
Bei Ausgrabungen im Nationalpark von Hippos, in der Nähe des Sees Genezareth, haben Forscher der Universität Haifa eine griechische Mosaikinschrift entdeckt, die den ungewöhnlichen Segen trägt: „Frieden den Alten“. Die Inschrift wird von ihnen dahingehend gedeutet, daß es sich um den Hinweis auf die Existenz des ältesten bekannten Altersheims handeln könnte, das bei archäologischen Ausgrabungen entdeckt wurde. Und, was zivilisationsgeschichtlich, religions- und kulturhistorisch von größter Bedeutung ist: Es handelt sich dabei um eine christliche Einrichtung.
Datiert auf das Ende des 4. Jahrhunderts oder spätestens auf den Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr., wurde die Inschrift in einem Medaillon gefunden, das mit farbenfrohen Motiven verziert ist, neben einem der eindrucksvollsten Mosaike, die auf der Ausgrabungsstätte entdeckt wurden. Das Medaillon zeigt ein doppeltes Christusbekenntnis: ein großes goldenes Kreuz, genauer ein Prankenkreuz, flankiert zu beiden Seiten des unteren Arms mit den griechischen Buchstaben Alpha und Omega, Anfang und Ende. Der obere Arm ist mit der ungewöhnlichen griechischen Segensformel geziert: „Εἰρήνη τοῖς γέρουσι“ (Eiríni toîs gérusi), Frieden den Alten.
„Dies ist der Beweis, daß die Pflege und Sorge für die Alten nicht erst eine moderne Idee sind, sondern bereits vor etwa 1600 Jahren Teil von Institutionen und sozialen Konzepten waren“, sagte Dr. Michael Eisenberg vom Zinman Institute of Archaeology und vom Department of Archaeology der Universität Haifa, der auch Ko-Direktor des Ausgrabungsprojekts ist.
Hippos war eine bedeutende christliche Stadt am See Genezareth in byzantinischer Zeit und Bischofssitz, mit mindestens sieben Kirchen. Die Stadt, die auf einem Hügel mit Blick auf den See lag, gehörte zur Dekapolis. Seit dem Jahr 2000 Ziel ist sie Ort systematischer Ausgrabungen, einschließlich umfangreicher Konservierungsmaßnahmen. Während der byzantinischen Epoche fungierte Hippos als religiöses, soziales und wirtschaftliches Zentrum mit Decumanus Maximus und einem Netzwerk von Cardines, Hauptstraßen nach der römischen Stadtbauweise, die als Hauptverkehrsadern dienten.
Das Mosaik wurde in der Nähe der Kreuzung zweier Hauptstraßen, etwa 100 Meter vom Forum entfernt, in einem der umliegenden Wohnblöcke entdeckt. Die Forscher analysierten die griechische Inschrift sowohl sprachlich als auch stilistisch und kontextuell und verglichen sie mit historischen Quellen aus der byzantinischen Zeit, die von Einrichtungen für ältere Menschen berichten. Sie untersuchten auch die ikonografischen Darstellungen rund um die Inschrift, die ägyptische Gänse, Zypressen, Früchte und Vasen zeigen. Die Forscher denken, daß das Mosaik in der Nähe des Gebäudeeingangs, zentral, angebracht wurde, sodaß es für die Besucher gut sichtbar war.
Die bisherigen Studien deuten darauf hin, daß das Mosaik von Hippos wahrscheinlich der erste archäologische Beweis für eine speziell für die Betreuung von älteren Menschen während der byzantinischen Zeit konzipierte Institution ist. Obwohl solche Einrichtungen aus schriftlichen Quellen des 5. und 6. Jahrhunderts bekannt sind, ist dies das erste Mal, daß physische Beweise für eine solche Einrichtung gefunden wurden.
Das Mosaik von Hippos bietet einen einzigartigen Einblick in das soziale und religiöse Leben während der byzantinischen Periode, insbesondere in bezug auf die Pflege älterer Menschen. Die Entdeckung beleuchtet die Rolle der älteren Generation in der christlichen byzantinischen Gesellschaft und zeigt, daß nicht nur Kirchen und religiöse Gebäude errichtet wurden, sondern auch Strukturen mit sozialen Alltagsfunktionen.
Die älteste bekannte Einrichtung zur Altenfürsorge – ein Altersheim – ist aus dem christlichen Kontext hervorgegangen, da das Christentum mit dieser zivilisatorischen Errungenschaft ein beeindruckendes Beispiel für tätige Nächstenliebe setzte und den Grundstein für eine gesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Schwächeren legte. Diese Verantwortung ruht als Ausgangspunkt nicht, wie etwa im Sozialismus, auf einer kollektiven, also staatlichen, sondern auf einer individuellen Verantwortung.
Interessanterweise gibt es zwar Hinweise aus früheren Jahrhunderten, daß in römischen oder griechischen Kulturen hilfsbedürftige Menschen, einschließlich alter und kranker Personen, teilweise betreut wurden. Aber die systematische und organisierte Pflege von Älteren als gesellschaftliche Einrichtung steht in direktem Zusammenhang mit der Ausbreitung des Christentums.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Nebbie del Tempo (Screenshot)