
(Mostar) Am 31. Mai ernannte Papst Franziskus den emeritierten Bischof von Warschau-Praga, den Pallottiner und ehemaligen Kurienerzbischof Henryk Hoser, zum Apostolischen Sondervisitator für die Pfarrei Medjugorje. Eine Entscheidung, die zu unterschiedlichen Interpretationen führte.
Phänomen Medjugorje seit 1981
Medjugorje ist ein von Kroaten bewohnter, katholischer Ort in der Herzegowina. Das Gebiet ist Teil der kroatisch-bosnischen Föderation Bosnien und Herzegowina, die wiederum mit der Serbischen Republik zum Bundesstaat Bosnien und Herzegowina gehört, wie er 1995 nach dem Ende des Bürgerkrieges von der internationalen Staatengemeinschaft errichtet wurde. De facto handelt es nach wie vor um ein internationales Protektorat. Das Amt des Hohen Repräsentanten übt derzeit der Kärntner Slowene und österreichische Diplomat Valentin Inzko aus.

Seit Juni 1981 soll in dem Ort mit 2.000 Einwohnern die Gottesmutter Maria erscheinen. In den ersten Jahren herrschte noch die kommunistische Diktatur, dann brach der Bürgerkrieg aus, doch das Phänomen in dem Bergort scheint davon wie unberührt geblieben zu sein. Die Frage nach der Echtheit erhitzt jedoch seit vielen Jahren die Gemüter. Dessen ungeachtet gehört Medjugorje zu den größten katholischen Wallfahrtsorten der Welt. Die sechs Seher, damals im Kindes- und Jugendalter, sind inzwischen Erwachsene mittleren Alters, die in unterschiedlichem Rhythmus noch heute von Marienerscheinungen berichten.
Die Gesamtzahl dieser echten oder vermeintlichen Erscheinungen wird nach jüngsten Angaben bereits auf 47.000 beziffert. Eine offizielle Anerkennung durch die Kirche gibt es nicht, vielmehr ein negatives Urteil des Ortsbischofs und der seinerzeit zuständigen Jugoslawischen Bischofskonferenz.
Blicke auf Rom gerichtet
Seit Jahren gehen die Blicke jedoch nach Rom. Dort habe die Letztentscheidung zu fallen, und die steht nach wie vor aus.
Das Phänomen wird im weltlichen Kontext ignoriert, in progressiven Kirchenkreisen belächelt, in einigen traditionsverbundenen Kreisen angezweifelt und von manchen Kirchenkreisen bekämpft. Die Befürworter hingegen verweisen auf die Früchte, und die können sich durchaus sehen lassen. Strittig ist die Frage, ob und in welchem Zusammenhang sie mit dem Erscheinungsphänomen stehen. Manche Fragen lassen sich im Detail wohl gar nicht so genau beantworten. Was man auch in Rom weiß. Tatsache ist, daß in Medjugorje weder Glaubenswahrheiten bezweifelt noch die Zuständigkeit oder das Urteil der Kirche in Frage gestellt werden.

Da das Phänomen auch nach 37 Jahren nicht abgeschlossen ist, gilt es als objektiv unmöglich, bereits eine Letztentscheidung zu treffen. Nicht nur deshalb scheint man in Rom auf Zeit zu spielen. Es gibt zahlreiche Wallfahrtsorte, die auf ein besonderes Phänomen zurückgehen (vielfach eine Erscheinung samt Aufforderung an eine Person, eine Kirche zu bauen), ohne daß es dazu eine spezifische kirchliche Anerkennung gibt. Was es aber gibt, ist jeweils eine kirchliche Anerkennung als Gebetsstätte. Auf diese Weise ließ die Kirche der Volksfrömmigkeit zu aller Zeit großen Spielraum., zumal das Wallfahren zum Wesen des pilgernden Gottesvolkes gehört und als unbestritten gilt, daß es die persönliche Bekehrung und Vertiefung im Glauben fördert. Wallfahrtsorte sind zudem häufig Zufluchtsorte, wo Menschen ihre Nöte, Sorgen und Bitten vorbringen. Das gilt auch für Medjugorje. Diese Offenheit für Gott in der Not, dürfte noch an jedem Ort ein Hauptgrund für gewährte Gnaden und Früchte sein.
Der Hauptunterschied zu früheren Jahrhunderten liegt freilich darin, daß vor dem 19. Jahrhundert kaum Botschaften an die Menschheit weitergegeben wurden. Das ist ein jüngeres Phänomen. Die Botschaftenflut ist sogar ein jüngstes Phänomen, das seinen Ausgangspunkt just in Medjugorje hat. Über ihre Bedeutung und Einordnung herrscht in der Kirche noch keine Klarheit. Papst Franziskus äußerte mit dem Begriff der Gottesmutter als „Postbotin“ oder „Postamtsleiterin“ seine ganz spezielle Ansicht dazu.
