
(Turin) Die beiden vergangenen Jahre waren sehr bewegt rund um das Grabtuch von Turin. Das sicher wichtigste Dokument des Jahres 2011 war der Bericht mehrerer vom Physiker Paolo Di Lazzaro geleiteter Wissenschaftler von ENEA. Sie verwiesen anhand reichbelegter Argumente die Möglichkeit einer mittelalterlichen Fälschung des Grabtuches ins Reich des Unmöglichen. Ihre Ergebnisse sind inzwischen publiziert und der Fachwelt zugänglich. Die Forschergruppe erbrachte den Nachweis, daß die künstliche Einfärbung eines Leinentuches, um die Tönungen des Grabtuches mit den menschlichen Umrissen zu erhalten, lediglich durch UV- und VUV-Strahlen eines Lasers erzielt werden könnten. Techniken, die mittelalterlichen Fälschern ebenso unzugänglich wie fremd waren.
Mittelalterliche Fälschung mit den damaligen Mitteln unmöglich
Im Februar 2012 erschien der Dokumentarfilm “La notte della Sindone“ (Die Nacht des Grabtuchs), eine italienische Produktion von Polifemo und RAI unter der Gesamtleitung von Francesca Saracino. Der Journalist Marco Tosatti von Vatican Insider hatte die Möglichkeit, den Film vorab zu sehen. Er bringt Licht in die Untersuchungen, die beteiligten Personen und die mysteriösen Begleiterscheinungen rund um die umstrittene Radiokarbon-Datierung des Grabtuches im Jahr 1988. Das Ergebnis der C14-Untersuchung nannte als Entstehungszeit des Grabtuches die Zeit zwischen 1290 und 1360. Ein Ergebnis, das heute von einem Gutteil der Wissenschaft bezweifelt wird. Unter der Vielzahl an Kritik sei lediglich der Bericht der Italienischen Gesellschaft für Statistik (SIS) genannt, die nach einer Fehlerkalkulation bei den C14- Untersuchungen von 1988 zu einer Glaubwürdigkeitsrate zwischen einem und höchstens fünf Prozent gelangte. Ein Ergebnis, das unter allen nur denkbaren wissenschaftlichen Standards liegt.
Radiokarbondatierung von 1988 „größter wissenschaftlicher Betrug aller Zeiten“
Für den Dokumentarfilm wurden Luigi Gonella, Franco Faia und Giovanni Riggi di Numana interviewt, die damals Mitarbeiter und Zeugen der Radiokarbon-Datierung des Grabtuches waren. Franco Faia beschrieb den damaligen Vorgang: „Es handelt sich um den größten wissenschaftlichen Betrug aller Zeiten.“
Die drei Labors in Tucson, Zürich und Oxford, die damals die C14-Datierung vornahmen, erhielten für die Untersuchung ein winziges Fragment des Grabtuches. Das Ergebnis entsprach exakt jener Zeit, aus der die ersten gesicherten historischen Belege für das Grabtuch stammen. Es wurde allerdings durch ständige Verletzung des wissenschaftlichen Prozederes erzielt. Die Eingriffe und Abweichungen von den wissenschaftlichen Standards waren so zahlreich, daß sie bald einen Schatten auf die Seriosität der Koordinierungsstelle der damaligen Untersuchung warfen. Die Rohdaten der Untersuchungen, die dem Abschlußbericht mit den Schlußfolgerungen zugrundelagen, wurden nie veröffentlicht trotz mehrfacher Aufforderung durch die Erzdiözese Turin, in deren Obhut sich das Grabtuch befindet und die ihre Zustimmung zur Erhebung erteilt hatte.
