(Rom) Am 31. Oktober veröffentlichten der Lutherische Weltbund und der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen „zum Abschluß des gemeinsamen Reformationsgedenkjahres“ eine gemeinsame Stellungnahme.
In der Presseerklärung des Lutherischen Weltbundes heißt es zur Zielsetzung der „gemeinsamen Stellungnahme“:
„The goal of renewed theological dialogue is to fulfill the yearning of many Lutherans and Catholics ‚to receive the Eucharist at one table as the concrete expression of full unity‘.“
„Das Ziel des erneuerten theologischen Dialogs ist es, die Sehnsucht vieler Lutheraner und Katholiken zu erfüllen, ‚die Eucharistie an einem Tisch zu empfangen als konkreten Ausdruck der vollen Einheit‘.“
Damit wurde eine Formulierung wiederholt, die Papst Franziskus und der Vorsitzende des Lutherischen Weltbundes, Munib A. Younan, bereits vor einem Jahr, am 31. Oktober 2016, beim gemeinsamen Reformationsgedenken in Lund gebraucht hatten. Auf die Veranstaltung in Lund bezieht sich auch die Formulierung, daß nun mit der gemeinsamen Erklärung von Päpstlichem Einheitsrat und Weltbund das „gemeinsame Reformationsgedenkjahr“ abgeschlossen werde.
Sätze wie: „Es ist aufs Neue deutlich geworden, dass das, was uns eint, sehr viel mehr ist als das, was uns noch trennt“, erstaunen. Sie entsprechen zwar einer gefühlten Schwamm-drüber-Haltung der derzeitigen Führungsebene und von Gläubigen, die ihren Glauben kaum kennen, werden inhaltlich der Sache aber nicht gerecht.
Das beginnt bereits beim Begriff „Eucharistie“. Welche Einheit oder Gemeinsamkeit könnte erreicht werden, wenn nicht einmal Klarheit über die Eucharistie herrscht, und selbst wenn diese herrschen würde, hätten die Protestanten mangels Priestertum keinen Anteil daran.
Wie will man solche objektiven Hürden durch „Ich will“-Erklärungen überwinden?
Am 31. Oktober wurde vom Amt für Philatelie des Vatikans eine Luther-Briefmarke herausgegeben. Sie zeigt Luther auf den Knien. Die Briefmarke will offensichtlich den Katholiken ein neues Luther-Bild vermitteln.
Das Bild stammt aus dem Immaginarium von Papst Franziskus, der dann von „auf den Knien“ spricht, wenn er Überzeugungsarbeit leisten will. Als Kardinal Kasper wegen seiner These zu den wiederverheirateten Geschiedenen im Kardinalskonsistorium kritisiert wurde, eilte ihm Papst Franziskus zu Hilfe, indem er den Kardinäle erklärte, Kasper betreibe eine „Theologie auf den Knien“. Ähnlich verhielt sich Franziskus im Zusammenhang mit Luther und der Reformation vor einem Jahr in Schweden.
Das Bild will sagen: „Seht, wie fromm er doch ist“. Ein wirkliches Argument ist das allerdings nicht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Lutheranworld.org (Screenshots)
Schade, dass die „spirituellen und theologischen Gaben, die uns die Reformation geschenkt hat“ nicht explizit aufgeführt wurden. Vielleicht hat man ja gar keine nennen können? Auch das Narrativ, die Abspaltung vor 500 Jahren habe „den Leib des Herrn verletzt“ wird durch unverdrossene Wiederholung nicht richtiger, ist doch der mystische Leib des Herrn, die „una sancta“, nicht spaltbar.
Die gewählte betuliche Therapeutensprache verdeckt nicht, dass zum einen bezeichnenderweise die angeblichen „entscheidenden theologischen Übereinstimmungen“ nicht genannt werden (können), weil sie schlicht nicht existieren und zum anderen, dass es auf solche überhaupt nicht ankommen würde, selbst wenn es sie gäbe. Wer das katholische Glaubensgut voll umfänglich anerkennt, ist katholisch, wer dies nicht kann, greift heraus, ist mithin Häretiker. Tertium non datur, ein drittes gibt es nicht. Auf partielle „Übereinstimmungen“ kann es mithin nicht ankommen, vielmehr gilt: Ganz oder gar nicht.
Der Rest ist, präzise ausgedrückt, „Lull und Lall“, gefühliges Geschwätz. Schwammige Begriffe täuschen nicht darüber hinweg, dass Katholiken und Protestanten auch nach 500 Jahren uneins sind über die Anzahl der Sakramente, des Bibelkanons, der Priesterweihe, der Realpräsenz Christi im allerheiligsten Altarsakrament usw. Wäre dies anders, müßte sich der Text nicht weitschweifig über gemeinsame Treffen und miteinander mühsam ausgehandelte Erklärungen auslassen, sondern könnte sich darauf beschränken, harte Fakten zusammen zu fassen.
Übrigens wäre es doch angelegen, wenn die unzähligen protestantischen Denominationen einmal mit „der Überwindung von Spaltung und Zersplitterung“ bei sich selbst anfangen würden.