
(Rom/Peking) Was hat ein vatikanischer Workshop zum Thema Menschenhandel mit der Volksrepublik China und dem Konkordat von 1801 mit Napoleon Bonaparte zu tun?
Workshop zum Thema Menschenhandel im Vatikan
Am 12./13. März fand im Vatikan der Workshop Modern Slavery, Human Trafficking & Access to Justice for the Poor & Vulnerable. Es war die zweite Veranstaltung dieser Art, an der eine offizielle Delegation der Volksrepublik China teilnahm. Organisiert wurde der Workshop von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, dem politischen Arm von Papst Franziskus. Dieser lobte in den vergangenen sieben Monaten das kommunistische Großreich gleich dreimal als das Land, das weltweit die kirchliche Soziallehre „am besten“ umsetzt. Das Treffen fand in der Casina Pio IV in den Vatikanischen Gärten statt, die Sitz der Päpstlichen Akademien der Wissenschaften und der Sozialwissenschaften ist. Unterstützt wurde der Workshop vom UN Sustainable Development Solutions Network, Religions for Peace und der University of Notre Dame (Indiana, USA).

Als Redner traten unter anderem der vatikanische Außenminister, Kurienerzbischof Paul Gallagher, der UN-Ökonom Jeffrey Sachs, der Generaldirektor der Europäischen Kommission, Stefano Monservisi und Wang Haibo, ein hoher Funktionär des volkschinesischen Gesundheitsministeriums auf, der bereits 2017 an der ersten Veranstaltung mit Beteiligung Pekings dabei war.
Die regimenahe, englischsprachige Tageszeitung Global Times bezeichnete die Teilnahme Chinas am vergangenen Sonntag als „Austausch zur Förderung des gegenseitigen Respekts“.
Wie die Zeitung berichtete, hätten im vergangenen Jahr 5.100 chinesische Bürger „freiwillig“ die Bereitschaft erklärt, nach dem Tod Organe zu spenden. Damit hätten mehr als 16.000 Menschen gerettet oder ihr Leben verbessert werden können.
Als Geste der „Förderung des gegenseitigen Respekts“ ist auch die Vorstellung des Gesprächsbuches von Papst Franziskus über Lateinamerika zu sehen, die am kommenden 19. März in Peking stattfinden wird.
Spadaro, Peking und Napoleon
Heute warb Antonio Spadaro SJ, Chefredakteur der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica und einer der engsten Vertrauten von Papst Franziskus, auf Twitter für ein Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China. Dazu veröffentlichte er ein Bild der französisch-italienischen Verlautbarung, mit der die Unterzeichnung des Konkordats vom 13. Februar 1801 zwischen Napoleon I. und Papst Pius VII. bekanntgegeben wurde.
Spadaro schrieb dazu:
„In welcher Hinsicht ähnelt das Konkordat von 1801 zwischen Napoleon Bonaparte und dem Heiligen Stuhl von Pius VII. der Situation zwischen Franziskus und China unter Xi Jinping? Könnte ein Rückblick auf die Geschichte der Kirche hilfreich sein?“

Mit dem Tweet verweist Spadaro auf einen Aufsatz von Giovanni Sale SJ in der neuen Ausgabe der Civiltà Cattolica. Sale, der Haushistoriker der römischen Jesuitenzeitrschrift, spricht von „Widersprüchen“, die im Konkordat enthalten waren, vor allem was die freie Religionsausübung betraf, macht sich aber das Urteil „vieler Historiker“ zu eigen, daß das Konkordat „auf lange Sicht dem Papsttum mehr genützt hat als dem modernen Staat“.
Sales Schlußfolgerung:
„Pius VII. war demnach nicht nur ein heiliger Papst, sondern auch ein Mann von großem Weitblick und politischer Klugheit: Er verstand es, die Kirche in einem der schwierigsten Momente ihrer Geschichte von einer historischen Epoche zu einer anderen zu leiten.“
Das Tweet seines Chefredakteurs Spadaro, scheint Sales Einschätzung zu Pius VII., auf Papst Franziskus und seine Bestrebungen zu übertragen, mit dem kommunistischen China zu einem Abkommen zu gelangen.
Spott der Revolutionäre: Pius „der Letzte“
Im Zuge der Französischen Revolution von 1789 kam es zum Bruch zwischen der französischen Republik und dem Heiligen Stuhl. Die Kirche wurde völlig zerschlagen, die katholische Religionsausübung abgeschafft und der katholische Kultus verboten. Die Kirchen wurden vom Staat beschlagnahmt und geschlossen oder zweckentfremdet (in Magazine, Stallungen, Bordelle, Versammlungsorte, Sitze von Revolutionsclubs, Geschäfte). 1790 errichtete die verfassungsgebende Versammlung eine gallikanische Nationalkirche. Papst Pius VI. verurteilte deren Bischöfe und Priester als Schismatiker.
Pius VI. war von französischen Truppen in Rom gefangengenommen und nach Frankreich verschleppt worden. Er starb 1799 als Gefangener in der Festung Valence. Die Revolutionäre verspotteten ihn als Pius den Letzten. Sie sahen mit seinem Tod das Ende der Kirche gekommen.

