
(New York) In der Sonntagsausgabe vom 11. Juni veröffentlichte die New York Times auf der Titelseite einen ungewöhnlichen Artikel. Laurie Goodstein forderte darin „religiös Liberale“ auf, den „politischen Kampf“ um die „Moralagenda der Nation“ aufzunehmen und erteilte für diesen „Kampf“ gleich Regieanweisungen. Jüngste Ereignisse deuten an, daß der Appell nicht ungehört verhallt ist. Dazu aber in einem eigenen Artikel.
Der Einfluß der New York Times: das Meinungsvernichtungs-NetzDG
Die New York Times, eindeutig dem linksliberalen Spektrum zuzuordnen, ist – ob es gefällt oder nicht – das wichtigste Medium der Welt. Was dort geschrieben steht, hat meinungsbildende Wirkung, weil ihre Leserschaft tonangebend ist.
Dennoch regiert heute in den USA ein Präsident gegen den Willen dieser Zeitung, die nichts unversucht ließ, die Wahl von Donald Trump zu verhindern. Die demokratischen Spielregeln haben in den USA unter Beweis gestellt, daß der Versuch einer Kontrolle der Massen dort an seine Grenzen stößt, wo diese Massen sich dieser Kontrolle einfach entziehen und von ihren demokratischen Rechten an der Wahlurne Gebrauch machen.
Die Reaktion auf diesen Tabubruch folgte stehenden Fußes. Bereits am 9. November, dem Tag nach der Wahl Trumps, machte die New York Times einen Schuldigen aus und gab Anweisungen, wie ein solcher Betriebsunfall künftig verhindert werden müsse. Der Schuldige sei Facebook, stellvertretend für die sozialen Netzwerke und insgesamt das Internet, das zu wenig Kontrolle unterliege und die Verbreitung nicht gewünschter Informationen und Nachrichten ermögliche. Natürlich klang das in der New York Times etwas anders. Unerwünschte Informationen“ wurden als Fake News bezeichnet, deren Verbreitung unterbunden werden müsse.
Seither haben wir in Westeuropa Gesetzentwürfe auf dem Tisch von Innen- und Justizministern und der Parlamente mehrerer Staaten liegen, mit denen das Internet geknebelt werden soll. Am 30. Juni drückte der Bundestag im Eilverfahren und ohne große öffentliche Debatte ein von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgelegtes Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) durch, das der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel ein „Meinungsfreiheitsvernichtungsgesetz“ nennt.
Das Beispiel verdeutlicht den Einfluß der New York Times als Stichwortgeberin. Die schnelle Reaktion von Bundesjustizminister und Bundestag erfolgte natürlich aus Eigennutz, dennoch verblüfft der chronologische Ablauf. Seit dem Artikel der New York Times vom 9. November ist der Begriff Fake News in aller Munde und wird von Politik und Medien der Vor-Internet-Ära angeblicher Handlungsbedarf als unumgänglich behauptet.
Neue Aufforderung: „Vorherrschaft der religiösen Rechten in Moralfragen brechen“
Am vergangenen 11. Juni erteilte die New Yorker Tageszeitung erneut eine Handlungsanweisung, diesmal an die „religiös Liberalen“. Der Artikel „Liberals Figthing for Their Faith“ handelt über religiöse Gruppen, meint aber politische Kategorien. Es geht um die Rückwirkungen auf die Politik und auch in diesem Fall um die nächsten Präsidentschaftswahlen. Der Anti-Trump-Eifer treibt die politisch Linken um, die in den USA „Liberale“ genannt werden. Gleiches gilt für das „Establishment“ gegen das Trump seine Wahl gewonnen hat.
Goodstein berichtet in der New York Times seit 1997 über Religionsfragen. Eine Aufgabe, die sie mit häufigen Angriffen gegen die katholische Kirche absolviert.
Die Journalistin analysiert in ihrem Artikel zunächst, daß in den USA linke religiöse Gruppen während des Präsidentschaftswahlkampfes von Donald Trump auf verschiedenen Feldern Terrain verloren haben. Dann fordert die Autorin religiöse Anführer mit „politisch linken Neigungen“ auf, in die politische Arena zu steigen, um einen „religiösen Widerstand gegen US-Präsident Donald Trump zu formieren“ und „die Vorherrschaft der religiösen Rechten über die Moral-Agenda des Landes zu brechen“.
Zur Begründung führt Goodstein an, daß diese „Vorherrschaft der religiösen Rechten“ dazu führe, daß „einige Personen sich ganz gegen Religion wenden, wie Studien zeigen“.
Kampffelder „Abtreibung“ und „Homo-Ehe“
Als Kampffelder, in denen die „Liberalen“ gegen die „religiöse Rechte“ mobil machen sollten, nennt die Autorin „die Legalisierung der Abtreibung und der Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen“. Zu diesen gesellschaftspolitischen Fragen fürchten die „Liberals“, daß die von ihnen durchgesetzten „Errungenschaften“ zurückgenommen werden könnten.
Der „Rechten“ solle die religiöse Linke „wirklich fundamentale, biblische Imperative“ entgegensetzen. Als solche nennt Goodstein den Einsatz „für die Armen“ und den „Schutz der Erde“.
„Das letzte Mal“, als die „religiöse Linke“ in den USA themenführend war, so die Autorin, sei bei den Protesten gegen den Vietnamkrieg gewesen. Damals waren „die Angehörigen des Klerus noch vorwiegend weiße Männer“. Heute sei das anders und müsse zu einer neuen Mobilisierung führen.
„Jetzt bilden Personen schwarzer Rasse und Latinos, Frauen und Homosexuelle die Lanzenspitze zusammen mit einer neuen Welle katholischer Aktivisten, die von Papst Franziskus inspiriert sind.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: New York Times (Screenshot)