Hat Papft Franziskus Meinung geändert?
Erzbischof Hoser war bereits im Februar 2017 von Franziskus als Sondergesandter nach Medjugorje geschickt worden. Damals, um dem Papst pastorale Vorschläge zu unterbreiten, um die Seelsorge der Pilger im kirchlichen Sinn sicherzustellen und verbessern. Ende des Sommers 2017 übergab Hoser dem Kirchenoberhaupt die gewünschten Vorschläge. Der Pole ließ zum Abschluß seiner Aufgabe keine Zweifel, von der Echtheit der Erscheinungen überzeugt zu sein.
Das erstaunte, da Papst Franziskus sich in der Vergangenheit sehr negativ über das Erscheinungsphänomen allgemein und die Botschaftenflut im Besonderen geäußert hatte, und im September 2013 ausdrücklich Medjugorje als Beispiel dafür nannte.
Allerdings hatte bereits der albanische Jesuit, Ernest Simoni, den Franziskus 2016 zum Kardinal kreierte, im August 2017 in Medjugorje erklärt, Papst Franziskus habe seine „Meinung zu Medjugorje geändert“. Franziskus hatte Kardinal Simoni als seinen Vertreter zum Jugendfestival nach Medjugorje geschickt. Vor 50.000 Jugendlichen sagte er dort, der Papst habe nur wenige Informationen über Medjugorje gehabt, und die hätten von den Gegnern des Phänomens gestammt.
Hosers „Lösung“
Als Hoser 2017 seinen päpstlichen Auftrag erhielt, hieß es ausdrücklich, dieser habe nichts mit der Frage nach der Echtheit zu tun. Der Erzbischof selbst erklärte bei seiner ersten Pressekonferenz, er dürfe nichts zur Frage der Echtheit sagen. Einige Monate später sprach er hingegen ganz freimütig zugunsten der Echtheit. Damit hatte er eigentlich gegen einen Auftrag gehandelt.

Seine erneute Beauftragung durch Papst Franziskus am 31. Mai wurde deshalb von einigen als Bestätigung gesehen, daß Franziskus tatsächlich seine Meinung zu Medjugorje geändert habe und die positive Haltung Hosers zum herzegowinischen Phänomen auch die Haltung des Papstes sei. Vatikansprecher Greg Burke betonte allerdings, daß die Ernennung Hosers in keinem Zusammenhang mit der Frage „der Echtheit der Erscheinungen“ stehe, „also nicht die doktrinelle Frage betrifft“.
Mit der Ernennung Hosers zum päpstlichen Sondervisitator ad nutum Sanctae Sedis wurde die Pfarrei Medjugorje faktisch dem Heiligen Stuhl unterstellt. Seit längerem schon gibt es Gerüchte, daß Rom Medjugorje als internationales Heiligtum anerkennen und gleichzeitig der Verwaltung durch den Vatikan unterstellen könnte. Einige Zeit wurde spekuliert, daß damit die Frage nach der Echtheit und der Anerkennung der Erscheinungen ausgeklammert bleiben könnte, wie dies für zahlreiche historische Wallfahrtsorte gilt.
Hoser kündigte im Herbst 2017 jedoch eine andere „Lösung“ an: Rom könnte von den rund 47.000 Erscheinungen nur die ersten sieben von 1981 anerkennen. Damit habe er, laut eigener Aussage, an das Ergebnis der Ruini-Kommission angeknüpft, die zwischen 2010 und 2012 im Auftrag von Papst Benedikt XVI. Medjugorje untersuchte. Deren Bericht wurde aber noch nicht veröffentlicht. Mit den Erscheinungen der ersten Tage sind keine Botschaften verbunden, was ein Hauptpunkt für den „salomonischen“ Vorschlag einer Zweiteilung des Phänomens in die ersten Tage und den großen Rest scheint, mit dem manche in Rom liebäugeln.
Er bestärkte damit die Anhänger von Medjugorje in ihrer Interpretation, Franziskus habe mit den Initiativen auf pastoraler Ebene seine anfängliche Skepsis überwunden und sei nun von der Echtheit Medjugorjes überzeugt. Auch die Unterstellung der Pfarrei unter die Oberaufsicht des päpstlichen Gesandten wurde in diesem Sinne gelesen, denn dadurch sei die Pfarrei endlich dem Zugriff des Ortsbischofs von Mostar entzogen, der „von Anfang an“ gegen Medjugorje war.
