Von Wolfram Schrems*
Die Geschichte der Kirche ereignet sich unter den Bedingungen einer gefallenen Menschheit und somit unter der Einwirkung des Bösen. Aus diesem Grund sind die Gläubigen seit der Zeit der ersten Christenverfolgungen oft in großer Bedrängnis. Unter bestimmten Umständen nimmt das Standhalten in solchen Bedrängnissen und deren Überwindung eine militärische Dimension an. Dafür sind etwa Covadonga 722, Lepanto 1571 und Wien 1529 und 1683 sinnbildliche Ereignisse. Im deutschen Sprachraum weitgehend unbekannt ist das tapfere Standhalten in einer speziell grausamen Bedrängnis vor erst gut achtzig Jahren, am Beginn des Spanischen Bürgerkrieges.
Eine vor kurzem ins Deutsche übersetzte Novelle aus dem Jahr 1936 setzt diesem Ereignis ein Denkmal. Da die „offizielle“ Geschichtsvermittlung davon schweigt, soll hier ausführlich darauf eingegangen werden.
Die Autoren – ein illustres Duo
Robert Brasillach, 1909 in ein französisch-katalanisches Elternhaus geboren, war Literatur- und Filmkritiker, Chefredakteur der Zeitschrift Je suis partout („Ich bin überall“), Kriegsberichterstatter im Spanischen Bürgerkrieg und Romanautor. Ursprünglich war er „als Bewunderer und Schüler des nationalchauvinistischen Schriftstellers Charles Maurras zunächst im Umfeld der royalistischen Action Française (AF) aktiv“ (7), wandte sich jedoch von dieser „desillusioniert von der explizit antideutschen, daher auch antieuropäischen Zielrichtung“ ab. Nach 1940 wird er zu einem der prominentesten Kollaborateure des deutsch besetzten Frankreichs. Nachdem Charles de Gaulle alle Gnadengesuche aus dem In- und Ausland abgelehnt hat, wird Brasillach nach kurzem Prozeß am 6. Februar 1945 hingerichtet.
Henri Massis lebte von 1886 bis 1970. Er hat sich kein ähnliches internationales Renommee erworben. Er zählt innerhalb des „traditional-katholischen, rechtskonservativen Milieus zu den bekannten Gesichtern der schreibenden Zunft“ (9). Die „sozialrevolutionäre Dynamik“ des Faschismus schreckte ihn ab. Seine „Synthese aus soldatischem Nationalismus und mystischem Katholizismus“ führte ihn zur Bewunderung von Salazar und Franco, während er „Mussolini und vor allem aber Hitler klar ablehnte“ (10).
Das Spanien der 30er Jahre: kommunistischer Vernichtungskrieg gegen die Kirche
Bekanntermaßen begannen die barbarischen Greuel an Katholiken, unter ihnen Priester und Ordensfrauen, und die Brandanschläge auf Kirchen fünf Jahre vor der Erhebung der Generäle am 17. Juli 1936, wie vor wenigen Monaten auf dieser Seite publiziert wurde.
In Spanien vermischte sich der Furor von Anarchisten und Kommunisten mit an sich legitimen sozialen Anliegen. Wie an der Geschichte der Sowjetunion bis 1936 zu erkennen gewesen war, nützte der Kommunismus den Arbeitern allerdings gar nichts, denn diese wurden genauso zu Opfern der Massenmorde des neuen Systems. Aber das hatte sich aufgrund der sowjetischen Propaganda und ihrer westlichen Helfer (besonders raffiniert Stalin-Bewunderer Walter Duranty in der New York Times, der etwa den später als „Holodomor“ bekannten Hungergenozid am ukrainischen Volk 1932/33 ignorierte) noch nicht ausreichend herumgesprochen.
In Spanien begann die Revolution seit der Vertreibung von König Alfons XIII. 1931 massiv in die Öffentlichkeit zu treten. Und sie richtete sich gegen die traditionelle Gesellschaft und die Kirche. Das Chaos begann zu regieren. Viele Tote waren die Folge.
Nach längerem Zögern entschlossen sich die Militärs zum Einschreiten. Wie wir heute wissen, keinen Tag zu früh.
