(London/Rom) Am Sonntag, an dem der kleine Alfie Evans laut richterlichem Urteil sterben sollte, nahm Papst Franziskus zum Fall Stellung. Den Eltern wurde zuvor von einem Londoner Berufungsgericht in einem Spotturteil beschieden, daß im Zweifel zwischen dem Elternrecht und den Interessen des Kindes, das „Kindeswohl“ Vorrang habe.
Stellungnahme von Papst Franziskus
In der Vergangenheit hatte das Kirchenoberhaupt bereits mit einem Twittereintrag auf Alfie Bezug genommen. Die Eltern und Verwandten des Kindes hofften auf eine päpstliche Stellungnahme und setzen große Hoffnung darauf. Der Papst sprach im Rahmen des mittäglichen Regina Coeli über das kleine Kind:
„Ich vertraue Eurem Gebet Menschen wie Vincent Lambert in Frankreich, den kleinen Alfie Evans in England und weitere in verschiedenen Ländern an, die – manchmal seit langem – in einem Zustand schwerer Krankheit leben und für die primären Bedürfnisse medizinisch versorgt werden. Es sind heikle, sehr schmerzhafte und komplexe Situationen. Beten wir dafür, daß jeder Kranke immer in seiner Würde respektiert und auf eine Weise gepflegt wird, die seinem Zustand entspricht, mit der Zustimmung seiner Familienangehörigen, der Ärzte und der anderen Gesundheitsfachkräfte, mit großem Respekt für das Leben.“
Stellungnahme von Msgr. Paglia
Gleichzeitig nahm der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Kurienerzbischof Vincenzo Paglia zum Fall Alfie Evans Stellung:
„Der Fall des kleinen Alfie Evans von Liverpool, seiner jungen Eltern Tom und Kate und aller Menschen, die in diesen langen Monaten der Krankheit sich auf verschiedene Weise für das Wohl dieses Kindes eingesetzt haben, zeigt in diesen Tagen seine ganze schreckliche Tragik.
Ich bete für ihn und für die beteiligten Personen und bitte alle, sich dieser Intention vor dem Herrn des Lebens anzuschließen.
Ich hoffe sehr stark, daß wieder ein Dialog und eine Zusammenarbeit zwischen den verständlicherweise vom Schmerz verzehrten Eltern und der Krankenhausleitung, in dem Alfie bis heute behandelt wurde, gefunden werden könne, damit sie gemeinsam das Gesamtwohl von Alfie suchen und die Obsorge für sein Leben nicht auf einen Rechtsstreit reduziert werde.
Alfie kann nicht aufgegeben werden, Alfie muß geliebt werden bis zum Letzten, und ebenso seine Eltern.“
Die schriftliche Stellungnahme trägt das Datum vom Samstag und wurde von Erzbischof Paglia offenbar blanko unterzeichnet, da sich der Text auf einem ersten Blatt, seine Unterschrift aber unzusammenhängend auf einem zweiten Blatt befindet.
Die Enttäuschung über das Erzbistum Liverpool
Die Hinrichtung des kleinen Alfie durch Abstellen der lebensnotwendigen Sauerstoffzufuhr war zuerst für Freitag, dann für Sonntag angekündigt worden. Die katholischen Eltern fühlen sich durch den Erzbischof von Liverpool im Stich gelassen. Sie hatten sich wegen des Sakramentes der Krankensalbung an einen Priester in Liverpool gewandt, der ihnen zur Antwort gab: „It is not my job“. In einem Appell wandten sie sich darauf an den Erzbischof.
Sie erhielten ein mit 13. April datiertes Schreiben im Namen des Erzbischofs. Mit keinem Wort wird darin ein Zweifel an den Entscheidungen des Krankenhauses oder der Richter geäußert. Vielmehr wurden deren Formulierungen und Schlußfolgerungen übernommen. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal würden, so das erzbischöfliche Schreiben, „zum Wohl des Kindes“ handeln, während die Eltern nur „Wünsche“ vortragen würden. Eine eindeutige Parteinahme, oder anders gesagt: Von erzbischöflicher Seite wurde nicht einmal der Versuch unternommen, eine neutrale Position einzunehmen. Dem Erzbistum scheint es mehr um die guten Beziehungen zum Krankenhaus zu gehen als um das Schicksal von Alfie Evans. Diese guten Beziehungen werden namentlich im Zusammenhang mit Weihbischof Tom Bishop erwähnt. Das Schreiben wurde vom Erzbistum weder der Presse übergeben noch auf der Internetseite veröffentlicht. Unverständlich ist daher, weshalb ein solches Schreiben vom Amt für Presse und Öffentlichkeitsarbeit des Erzbistum stammt.
Die Krankensalbung durch Don Gabriele
Ein in London lebender italienischer Priester, Don Gabriele, hörte von dem Appell und eilte am Samstag nach Liverpool.
„Als ich den Appell der Eltern hörte, daß das Kind noch nicht dieses Sakrament empfangen hatte, habe ich mich auf den Weg gemacht, um ihnen zu sagen, daß ich hier bin, um das Sakrament zu spenden.“
Die Eltern nahmen ihn dankbar auf und so konnte Alfie noch am Samstag die Krankensalbung empfangen.
Für das Verhalten der Richter und seine Entscheidungen zeigte der Priester wenig Verständnis:
„So zu denken beginnt man, wenn das Leben nicht mehr heilig ist.“
Die Eltern wollten Alfie nach dem Todesurteil von Richter Thomas Hayden am Donnerstag abend in das Päpstliche Krankenhaus Bambino Gesu nach Rom überstellen, was aber vom behandelnden Alder Hey Hospital abgelehnt wurde. Warum eigentlich? Weil Alfie vielleicht sterben könnte?
Das „Wohl“ des Kindes steht über dem Elternrecht
Darauf wandten sich die Eltern mit einem Eilantrag gegen die Verletzung ihres Elternrechtes an die Gerichtsbarkeit. Darüber entschied gestern ein Berufungsgericht in London. Dem Richtersenat gehörte auch Richterin Eleanor King an, die am 11. April 2017 das Todesurteil gegen den kleinen Charlie Gard im London Ormond Street Hospital und am 20. Februar 2018 bereits das Todesurteil gegen Alfie Evans bestätigt hatte.
Der Eilantrag der Eltern wurde gestern um 16. 30 Uhr zurückgewiesen. Die Begründung wirkt wie blanker Hohn: Es sei „für das Wohl“ des Kindes besser, Alfie nicht in eine andere Struktur zu überstellen, weil das seine Gesundheit gefährden könnte. Die Richter erklärten, daß das Elternrecht nicht „über dem Wohl“ des Kindes stehen könne. In einem Konflikt zwischen den Eltern und den Interessen des Kindes hätten letztere zu überwiegen. Auf diese Weise verschleiern die Richter die Euthanasie, die an Alfie Evans auf Wunsch des Krankenhauses und durch Urteil von Richter Thomas Hayden praktiziert werden soll.
Dagegen bleibt den Eltern noch ein Einspruch beim Obersten Gerichtshof, der heute innerhalb 16 Uhr in London einzubringen ist. Die Anwälte begannen nach der Urteilsverkündung sofort mit der Vorbereitung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: LifeSiteNews/Nuova Bussola Quotidiana/Breviarium (Screenshots)