Jesuitenzeitschrift rechtfertigt Missale-Übersetzungen durch Bischofskonferenzen


Die Civiltà Cattolica und die Übersetzung der liturgischen Texte in die Volkssprachen. Im Bild: italienisches Missale mit Zweitem Hochgebet und Wandlungsworten "für alle"
Die Civiltà Cattolica und die Übersetzung der liturgischen Texte in die Volkssprachen. Im Bild: italienisches Missale mit Zweitem Hochgebet und Wandlungsworten "für alle"

(Rom) Seit dem demü­ti­gen­den Schrei­ben von Papst Fran­zis­kus vom 15. Okto­ber gegen Kar­di­nal Robert Sarah, Prä­fekt der römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sakra­men­ten­ord­nung, „besteht kein Zwei­fel mehr bezüg­lich der wirk­li­chen Absich­ten des Pap­stes in Sachen Über­set­zung der lit­ur­gi­schen Tex­te des latei­ni­schen Ritus in die moder­nen Spra­chen, die zur Gän­ze den Natio­nal­kir­chen über­tra­gen wur­de mit einer vati­ka­ni­schen Bewil­li­gung, die zur blo­ßen For­ma­li­tät redu­ziert ist“. Soweit der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster zu einem Arti­kel der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca, dem „Haus­or­gan“ von San­ta Mar­ta, mit dem die „Dezen­tra­li­sie­rung“ der Kir­che, Kri­ti­ker spre­chen von einer „Frak­tio­nie­rung“ der Welt­kir­che, gerecht­fer­tigt wird. Die Jesui­ten waren bereits in den ver­gan­ge­nen Jah­ren mit unge­wöhn­li­chen The­sen her­vor­ge­tre­ten („Vene­zia­ni­sche Zweit­ehe“; „War Luther wirk­lich ein Häre­ti­ker?“), um den neu­en Kurs von Papst Fran­zis­kus zu stützen.

Schreiben von 1969 aus der Versenkung geholt

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In der neu­en Aus­ga­be (Nr. 4018, S. 311–324) ver­tritt Cesa­re Girau­do SJ mit dem Arti­kel „Magnum prin­ci­pi­um und die lit­ur­gi­sche Inkul­tu­ra­ti­on im Sin­ne des Kon­zils“ die The­se, daß Motu pro­prio Magnum prin­ci­pi­um kei­ne Neue­rung sei, son­dern ledig­lich ein „Rück­erstat­ten“ von Zustän­dig­kei­ten an die natio­na­len Bischofs­kon­fe­ren­zen, die die­se bereits hät­ten. Die Über­tra­gung an die­se sei in Wirk­lich­keit nicht erst jetzt erfolgt, son­dern bereits 1969, also im Zuge der Lit­ur­gie­re­form. Daß die­se die radi­kal­ste der Kir­chen­ge­schich­te war, wird nicht wei­ter defi­niert, son­dern unein­ge­schränkt posi­tiv wiedergegeben.

Girau­do spricht von einer „Instruk­ti­on“ und meint den Brief „Com­me le pré­voit“ des Con­si­li­um ad exse­quen­dam con­sti­tu­tio­nem de sacra lit­ur­gia. Die­ser Rat wur­de 1964 von Paul VI. zur Durch­füh­rung der Kon­sti­tu­ti­on der hei­li­gen Lit­ur­gie Sacro­sanc­tum con­ci­li­um des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ein­ge­führt und bestand bis 1970. Vor­sit­zen­der war Kar­di­nal Gia­co­mo Ler­ca­ro, Sekre­tär der spä­te­re Kuri­en­erz­bi­schof Anni­ba­le Bug­nini. Sie zeich­ne­ten für die Lit­ur­gie­re­form ver­ant­wort­lich. Das Schrei­ben stammt vom 25. Janu­ar 1969. Zu der Zeit war Kar­di­nal Ler­ca­ro bei Paul VI. bereits in Ungna­de gefal­len und durch den Schwei­zer Kar­di­nal Ben­no Gut ersetzt wor­den, der Prä­fekt der Riten­kon­gre­ga­ti­on – also ein Vor­gän­ger von Kar­di­nal Sarah – war.

