
Von Clemens Victor Oldendorf
In den Gemeinden und Gemeinschaften, die heute die römische Liturgie in ihrer Gestalt von 1962 feiern, benutzen die Gläubigen häufig sogenannte Laien- oder Handmessbücher. Im deutschen Sprachraum vorzugsweise den Schott von 1962. Diese Bücher sind durchgängig zweisprachige Vollmessbücher, das heißt solche, die den Text des Missale Romanum vollständig lateinisch mit gegenübergestellter, landessprachlicher Übersetzung bieten. In Aufbau und Umfang entspricht auch das neuübersetzte Volksmissale der Petrusbruderschaft (2. und 3. Auflage 2017) diesem Konzept.
Der Weg zum Vollmessbuch
Ein Blick in die Geschichte des Schott-Messbuches, das erstmalig 1884 erschien, lehrt, dass diese Vollständigkeit und auch die Präsenz des Lateins nicht am Anfang standen. Pater Anselm Schott OSB (1843–1896) betreute das von ihm initiierte Messbuch für die Gläubigen bis zur vierten Auflage von 1894.

Als Vollständiges Römisches Messbuch lateinisch und deutsch lag der Schott erstmals 1926 vor, mithin ganze dreißig Jahre nach Pater Schotts Tod. Die Ausgabe, die heute also von vielen wie selbstverständlich als der Schott schlechthin angesehen wird, war seinem Namensgeber völlig unbekannt, Anselm Schott hatte daran keinerlei redaktionellen Anteil, und dieser Vollschott war auch nicht die am weitesten verbreitete Variante des Schott-Messbuchs.
Seit 1926 wurde er vom Verlag zwar als Schott I geführt, aber der Urschott der ersten vier Auflagen lebte am ehesten im sogenannten Schott II fort. Daneben gab es noch sechs weitere Schott-Messbücher, Schott III–VIII, die auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Altersgruppen und Bildungsgrade abgestimmt waren.
Das Volksmessbuch des Pater Urbanus Bomm OSB (1901–1982), erstmals 1927 als Alternative und Konkurrenzangebot des Schweizer Verlags Benziger neben das Schott-Messbuch des Herder-Verlages getreten, lag überhaupt erst ganze zehn Jahre später, ab 1936, als durchgängig bilinguales Plenarmessbuch vor. In dieser Gestalt waren Schott und Bomm zweifelsohne vorwiegend im Gebrauch von Akademikern und der studierenden Jugend zu finden.
Die verschiedenen Strömungen innerhalb der Liturgischen Bewegung
Wenn man folglich heute sagt, in den Kreisen, die nach wie vor oder wieder der liturgischen Tradition des Ritus Romanus verpflichtet sind, lebe die sogenannte Liturgische Bewegung des 19. Jahrhunderts bis etwa zu den 30ger Jahren des 20. Jahrhunderts fort, gilt das nur bedingt und in einem gewissen Sinn. Macht man diese Aussage am Verbreitungsgrad und Gebrauch des zweisprachigen Vollmessbuches fest, so kann man bildlich gesprochen sagen, dieses sei wie der Nebenarm eines großen Stromes gewesen, der außerdem noch zahlreiche andere, sogar kräftigere Nebenflüsse hatte.
Nimmt man die präferierte Gestaltung der gottesdienstlichen Feier in diesen damals liturgisch bewegten Akademikerkreisen und in heutigen Gemeinden im Umfeld von Summorum Pontificum oder der Priesterbruderschaft St. Pius X. hinzu, nehmen die Gemeinsamkeit und Kontinuität noch weiter ab. Dass das Choralamt in monastisch geprägter Tradition heute so verbreitet ist, ist sehr zu begrüßen, den Vorzug oder Vorrang besaß es in der früheren Liturgischen Bewegung der Zeit vor dem II. Vatikanischen Konzil (1962–1965) im Gemeindegottesdienst zweifelsohne nicht.