Bischof Peric bekräftigt negatives Urteil
Zurückhaltendere Medjugorje-Anhänger und neutrale Beobachter sehen in der „Hoser-Lösung“, nur die ersten sieben Erscheinungen anzuerkennen, eher die Absicht Roms, auch weiterhin auf Zeit zu spielen, um die gut drei Millionen jährlichen Pilger durch einen Negativentscheid nicht vor den Kopf zu stoßen. Aber auch in der Hoffnung, daß sich manche Frage im Laufe der Zeit vielleicht von alleine klären könnte.

Zwei Tage nach der neuerlichen Ernennung Hosers meldeten sich am 2. Juni auch die Gegner von Medjugorje zu Worte. Der zuständige Ortsbischof von Mostar-Duvno, Msgr. Ratko Peric, veröffentlichte auf der offiziellen Internetseite seines Bistums eine Stellungnahme. Peric, seit 1993 als Bischof auch für Medjugorje zuständig, ist wie schon sein Vorgänger, Bischof Pavao Zanic (1980–1993), ein entschiedener Gegner von Medjugorje. Die behaupteten Erscheinungen und die Botschaften hält er ohne Wenn und Aber für Betrug. Das wiederholte er nun mit aller Deutlichkeit.
Die Veröffentlichung von Bischof Peric trägt die Überschrift „Die ‚Erscheinungen‘ der ersten sieben Tage in Medjugorje“. Nach einem historischen Abriß führt er die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungskommissionen an (der ersten Diözesankommission (1982–1984; der erweiterten Diözesankommission 1984–1986; der Kommission der Jugoslawischen Bischofskonferenz 1987–1990; der vatikanischen Kommission der Glaubenskongregation 2010–2012 sowie die Stellungnahmen der Glaubenskongregation von 2014–2016) und kommt „im Namen“ seines Bistums zum Schluß:
„Es handelt sich nicht um echte Erscheinungen der seligsten Jungfrau Maria“.
Der Bischof veröffentlichte die Bekräftigung seines negativen Urteils auch in italienischer Sprache, um offensichtlich auch in Rom gehört zu werden und seiner Stellungnahme eine weite Verbreitung zu garantieren.
Die Tonbandaufzeichnungen der ersten Woche
An seiner Kurie, so Msgr. Peric, wurden die Tonbänder abgetippt, die in der ersten Woche die Gespräche im Pfarrbüro von Medjugorje festgehalten haben. In einem Fußnotenapparat belegt er unter Verweis auf diese Gespräche seine Aussagen. Es geht um Gespräche zwischen den Priestern und den Kindern, die sagten, die Gottesmutter gesehen zu haben. Die Pfarrei Medjugorje wird von Priester der herzegowinischen Franziskanerprovinz betreut. Eine historisch bedingte Rivalität zwischen der episkopalen Ortshierarchie und dem Franziskanerorden, die auf die osmanische Herrschaft in Bosnien und der Herzegowina zurückgeht, ist in der Gesamtfrage übrigens in Rechnung zu stellen. Jedenfalls, so der Bischof, gehe aus diesen Gesprächen „klar hervor, daß die angeblichen Phänomene nicht echt sind“.

Peric fordert daher, nur von „selbsternannten Sehern“, „angeblichen Botschaften“ und „sogenannten Geheimnissen“ zu sprechen. Letzteres bezieht sich auf Ivan Dragicevic, dem die Gottesmutter „neun Geheimnisse“ anvertraut habe. Gegen ihn ging die Glaubenskongregation bisher am nachdrücklichsten vor.
Vor allem, so der Bischof, „verhält sich die echte Gottesmutter in den bisher von der Kirche als echt anerkannten Erscheinungen ganz anders als die ‚Erscheinung‘ von Medjugorje: „sie lacht seltsam; nach bestimmten Fragen verschwindet sie, um dann wiederzukommen; sie gehorcht den ‚Sehern‘ und dem Pfarrer, die sie obwohl unwillig vom Hügel in die Kirche kommen machen; sie weiß nicht genau, wie lange sie erscheinen wird; sie erlaubt einigen Anwesenden auf ihren Schleier zu treten, ihre Kleider und ihren Körper zu berühren. „Das ist nicht die Gottesmutter des Evangeliums“, so der Bischof.
Peric kritisiert zudem den „Jahrestag der Erscheinung“. Die erste Erscheinung habe am 24. Juni 1981 stattgefunden, aber der Jahrestag werde am 25. Juni begangen, weil das der damalige Pfarrer und die „angeblichen Seher“ so vereinbart hätten. Als Begründung nannten sie, weil erstmals am 25. Juni die Gottesmutter allen sechs Kindern erschienen sei. Das aber, so Bischof Peric, sei nachweislich falsch, weshalb der „Jahrestag“ nicht nur „willkürlich“ gewählt, sondern auch „gefälscht“ sei.
