(Canberra) Erzbischof Philip Wilson von Adelaide in Australien wurde vom Vorwurf, sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen durch einen Kleriker vertuscht zu haben, freigesprochen.
Ein australisches Berufungsgericht hob am Donnerstag das Urteil gegen den ranghöchsten Kirchenvertreter auf, der bisher in Australien verurteilt wurde. Erzbischof Wilson war am vergangenen 22. Mai in erster Instanz von einem Gericht in Newcastle schuldig gesprochen und zu einem Jahr Hausarrest verurteilt worden, weil er den sexuellen Mißbrauch von zwei minderjährigen Ministranten durch den päderastischen Priester James Fletcher in den 1970er Jahren, von dem er Kenntnis erhalten habe, nicht zur Anzeige gebracht hatte.
James Fletcher hatte sich in den 70er Jahren in der Gegend von Hunter Valley an zwei Ministranten vergangen. Wilson wurde 1975 zum Priester geweiht und war in seiner ersten seelsorglichen Aufgabe der Pfarrei von Fletcher als Hilfspriester zugeteilt worden. Dort, so das Gericht, habe er von dem Mißbrauch erfahren.
1996 wurde Wilson zum Bischof von Wollongong ernannt. 2000 folgte die Ernennung zum Erzbischof-Koadjutor von Adelaide, wo er seit 2001 Erzbischof war.
Fletcher starb 2006 an einem Schlaganfall, als er wegen des Mißbrauchsfalles verurteilt werden sollte.
Erzbischof Wilson wurde nun vor Gericht gestellt und ihm vorgeworfen, er habe vor mehr als 40 Jahre als junger Hilfspriester die Strafverfolgung Fletchers „verhindert“, weil er ihn damals nicht zur Anzeige gebracht hatte.
Das Berufungsgericht erklärte, daß es „begründete Zweifel“ gebe, daß Wilson etwas vertuscht habe.
Der Erzbischof hatte immer seine Unschuld beteuert, weshalb er sich auch nach seiner Verurteilung weigerte, zurückzutreten. Der Prozeß und die Verurteilung waren von antikirchlicher Stimmungsmache begleitet. Obwohl die Verurteilung nicht rechtskräftig war, meldete sich sogar Australiens Premierminister Malcolm Turnbull zu Wort und forderte am 19. Juli Papst Franziskus auf, Erzbischof Wilson zu emeritieren. Turnball war 2002 zur katholischen Kirche konvertiert, der auch seine Frau angehört.
Papst Franziskus verlangte darauf Wilsons Rücktritt, der am 30. Juli dem Verlangen nachkam. Am 3. August ernannte Franziskus den Jesuiten Greg O’Kelly, Bischof von Port Pirie, zum Apostolischen Administrator für das Erzbistum. Die Emeritierung kam einer kirchlichen Verurteilung gleich.
Gestern wurde Erzbischof Wilson freigesprochen und die Verurteilung gegen ihn aufgehoben.
Der delegierte Administrator Philip Marshall erklärte in einer ersten Reaktion, daß die Kirche den Freispruch zur Kenntnis nehme und den Abschluß eines so „langwierigen und schmerzlichen Prozesses begrüßt“. Nun gelte es, die „Verzweigungen dieses Ergebnisses“ anzusehen.
Der Reaktion ist eine gewisse Verlegenheit anzumerken, weil Papst Franziskus auf Zuruf von außen möglicherweise eine voreilige Emeritierung vorgenommen hatte. Eine Rückkehr des 68 Jahre alten Erzbischofs in sein Amt gilt als ausgeschlossen, da es einem Gesichtsverlust des Papstes gleichkäme.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube (Screenshot)