Was bei einer Neuausgabe des Schott zu bedenken und zu beachten wäre
Viele wünschen, den Schott in seiner Ausgabe als vollständiges, zweisprachiges Messbuch von 1962 verfügbar zu halten. Begründet wird dies mit der gewohnten und liebgewonnenen Sprachgestalt der Schottübersetzung. In Vergessenheit geraten ist dabei offensichtlich, dass ab 1929 eine sogenannte Einheitsübersetzung von Ordo und Canon Missae bestand. Diese ging zunächst auf private Initiative des Kölner Pfarrers Josef Könn (1876–1960) zurück, erlangte im Ergebnis aber kirchenamtliche Verbindlichkeit, so dass der Wortlaut dieser Fassung bis 1967 unverändert in Geltung blieb. Zwar beteuerten die damaligen Initiatoren immer wieder, damit keine volkssprachliche Liturgie vorbereiten zu wollen, doch waren beispielsweise ab 1952 zwischen Schott und Bomm auch alle Gesangsteile der Proprien textlich vereinheitlicht, was ganz eindeutig dem Ziel diente, diese Gesänge im Gottesdienst in der Volkssprache vortragen zu können.

Mit dieser Kenntnis im Hintergrund und wenn man außerdem weiß, mit welcher Eile der Einheitstext von 1929 aus dem Boden gestampft wurde – die damit betraute Kommission trat nur ein einziges Mal zu einer Gewaltsitzung von acht Stunden zusammen – fragt sich unbestreitbar, ob diese gewohnte und liebgewonnene Übersetzung auch sprachlich wirklich so gut und gelungen und dauerhaft wertvoll ist, dass sie weiterhin unverändert bewahrt werden muss, obgleich dazu keine rechtliche Verpflichtung mehr besteht. Daran knüpft sich die weitere Frage, wie sinnvoll und wünschenswert es ist, den 1962ger Schott unverändert nachzudrucken. Schon aus Gründen der in dieser Ausgabe sehr häufigen Notwendigkeit, hin- und herblättern zu müssen, sollte der Text neu gesetzt werden. Dabei wären auch behutsame Aktualisierungen der Orthographie vorzunehmen. Jedenfalls solche Schreibweisen, die jetzt regelrecht falsch sind (zum Beispiel: „daß“), sollten dabei der offiziell geltenden Rechtschreibung angepasst werden. Da indes, wie außerdem bekannt ist, an dieser Ausgabe des Schott bereits seit 1934 (!) keine nennenswerten Verbesserungen in Wortlaut, Satz und Druck mehr vorgenommen wurden, sollte der Text insgesamt durchgesehen werden. Nicht zuletzt, weil die Übersetzungen teils sehr frei sind, teils liegen auch tatsächliche Übersetzungsfehler vor. Diese wird ja wohl niemand besonders liebgewonnen haben.
Wenn man ein Handmessbuch wirklich auch handlich gestalten will, wäre es eine Anregung und Überlegung, das Buch zweibändig anzulegen. Dabei erscheinen in beiden Bänden Einleitungen, Ordo und Canon Missae und etwaige Anhänge, das Proprium de Tempore und das Proprium Sanctorum jedoch auf Band I und II aufgeteilt. Solche zweibändigen Ausgaben gab es vom lateinisch-deutschen Vollmessbuch des Pater Urbanus Bomm, ein Vorbild, das man bei einer Neuausgabe des Schott in jedem Falle aufgreifen könnte.
Was schließlich die Ausstattung einer Neuausgabe oder ‑auflage des 1962er Schott anbelangt, müsste sie mindestens genauso gut oder besser als das Volksmissale der Petrusbruderschaft sein, um wirklich als echte Alternative dazu in Frage zu kommen. Neben einer potentiellen zweibändigen Ausgabe könnte man eventuell mit der Wahl der Papierqualität punkten und damit, den Ledereinband etwas flexibler und biegsamer als den des Volksmissale Pater Martin Ramms FSSP zu gestalten. Dazu könnte man sich von der Ausführung des Einbands der 1962ger Brevierausgabe des Bonner Verlages nova & vetera inspirieren lassen.