Die Autoren bringen die Stimmung im Volk auf den Punkt:
„[Seit] dem Mord an dem monarchistischen Abgeordneten Calvo Sotelo [am 13. Juli 1936] lebte ganz Spanien in ängstlicher Erwartung, was da kommen würde … Man spürte vage, daß das Heil nur durch eine allgemeine Erhebung gegen die marxistischen Banden, die überall den Terror regieren ließen, erreicht werden konnte“ (18).
Die Belagerung des Alcázar von Toledo
Die Festung mit der maurischen Bezeichnung Alcázar (von arabisch al-qaṣr, seinerseits aus dem lateinischen castrum, Burg, entlehnt) wurde als Militärakademie genutzt. Da in Toledo auf die Nachricht der Erhebung der Militärs gegen die Staatsmacht sofort ein Gegenschlag eingesetzt hatte, verschanzten sich über 1700 Personen, Offiziere, Militärakademiker, Angehörige der Guardia Civil und etwa 500 Frauen und Kinder unter dem Kommando von Militärgouverneur und Akademiekommandant Oberst José Moscardó Ituarte (1878 – 1956) in der Burg.
Die Roten hatten Luis, den sechzehnjährigen Sohn von Oberst Moscardó, in ihre Gewalt bekommen und drohten in einem Telephonanruf, ihn zu ermorden, wenn Moscardó den Alcázar nicht übergeben sollte. Das dramatische Telephonat zwischen Vater und Sohn ist filmisch und poetisch mehrfach thematisiert worden.
Der Oberst, durch den jahrelangen Kommunistenterror belehrt, wußte, daß auf die Übergabe des Alcázar mit höchster Wahrscheinlichkeit der Tod aller Belagerten, auch seines Sohnes, folgen mußte. Er lehnte ab.
Hier beginnt die Handlung der Novelle.
Standhalten in der Belagerung – eine sinnbildliche Situation
Die Autoren beschreiben die Schrecken der mehr als zweimonatigen Belagerung und die Zuversicht der Verteidiger, von denen nur sehr wenige desertierten oder Suizid begangen. Daß es sich hier nicht um eine „reguläre“ Kriegssituation handelt, ist am geradezu satanischen Furor der roten Milizionäre zu erkennen. Diesen ging es nicht um die erwähnten legitimen sozialen Anliegen, sondern um utopische Ziele („der neue Mensch“). Diesen stand eine verhaßte Kirche entgegen. Daher auch die oben erwähnten Greuel.
Weitere wurden angekündigt:
„In den Feuerpausen näherte sich ein Milizionär den Festungsmauern, um mit lauter Stimme die immer gleichen Drohungen zu verkünden: ‚Wir werden eure Frauen vergewaltigen, wir werden euch die Augen auskratzen, wir werden euch lebendig die Haut abziehen. Wir sind stark. Ihr seid erschöpft, krank und hungrig. Ihr werdet unterliegen, und keiner von euch wird lebend da herauskommen!‘ Was konnte dieses unverschämte Geschrei dieser Wilden ausrichten gegen das, was die Verteidiger des Alcázar in Hoffnung, Inbrunst und Gelassenheit einte?“ (38f).
Ist das nicht eine sinnbildliche Situation, die das Ringen des Gläubigen um das Gute und dessen Widerstand gegen das Böse in sich selbst und in seiner Umgebung drastisch abbildet?
Die Belagerung blieb dem Ausland natürlich nicht verborgen und erregte, trotz der tendenziellen Sympathie des „modernen“ Europas für die Roten, Aufmerksamkeit und Anstoß. Das führte zur Steigerung des mörderischen Furors:
„[Die rotspanische Regierung] wollte so schnell wie möglich die Proteste gegen die Dauer und die Grausamkeiten der Belagerung unterbinden, die bereits in vielen Teilen Europas, besonders in England, laut wurden. Man mußte daher um jeden Preis mit dem Alcázar fertigwerden!“ (79).
Die Belagerer kommen schließlich auf die Idee, die Burg mittels verminter Stollen zu sprengen. Tagelanges Bohren zehrt an der Nervenkraft der Belagerten. Dramatische Szenen spielen sich ab. Völlig überraschend werden aber alle Angriffe bis zum Entsatz der Burg zurückgeworfen.