„Keine Botschaft“ in den ersten sieben Tagen
Der Bischof von Mostar listet dann eine ganze Reihe von bereits bisher bekannten Kritikpunkten am Phänomen auf, darunter das „unerklärliche Schweigen“ der Erscheinung in den ersten sieben Tagen. Die „angebliche Erscheinung“ habe „keine Initiative“ ergriffen und habe „nie als erste gesprochen“ so Peric. Auf Fragen habe sie nur allgemeine Antworten gegeben.
Laut den Aufzeichnungen der ersten sieben Tage „wird die Erscheinung weder begründet“ noch „gab es irgendeine Botschaft, weder für die ‚Seher‘ noch für die Franziskaner noch für die Pfarrei oder die Welt außer der Aufforderung, an die Erscheinung zu glauben“.
Der Bischof verweist auch auf „falsche Prophezeiungen“. So habe Ivanka Ivankovic am 30. Juni 1981 im Gespräch mit P. Jozo Zovko erklärt, die Erscheinung habe angekündigt, nur „drei Tage“, am 1., 2. und 3. Juli 1981 zu erscheinen. In Wirklichkeit habe die „Erscheinung“ dann offensichtlich Meinung geändert und erscheine nach 37 Jahren noch immer.
Der Franziskaner, P. Jozo Zovko, war am Beginn der Erscheinungen Pfarrer von Medjugorje, bevor er wegen des die Behörden beunruhigenden Phänomens vom kommunistischen Regime verhaftet und zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Davon mußte er nach einer Strafreduzierung anderthalb Jahre im Gefängnis verbringen und wurde mit einem behördlichen Verbot belegt wurde, nach Medjugorje zurückzukehren. Nachdem er als Pfarrer in anderen herzegowinischen Orten und auch international als „unermüdlicher Zeuge für Medjugorje“ tätig war, wurde er 2009 von Bischof Peric des Landes verwiesen und mit einem Schweigegebot belebt. Die Franziskanerprovinz erlaubte ihm, sich unweit von Dubrovnik auf die Klosterinsel Badija vor der dalmatinischen Küste zurückzuziehen. Dort baut er seither das verfallene, während der kommunistischen Herrschaft aufgehobene Franziskanerkloster wieder auf.
Bischof Peric: „Die Gottesmutter ist in Medjugorje nicht erschienen!“
Doch zurück zur Stellungnahme von Bischof Peric: Auch der Erscheinungsrhythmus wird vom Bischof beargwöhnt, da ab einem bestimmten Moment nicht mehr alle Seher“, sondern nur mehr einige von ihnen Erscheinungen an bestimmten Tagen hatten, andere hingegen an anderen: Ivan, Marija und Vicka erscheint „die Figur“, wie der Bischof schreibt, zunächst weiterhin jeden Tag, den anderen drei nur mehr einmal im Jahr (bei Mirjana ab 1982, bei Ivanka ab 1985 und bei Jakov ab 1998). Zwei „Sehern“, so der Bischof, erscheine „die Figur“ seit 1987 einmal im Monat jeweils mit einer „Botschaft für die Welt“: Mirjana jeweils am 2. und Marija am 25. des Monats.
Bischof Peric abschließend:
„Unter Berücksichtigung dessen, was von dieser diözesanen Kurie geprüft und studiert wurde, einschließlich der Untersuchung der ersten sieben Tage der angeblichen Erscheinungen, kann getrost behauptet werden: Die Gottesmutter ist in Medjugorje nicht erschienen!“
Der Heilige Stuhl hat sich bisher nicht zu Medjugorje geäußert und vorerst deutet auch wenig darauf hin, daß sich das in absehbarer Zukunft ändern könnte. Derzeit scheint mit Aktionismus die Frage vielmehr auf der langen Bank belassen werden.
Im Kreis der Medjugorje-Anhänger wird darauf verwiesen, daß Bischof Peric im 75. Lebensjahr steht, und Rom nur darauf warten könnte, ihn mit Erreichung der Altersgrenze am 2. Februar 2019 zu emeritieren. Dann sei der Weg frei, ohne Bruch mit der Ortskirche, Medjugorje aus dem Bistum Mostar herauszulösen, direkt dem Vatikan zu unterstellen und als internationale Gebetsstätte anzuerkennen – ob mit oder ohne Anerkennung des Erscheinungsphänomens (insgesamt oder nur der ersten sieben Tage) steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: md-tm.ba/Medjugorje.de/Wikicommons (Screenshots)
47.000 – allein diese riesige Zahl spricht für mich gegen die Echtheit.
Medjugorje ist echt. Königin des Friedens hat gesagt, wenn die Jugoslaven sich nicht bekehren, kommt Krieg und es war auch so. So viele Bekehrungen und Beichtstuhl der Welt weist auf die Echtheit.