Da Rom französisch besetzt war, konnte erst ein dreiviertel Jahr später unter Mühen und österreichischem Waffenschutz in Venedig ein neuer Papst gewählt werden. Das Konkordat war der päpstliche Versuch, in dieser schwierigen Situation ein Minimum an Rechtssicherheit für die Kirche wiederherzustellen. Napoleon war interessiert, seine Herrschaft abzusichern und die Revolution zu beenden. Das sollte auch gegenüber der Kirche verdeutlicht werden.
Mit dem Konkordat wurde das Verhältnis zwischen Staat und Kirche neu geregelt, wobei Napoleon bestrebt war, sich die Kirche insgesamt botmäßig zu machen. Das Schisma von 1791 konnte mit dem Konkordat überwunden werden. 1806 kam es dennoch zum Bruch mit Napoleon, als dieser den Papst zu seinem Untertanen erklärte und von ihm verlangte, gegen seine Feinde zu mobilisieren. 1809 ließ Napoleon den Papst in Rom verhaften und wie seinen Vorgänger gefangensetzen, zuerst in Italien, ab 1812 in Frankreich. Erst der Sieg über Napoleon im Jahr 1814 brachte für den Papst die Freilassung und seine Rückkehr nach Rom. Für Frankreich brachte sie Wiederherstellung der freien Religionsausübung der Kirche.
Das Konkordat von 1801 blieb bis 1905 in Geltung. Die unruhigen politischen Verhältnisse mit mehren Revolutionen und Regimewechseln erlaubten keine Verbesserungen mehr. Vielmehr wurde das Konkordat von Frankreich 1905 einseitig aufgekündigt, als sich in der Dritten Republik radikale kirchenfeindliche Kräfte durchsetzten. Mit dem Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche wurde die Laicité, der Laizismus, zur Staatsdoktrin erhoben und die katholische Kirche aus dem öffentlichen Leben des Staates verbannt. Die katholische Kirche ist seither in Frankreich nur mehr ein privatrechtlicher Verein.
Ob Pater Spadaro auch diese Entwicklung vor Augen hatte?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Twitter/Vatican Insider/La Civiltà Cattolica/Wikicommons (Screenshots)
Nach Daniel le Roux, Petrus, liebst du mich? (FSSPX), war schon Johannes Paul II. gegenüber der chinesischen Führung sehr nachgiebig. So ersetzte er (1980?) den Nuntius in Taiwan durch einen simplen Geschäftsträger, um Rotchina zu beschwichtigen. Die Nationalchinesen fühlten sich im Stich gelassen.
Nach le Roux hatte auch Kardinalstaatsekretär Casaroli (nicht verwunderlich) seine Finger im Spiel.
Auch anderweitig versuchte man päpstlicherseits den Kommunisten sehr entgegenzukommen. Peking verbat sich trotzdem die „Einmischung“ (etwa im Fall von Bischof Dominic Tang SJ).
Johannes Paul II. suchte unbedingt den „Dialog“ mit Peking. Das ist sehr erstaunlich, wenn man bedenkt, der „Dialog“ mit dem teuflischen Lügensystem des Kommunismus nur eine Stärkung des letzteren gebracht hatte. Gerade als Pole mußte der Papst das wissen.
Wie auch immer: Nach le Roux ist die derzeitige Chinapolitik des Vatikans (die man ohne weiteres als „Verrat“ bezeichnen kann) offenbar nicht ganz ohne Vorbild von vor ca. 35 Jahren.
Korrekturen: Es war nicht der Nuntius in Taiwan sondern der Pro-Nuntius.
Mit „Nationalchinesen“ sind die taiwanesischen Katholiken gemeint.