikanischen Konzil nicht mit der katholischen Tradition übereinstimmt.“
Konkret forderte er dazu:
„Der Papst müsste das Dekret über die Religionsfreiheit als falsch erklären und entsprechend korrigieren.“
Der 1970 in Rimini geborene Italiener, P. Davide Pagliarani, zuvor Distriktoberer von Italien und dann Regens des Priesterseminars der Bruderschaft in Argentinien, wurde auf dem Generalkapitel im vergangenen Juli zum Generaloberen der 1970 gegründeten Piusbruderschaft und dritten Nachfolger von Erzbischof Lefebvre gewählt. Seine Amtszeit beträgt zwölf Jahre und dauert bis 2030.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Salzburger Nachrichten (Screenshot)