Text: Clemens Victor Oldendorf
Bild: ZVAB/Buchfreund/Ebay (Screenshots)
Vergelt’s Gott für diesen informativen Beitrag! Offen gesagt sehe ich auch den Vorteil des Volksmissale in den großen Dünndruckpapier-Seiten im Gegensatz zu en kleinen, steifen Seiten des Schott. Außerdem mußte ich ihn dauernd mit mindestens einer Hand aufhalten, da er – wohl bedingt durch seine relativ kleinen Seiten, verbunden mit seinem schieren Umfang – sich nicht richtig ausklappen ließ, ohne zu verblättern oder sich gleich komplett wieder zu schließen. Dies umso mehr, wenn er in der Reißverschluß-Schutzhülle steckt. Was sich aber sehr empfiehlt, wenn man ihn oft in Gebrauch hat und dabei in Taschen steckt… Wenn es nicht wirklich hell in der Kirche ist, hat man oft mit dem engzeiligen und relativ klein gedruckten Text im Schott Schwierigkeiten, zudem ist der Text innen an der Bindung nur mühsam lesbar. Dagegen liegt das Volksmissale gut in der Hand, die Schrift ist gut lesbar. Bleibt aufgeschlagen „flach wie ein Brett“ auf der Kirchenbank liegen. Die Päfationen ohne blättern direkt durchgehend, bei den einzelnen Messen im Commune Sanctorum muss ich nicht mehr in Proprium de Tempore und Proprium Sanctorum Andachtsbildchen einlegen und schnell blättern (die Bildchen fallen gerne raus), sondern alles ist komplett durchgehend lesbar. Der Ordo Missae unterbricht nicht das Proprium de Tempore, sondern schließt sich an. Weniger blättern und Gefummel mit Bildchen heißt mehr Ruhe beim Nachvollziehen der Messe bis zum schließen des Buches mit der Schutzkappe. Verständlich aber, wenn Menschen – nach Jahre bis Jahrzehntelangem Gebrauch – eine innige Beziehung zu „ihrem“ Schott-Exemplar haben und nicht mehr wechseln mögen.
Ich denke, eines der Hauptprobleme des Volksmissale von Pater Martin Ramm FSSP besteht im Nebeneinander von verschiedenen Übersetzungen des Vaterunser, des Ave-Maria, des kleinen Glaubensbekenntnisses und anderer Gebete, je nachdem ob man die Übersetzung des hinteren Teils mit den Grundgebeten oder den älteren Messteil mit den älteren Fassungen nimmt.
„Du bist genedeit unter den Weibern“ ist nicht ganz dasselbe wie „Du bist gebenedeit unter den Frauen“. „Gebenedeit unter den Weibern“ bezeichnet die bevorzugte Stellung (Segnung) der Muttergottes im ganzen weiblichen Geschlecht und nicht nur unter den (erwachsenen, verlobten oder verheirateten) Frauen.
Besonders stark fällt der Unterschied bei der Karfreitagsfürbitte „für die Bekehrung der Juden“ auf. Pater Ramms Volksmessbuch enthält die von Papst Benedikt XVI. vorgeschriebene Neufassung. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. verwendet hier die ältere Version, welche allerdings nicht verboten ist. Vielleicht sollte man diese als Alternative mit ins Volksmissale aufnehmen, eben weil sie nicht verboten wurde und noch immer verwendet wird.
Der Sarto Verlag liefert bei Bestellung des Volksmissale die alte Version als Andachtsbildchen zur Einlage mit (www.sarto.de/product_info.php?info=p10890_Volksmissale.html)
Dem „gebenedeit unter den Weibern“ steht freilich der ins abwertende und pejorative neigende Bedeutungswandel des Wortes „Weib“ seit einigen Jahrzehnten entgegen. Das betrifft nicht das abgeleitete Adjektiv „weiblich“, welches nach wie vor neutral gebraucht wird. Aber die besondere Stellung „Unserer Lieben Frau (!)“ (die alte deutsche Variante ehrwürdiger Marientitel wie „Notre Dame“, „Ma-Donna“) wird durch den Begriff „Weib“ heute sicher nicht mehr sinnvoll zum Ausdruck gebracht.
Unser Liebes Weib hat mE nie jemand gesagt.
Wo bestehen im Volksmissale verschiedene Übersetzungen nebeneinander? Es gibt doch das Ave Maria nicht einmal mit Weibern und einmal mit Frauen. Tatsächlich spräche es gegen die Qualität eines Buches, wenn ein und derselbe Text darin in verschiedenen Fassungen vorkäme. Dabei können sogar alle Varianten für sich genommen gut oder korrekt sein. Die Uneinheitlichkeit wäre in diesem Fall mE der eigentliche Nachteil und auch Mangel.