Kirchenmänner als Kollaborateure der Volksfront-Republik
Die Lage des Klerus ist vertrackt: Baskische Priester stehen auf der Seite der Roten, weil sie auf eine baskische Autonomie oder Eigenstaatlichkeit hoffen. Auch andere Priester haben gute Kontakte zur linken Regierung und den terroristischen Milizionären.
Einer von ihnen wird von den Belagerern überraschend in den Alcázar gelassen. Er soll den Belagerten die Sakramente spenden. Er wird aber auch von den Belagerern mit der Übermittlung eines – wie ernst auch immer gemeinten – Angebots, den Frauen und Kindern freies Geleit zu gewähren, betraut.
Angesichts der Vorgeschichte glaubt man im Alcázar den Belagerern nicht, besonders die Frauen verwerfen den Plan:
„Als Oberst Moscardo am Morgen Pater Camaraso befragt hatte, welche Garantien für die Sicherheit der Frauen gegeben würden, hatte der Priester lediglich geantwortet: ‚Ich hoffe auf eine menschliche Behandlung‘. Doch der Vater des von den Roten erschossenen Jungen wußte aus Erfahrung, wie weit diese ‚Menschlichkeit‘ gehen konnte. Wieder einmal war es der unerschütterliche Wille der Frauen gewesen, der die Entscheidung brachte“ (71).
„Sin novedad en el Alcázar!“
Legendär geworden ist die Meldung des Kommandanten Moscardó vor dem Kommandanten der Entsatzarmee. Mit einer gewissen Bewegung liest man von diesem Zeugnis heroischer Gesinnung:
„Als Oberst Moscardo seine Offiziere und Soldaten im Hof des Alcázar versammeln ließ, um General Varela zu empfangen, trat er auf diesen zu und salutierte mit den Worten: ‚Keine besonderen Vorkommnisse, mein General!“ (94)
Resümee
In einer Zeit, in der eine Art Kulturmarxismus gleichsam zur Leitideologie des Westens geworden ist und in der der ziemlich rezente rote Terror gegen Kirche und Christen nicht im Bewußtsein der Öffentlichkeit verankert ist, ist die Novelle hochaktuell.
Dem Verlagschef Philip Stein ist für diese schöne und gelungene Ausgabe Dank und Anerkennung auszusprechen. Die Übersetzung ist gut lesbar, nur wenige Verschreibungen (die vielleicht schon im französischen Original vorkommen) und Unebenheiten sind dem Lektorat entgangen. Auf S. 8 wird Henri Massis als „Koautor“ des Buches bezeichnet, auf S. 106 Brasillach. Auch das sollte in einer Neuauflage geklärt werden.
Hilfreich sind die Anmerkungen, die der Verlag zur näheren Erläuterung dem Text beigegeben hat.
Der religiöse Aspekt des Kampfes um den Alcázar (also letztlich das Hauptmotiv des ganzen Bürgerkrieges) wird in der Novelle und in den Anmerkungen (Nr. 16 auf S. 107. „Mythos“ ist allerdings unzutreffend.) zwar thematisiert, hätte aber noch ein, zwei weitere Sätze durch den Herausgeber gebrauchen können.
Im Licht von Fatima
Keine zwei Jahrzehnte nach Fatima waren also die „Irrtümer Rußlands“ auch in Spanien auf blutige Weise zur Realität geworden. Es war kein blindes Verhängnis. Vieles hätte verhindert werden können.
Aber das ist ein eigenes Thema.
Henri Massis, Robert Brasillach, Die Kadetten des Alcázar, Jungeuropa Verlag, Dresden 2017, 110 S. Deutsch von Louise Feldt, Vorwort von Philip Stein (Original: Les Cadets de l’Alcazar, Librairie Plon, Paris 1936).
Der Rezensent möchte darauf hinweisen, daß andere Autoren des Jungeuropa-Verlages, etwa Alain de Benoist und Dominique Venner, auf mit dem katholischen Glauben nicht vereinbaren Voraussetzungen aufbauen. Teile der oft so genannten „Neuen Rechten“ verstehen sich als atheistisch oder neuheidnisch und stehen somit in einem gewissen Kontrast zu dem besprochenen Titel.
*MMag. Wolfram Schrems, Wien, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist, Interesse an Geschichtsschreibung und Geschichtsphilosophie.
Bild: Wikicommons