Die trei­ben­de Kraft des Con­si­li­um blieb Msgr. Bug­nini, auch was die­ses Schrei­ben betrifft. Es „galt aber bald aus ‚ideo­lo­gi­schen Grün­den‘ als tot, als die Geg­ner der Lit­ur­gie­re­form Ober­hand gewan­nen“, so Magi­ster, der dazu den Reli­gi­ons- und Kul­tur­so­zio­lo­gen Pie­tro de Mar­co zitier­te. Tat­sa­che ist, daß das Schrei­ben Com­me le pré­voit nicht als eine der inzwi­schen fünf Instruk­tio­nen zur ord­nungs­ge­mä­ßen Durch­füh­rung der Lit­ur­gie­kon­sti­tu­ti­on des Kon­zils gerech­net wird.

So blieb es, bis nun Papst Fran­zis­kus die­ses Schrei­bens wie­der aus der Ver­sen­kung hol­te, um damit – ganz einem Mot­to sei­nes Pon­ti­fi­kats fol­gend – einen Sieg der „Rän­der“ über das vati­ka­ni­sche Zen­trum durchzusetzen.

Einschreiten gegen Kardinal Sarah „notwendig“

Kardinal Sarah in Nursia
Kar­di­nal Sarah in Nursia

Kar­di­nal Robert Sarah, den Fran­zis­kus mit Magnum prin­ci­pi­um umging, wird als ein letz­ter Ver­tre­ter die­ses römi­schen „Zen­tra­lis­mus“ hin­ge­stellt. Gegen ihn habe der Papst ein­schrei­ten müs­sen, so die Dar­stel­lung der Civil­tà Cat­to­li­ca, um die­se römi­sche Gegen­be­we­gung zu neu­tra­li­sie­ren. Zu die­sem „Ein­schrei­ten“ gehört für die Jesui­ten­zeit­schrift offen­bar nicht nur das unge­wöhn­li­che Papst­schrei­ben vom 15. Okto­ber, son­dern auch die Tat­sa­che, daß Kar­di­nal Sarah bezüg­lich Magnum prin­ci­pi­um vom Papst hin­ter­gan­gen wurde.

Der Kar­di­nal, obwohl vom Papst unmiß­ver­ständ­lich dazu auf­ge­for­dert, sei­ne Richt­li­ni­en zur Umset­zung des Motu pro­prio zurück­zu­neh­men und allen Bischö­fen der Welt­kir­che die­se Rück­nah­me schrift­lich mit­zu­tei­len, ist die­ser For­de­rung bis­her nicht nach­ge­kom­men. Die Gefähr­dung der kirch­li­chen Ein­heit in der hei­li­gen Lit­ur­gie dürf­ten für den Kar­di­nal zu real sein.

Päpstliche Programmatik

„Natür­lich kön­nen die The­sen der Civil­tà Cat­to­li­ca, wegen der äußerst engen Bezie­hun­gen zwi­schen bei­den, Papst Fran­zis­kus per­sön­lich zuge­schrie­ben wer­den. Sie sind in vol­lem Umfang Teil sei­nes Gesamt­pro­jekts, die Kir­che von mono­li­thisch zu föde­ral wei­ter­zu­ent­wickeln, wo jede Natio­nal­kir­che mit umfas­sen­der Auto­no­mie aus­ge­stat­tet ist, ‚auch ein­schließ­lich einer gewis­sen authen­ti­schen Lehr­au­tori­tät‘ (Evan­ge­lii gau­di­um, 32)“, so Magi­ster. Gemeint ist, daß jeder Arti­kel der Civil­tà Cat­to­li­ca vor­ab die Druck­erlaub­nis des Vati­kans braucht. Papst Fran­zis­kus übt zu wich­ti­gen The­men das Amt des Zen­sors per­sön­lich aus. Unter sei­nem Pon­ti­fi­kat ver­steht sich die Jesui­ten­zeit­schrift als bedin­gungs­lo­ses Sprach­rohr des ersten Jesui­ten auf dem Papstthron.