Dokumentarfilm faßt nach acht Jahren Arbeit den aktuellen Forschungsstand zusammen
Die beiden Autoren der Filmdokumentation, Francesca Saracino und Paolo Monaci haben über Umwege eine Kopie mit den Rohdaten bekommen. Der Statistiker Pierluigi Conti von der Universität La Sapienza in Rom überprüfte den seinerzeit veröffentlichten Bericht in der Fachzeitschrift Nature und stellte einen arithemtischen Fehler fest: „Es handelt sich um einen ganz simplen Fehler, den bereits andere vor mir auch schon festgestellt hatten. Ein kleiner arithmetischer Fehler, der jedoch entscheidend ist, da er den Eindruck vermittelt, als seien die drei Labors zur gleichen Datierung gelangt.“ Korrigiert man den Fehler, „gelangt man zum genau entgegengesetzten Ergebnis: das Alter des Grabtuchfragments, das vom Labor in Arizona datiert wurde, unterscheidet sich um 50–70 Jahre vom dem in den beiden anderen Labors datierten Material.“ Damit aber „sind die statistischen Schlußfolgerungen, die Nature zog völlig entkräftet“, so Conti. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam unabhängig davon und mit anderen statistischen Methoden auch der Statistiker Marco Riani von der Universität Parma.
Arithmetischer Fehler macht Datierungsversuch von 1988 wertlos
Die Italienische Gesellschaft für Statistik kam daher zum Schluß, daß so starke Unterschiede in winzigen Materialproben auf die Gesamtfläche des Grabtuches umgerechnet statistische Datierungsabweichungen von Hunderten, wenn nicht sogar Tausenden von Jahren ergeben können. Wissenschaftlich betrachtet, liefert der Datierungsversuch von 1988 somit keine ausreichenden Belege für eine Datierung des Grabtuchs ins Mittelalter, so Professor Riani.
Leiter des Oxforder Labors: „Viele Beweise, daß Grabtuch älter ist, als von uns datiert“
Der international renommierte Chemiker Raymond N. Roger hatte an der Stelle, an der die Materialproben für die drei Labors entnommen worden waren, Spuren von Baumwolle einer nachträglichen Flickarbeit festgestellt, die auf das Mittelalter zurückgehen dürften, aber nichts mit dem Alter des Grabtuchs selbst zu tun haben. Er kam daher zum Schluß, daß „die beim Radiokarbontest festgestellte Datierung für die Altersbestimmung des Grabtuchs nicht stichhaltig ist“. Selbst Christopher Ramsey von der Universität Oxford, der Leiter eines der drei Labors, in denen der Datierungsversuch von 1988 durchgeführt wurde, erklärt 1988 in einer offiziellen Stellungnahme: „Es gibt eine Vielzahl von anderen Beweise, die nahelegen, daß das Grabtuch älter ist, als durch den Radiokarbontest festgestellt.“
Der Dokumentarfilm, der noch zahlreiche weitere interessante Hintergründe rund um die umstrittene Spätdatierung des Grabtuches aufdeckt, ist in italienischer und englischer Sprache im Handel erhältlich.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: UCCR
„Die Forschergruppe erbrachte den Nachweis, daß die künstliche Einfärbung eines Leinentuches, um die Tönungen des Grabtuches mit den menschlichen Umrissen zu erhalten, lediglich durch UV- und VUV-Strahlen eines Lasers erzielt werden könnten. Techniken, die mittelalterlichen Fälschern ebenso unzugänglich wie fremd waren.“
Diese Technik war freilich auch zur Zeit Jesu jedermann unzugänglich wie fremd…
Ich möchte es mal so ausdrücken: sofern das Grabtuch von Turin aus der Zeitenwende stammt, tendiert die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nicht um das Grabtuch des Herrn handelt gegen Null. Aus diesem Umstand läßt sich die Emotionalität der Grabtuchgegner erklären, deren Argumente zum Teil an den Haaren herbeigezogen sind (vgl. die Leonardo-da-Vinci-Lochkamera-Methode-unter-Hinzuziehung-besonderer-Essenzen-von-Marco-Polo-Theorie).
Eine fundierte, knappe und sehr hilfreiche Stellungnahme !
Es wäre wünschenswert, wenn der Dokumentarfilm in absehbarer Zeit auch in deutscher Sprache erscheinen würde.
Wenn sie die Proben gezielt nur von den Stellen die nach dem Brand im Mittelalter ausgebessert worden sind genommen haben! Und es scheint so. Dann wollten sie ein falsches Ergebnis.
Per Mariam ad Christum.
Ich frage mich, warum keine juristische Aufarbeitung dieses Täuschungsdeliktes bis jetzt erfolgt ist.
paul friedrichs