
Von Roberto de Mattei*
Der Regierung Conte wurde sowohl in der Abgeordnetenkammer als auch im Senat mit deutlicher Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen. Vor allem verfügt sie über eine breite Unterstützung im Volk. Die Umfragen sprechen den beiden politischen Kräften, aus denen sie sich zusammensetzt, der Fünfsternebewegung und der Lega, Zustimmungswerte von 60 Prozent zu. Noch keine Regierung wurde aber von den italienischen Massenmedien fast in ihrer Gesamtheit so angefeindet wie diese.
Antonio Socci beschrieb dieses „universale Vorurteil“ in der Tageszeitung Libero (3. Juni), während Marco Travaglio [1]Marco Travaglio, Jg. 1964, Chefredakteur von Il Fatto quotidiano, begann seine journalistische Laufbahn bei katholischen Medien, arbeitete dann für bürgerliche und rechte Medien, um Ende der 90er … Continue reading in der Tageszeitung Il Fatto quotidiano (6. Juni) eine lange Anthologie der schwerwiegenden Vorurteile, die fast alle Journalisten von links und von rechts gegen die neue Regierung hegen.
Conte wurde beschuldigt, ein „Volksfreund wie Marat“ zu sein (Corriere della Sera, 18. Mai) und Italien in eine „venezolanische Zukunft“ zu führen (Il Foglio, 16. Mai). „Im Westen gibt es einen Fall Italien“, schrieb der Chefredakteur der Tageszeitung La Stampa (27. Mai), während jener von La Repubblica schrieb: „Es wird nicht lange dauern, bis das Gemisch aus Unerfahrenheit, Improvisation und Arroganz sichtbar wird. Schnallt euch an“ (2. Juni).
Diese ideologische Parteilichkeit wurde zur aggressiven Intoleranz gegen den neuen Familienminister Lorenzo Fontana, der sich „schuldig“ gemacht hat, für die natürliche Familie Stellung bezogen zu haben, die vom Artikel 29 der Verfassung geschützt ist, und das Vorhandensein einer demographischen Krise aufgezeigt und am vergangenen 19. Mai am Marsch für das Leben in Rom teilgenommen zu haben.
In einem Interview des Corriere della Sera (2. Juni) und in einem Brief an die Tageszeitung Il Tempo (4. Juni) bekräftigte Fontana seine Ansichten mit Nachdruck. Salvini[2]Matteo Salvini, Bundesvorsitzender der Lega und seit 1. Juni stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister Italiens. wies nicht zu Unrecht darauf hin, daß diese Ansichten nicht Teil des Regierungsabkommens sind. Es ist allerdings anzumerken, daß Italien eine parlamentarische Republik ist, in der der Regierung die exekutive Macht, dem Parlament aber die legislative Zuständigkeit zukommt.
Fast 30 Jahre lang, von 1963–1992, wurde Italien von zwei politischen Kräften regiert, den Christdemokraten (Democrazia Cristiana,DC) und den Sozialisten (Partito Socialista Italiano, PSI), die zu Themen wie Familie und Moral gegensätzliche Positionen hatten. Weder stand die Scheidung im Programm der Regierung Colombo (1970–1972) noch die Abtreibung im Programm der Regierung Andreotti (1978–1979), die mit externer Duldung der Kommunistischen Partei Italiens (KPI) regierte.
Dennoch brachten einige laizistische Abgeordnete Gesetzesentwürfe zugunsten der Scheidung und der Abtreibung ein, die 1970 bzw. 1978 von Parlamentsmehrheiten beschlossen wurden, die nicht die Positionen der Regierung widerspiegelten. Als die christdemokratischen Minister- und Staatspräsidenten kritisiert wurden, Gesetze unterschrieben zu haben, die ihrem eigenen Gewissen als Katholiken widersprachen, antworteten sie mit dem Hinweis, lediglich Gesetze gegengezeichnet zu haben, die vom Parlament und nicht von der Regierung beschlossen wurden.
Könnte sich also nicht auch im neuen Parlament eine parteiübergreifende Mehrheit bilden, die Gesetzesänderungen zur Verteidigung des Lebens und der Familie beschließt, auch wenn diese nicht Teil des Regierungsabkommens sind? Hat Italien aufgehört eine parlamentarische Republik zu sein?
Minister Fontana sagt in seinem schönen Schreiben an Il Tempo:
„Es schreckt uns nicht, der Diktatur des Einheitsdenkens entgegenzutreten. […] Wir haben ausreichend breite Schultern, um den willkürlichen Angriffen zu widerstehen und mit der Offensichtlichkeit der Fakten, der Kraft der Ideen und der Konkretheit der Aktionen zu antworten.“
Der Minister soll wissen, nicht alleine zu sein. Hinter ihm stehen die Menschen mit gesundem Hausverstand, jene, die die Gender-Theorie für Wahnsinn und homosexuelle Verbindungen für widernatürlich halten, jene, die entschlossen sind, die normale Familie, die auf einer unauflöslichen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründet ist, zu verteidigen, jene, die bereit sind, Kindern das Leben zu schenken, und sie aufzuziehen und zu erziehen, um aus ihnen gute Bürger auf Erden und im Himmel zu machen.
Der Minister kann auf die Hilfe dieser Menschen guten Willens zählen. Er kann vor allem aber auf die Hilfe des Himmels zählen, der jene nicht im Stich läßt, die sich nicht schämen, sich als Katholiken zu bekennen, das Naturrecht zu verteidigen und gegen die neuen Barbaren und für das edelste aller Ideale des öffentlichen Lebens zu kämpfen, die Wiederaufrichtung der christlichen Zivilisation, der einzigen Zivilisation der gesamten Menschheitsgeschichte, die dieses Namens würdig ist.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: „Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi“, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
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↑1 | Marco Travaglio, Jg. 1964, Chefredakteur von Il Fatto quotidiano, begann seine journalistische Laufbahn bei katholischen Medien, arbeitete dann für bürgerliche und rechte Medien, um Ende der 90er Jahre zu linken Medien zu wechseln und zum empörten Ankläger mit ständig erhobenem moralischen Zeigefinger gegen alles, was rechts der Mitte steht, zu werden; Anm. d. Üb. |
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↑2 | Matteo Salvini, Bundesvorsitzender der Lega und seit 1. Juni stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister Italiens. |