Im zitier­ten Absatz 32 von Evan­ge­lii gau­di­um fin­den sich die pro­gram­ma­ti­schen Aus­sa­gen, die eine Revo­lu­ti­on des Kir­chen­ver­ständ­nis­ses bedeu­ten wie es in der zer­split­ter­ten Umset­zung von Amo­ris lae­ti­tia kon­kre­te Gestalt annimmt und sich am Hori­zont bereits für das Prie­ster­tum abzeich­net. Fran­zis­kus spricht dar­in von einer „Neu­aus­rich­tung des Papst­tums“, bezeich­net sich pro­gram­ma­tisch nur als „Bischof von Rom“ und spricht von einer „neu­en Situa­ti­on“ der „Pri­mats­aus­übung“. Die „alten Patri­ar­chats­kir­chen“ ver­gleicht er mit den „Bischofs­kon­fe­ren­zen“.  Der „Wunsch“ einer „kol­le­gia­len Gesin­nung“ habe aber „noch nicht deut­lich genug“ in „kon­kre­ter Ver­wirk­li­chung“ Nie­der­schlag gefun­den. Die Bischofs­kon­fe­ren­zen bräuch­ten „kon­kre­te Kom­pe­tenz­be­rei­che“, eben „auch ein­schließ­lich einer gewis­sen authen­ti­schen Lehr­au­tori­tät“. Dazu kri­ti­siert Fran­zis­kus eine „über­trie­be­ne Zen­tra­li­sie­rung“, die „das Leben der Kir­che und ihre mis­sio­na­ri­sche Dyna­mik“ kom­pli­zie­re, „anstatt ihr zu helfen“.

Kri­ti­ker sehen in die­sem struk­tu­rel­len Reform­an­satz das Kon­stru­ie­ren von Pro­ble­men, die es so in Wirk­lich­keit nicht gebe. Auto­no­no­mie­stre­ben unter­ge­ord­ne­ter Stel­len sei per se nicht bereits posi­tiv, son­dern begrün­dungs­be­dürf­tig. Vor allem kann sich dahin­ter leicht ein Macht­stre­ben unter ande­ren Vor­zei­chen verbergen.

Die Provokation

Eine gleich mehr­fa­che Pro­vo­ka­ti­on in Girauds Arti­kel stellt das Titel­bild dar. Es ent­hüllt ohne Wor­te mehr noch als der Text das Gedan­ken­gut hin­ter dem Arti­kel. Es zeigt ein auf­ge­schla­ge­nes Mis­sa­le in der ita­lie­ni­schen Volks­spra­che. Es ist aber nicht irgend­ei­ne Sei­te auf­ge­schla­gen. Das Bild will offen­bar Bot­schaft sein. Es zeigt demon­stra­tiv die Wand­lungs­wor­te in der Über­set­zung des „pro mul­tis“ als „für alle“ und kei­nes­wegs zufäl­lig das mit der Lit­ur­gie­re­form von 1969 ein­ge­führ­te, umstrit­te­ne Zwei­te Hoch­ge­bet, in dem der Opfer­cha­rak­ter der hei­li­gen Mes­se fehlt.

Neu­see­lands Bischö­fe gaben bereits bekannt, daß sie von der Zustän­dig­keits­über­tra­gung Gebrauch machen wol­len. Offen­bar mit dem Ziel, auch die von Bene­dikt XVI. drin­gend gewoll­te Über­set­zung des „pro mul­tis“ als „für vie­le“ wie­der rück­gän­gig zu machen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: La Civil­tà Cat­to­li­ca (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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1 Kommentar

  1. Die Spal­tung der r.-k. Kir­che wird sich Schritt um Schritt und schier unauf­halt­sam fort­set­zen, so scheint es der­zeit. Aber dass Papst Fran­zis­kus und all jene, die ihn im Vor­kon­kla­ve auf den Schild geho­ben hat­ten, nun­mehr – falls nie­mand Ein­halt gebie­tet oder eine Kehrt­wen­de aus eige­ner Ein­sicht statt­fin­det – mit schwe­rer Schuld bela­den sind, dürf­te wohl fest­zu­stel­len sein. Soll­te es sich gar um eine Sün­de wider den Hei­li­gen Geist han­deln – und danach riecht es bereits -, dürf­ten die per­sön­li­chen Fol­gen für das ewi­ge Heil der ver­ant­wort­li­chen Akteu­re gra­vie­rend sein (soweit dies für sie über­haupt noch eine Rol­le spielt).

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