Kirchfahrter Archangelus und Andreas Molch seien für die Hinweise gedankt.
Zugunsten von „gebendeit unter den Weibern“ spricht meiner Meinung nach aber die Tatsache, dass das uralte, längst nicht mehr gebräuchliche Wort „gebenedeit“ besser mit dem ebenfalls uralten Begriff „Weiber“ harmoniert als mit „Frauen“ – übrigens auch lautmalerisch.
Aber wie dem auch sei: Das Volksmissale von Pater Ramm ist auf jeden Fall ein echtes Meisterwerk. Es wurde zur rechten Zeit herausgegeben.
Pater Ramm sage ich dafür ein ewiges „Vergelt’s Gott“.
Das würde ich nun gerade andersherum sehen. Die Benedeiung ist mit ein Grund, warum Maria eben nicht irgendein „Weib“ ist, sondern eine „Frau“ (der heute deutsche Begriff „Frau“ rührt ja letztlich vom mittelalterlichen Bild der „hohen Frouwe“ her; wobei Frouwe („Herrin“) letztlich die Ableitung von Fro („Herr“, vgl. Fronleichnam – „des Herren Leib“) ist. Gerade die Benedeiung durch Gott macht aus dem Weib die Frouwe.
Ich persönlich bin mit meinem Buch sehr zufrieden. Es ist „Das vollständige Römische Meßbuch lateinisch und deutsch“ Pius V., geordnet im Auftrag des dogmatischen Konzils von Trient und befohlen am 14.7.1570 vom hl. Papst Pius V.
Es ist das Messbuch bis zum Tode Pius XII. 1958 mit den vollständigen Orationen, also nicht nur der – wie in der Messe nach 1962 üblichen – einen Oration, einen Secreta und einen Postcommunio am Sonntag, sondern drei Orationen, ebenfalls dem Credo an den Festen der Kirchenlehrer, ebenso dem Benedicamus Domino in der Advents- und Fastenzeit anstelle des Ite missa est und vieles mehr…
Niemand sagt, jemand, der ein Messbuch hat und damit zufrieden ist, müsse oder solle sich ein neues kaufen, schon gar kein bestimmtes.
Lieber Christoph Hagen,
ich habe noch einmal in meiner Erstauflage des Volksmessbuches von Pater Ramm (Imprimatur von April 2015) recherchiert und muss sagen: sie haben recht.
Pater Ramm hat tatsächlich den gesamten lateinischen Text komplett neu ins deutsche übersetzt und dabei die „Weiber“ der originalen Fassung von 1962 durchweg durch „Frauen“ ersetzt.
Mein Eindruck des Nebeneinanders von älterer und neuerer Übersetzung war ein Irrtum und trifft bei diesem Volksmessbuch nicht zu. Ich bitte das Versehen zu entschuldigen.
Die Anschaffung dieses Volksmissales kann ich Ihnen nur wärmstens empfehlen.
Kleine Korrektur in meinem Kommentar an Christoph Hagen:
„… und muss sagen: Sie haben recht.“
Die „offiziell geltende Rechtschreibung“ ist schlecht, man sollte bei der bewährten Rechtschreibung bleiben, die viel besser lesbar und auch nicht mit so manchem Unsinn behaftet ist.
Was das Blättern betrifft: In meiner Ausgabe gibt es feste Bändchen, bei deren sachgemäßér Verwendung ein wildes Blättern unnötig ist.
Konnte mir jetzt in natura das Angelus Press Missal der FSSPX ansehen. Davon eine lat.-dt. Ausgabe wäre evtl die bessere Alternative als ein bloßer reprographischer Nachdruck des Schott.
Eine solche lat.-dt. Ausgabe sollte aber das Format des normalen Volksmissale haben, damit das Druckbild etwas größer wird als in der amerikanischen Ausgabe. Auch der Einband des amerikanischen Buches überzeugt mich nicht. Irgendein ganz dünner Kunststoff in Lederoptik. Da wäre Rindsleder besser, dauerhafter und auch der Würde des Buches angemessener, finde ich. Freilich kann man jedes Buch in eine passende Reißverschlusshülle aus Echtleder geben.