Dignitas Infinita und warum Seine Eminenz Tucho Fernández besser schweigen sollte

Die Magna Charta der Menschenwürde?


Die Erklärung Dignitas Infinita sei "nicht so schlecht, wie es sein könnte", dennoch sollte Kardinal Tucho Fernández schweigen, so der argentinische Blogger Caminante Wanderer.
Die Erklärung Dignitas Infinita sei "nicht so schlecht, wie es sein könnte", dennoch sollte Kardinal Tucho Fernández schweigen, so der argentinische Blogger Caminante Wanderer.


Von Cami­nan­te Wanderer*

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In den ver­gan­ge­nen Tagen habe ich meh­re­re Freun­de nach einer ersten Mei­nung zu Digni­tas Infi­ni­ta, dem neue­sten Werk von Kar­di­nal Vic­tor Manu­el Fernán­dez, gefragt. Aus­nahms­los alle sag­ten mir, sie hät­ten es nicht gele­sen und wür­den es auch nicht lesen, da es nicht inter­es­sant sei. Ich habe mich dann gefragt, ob es sich lohnt, mei­ne Zeit damit zu ver­brin­gen, über das Doku­ment zu schrei­ben und die Auf­merk­sam­keit der Leser mit den Fra­gen dazu abzu­len­ken. Die Fra­gen sind auf­rich­tig, auch wenn sie vor eini­gen Jah­ren noch unsin­nig erschie­nen wären. Sie sind es auch des­halb, weil wir vor einer unbe­streit­ba­ren Tat­sa­che ste­hen: Das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus ist zu Ende, es ist abge­lau­fen. Das ein­zi­ge, was er bis zu sei­ner Abrei­se in das Haus des Vaters tun kann, ist, sich ruhig zu ver­hal­ten und, bes­ser noch, zu schwei­gen. Wir wis­sen bereits, was pas­siert, wenn er han­delt: Man den­ke nur an das Cha­os, das er in den ver­gan­ge­nen Tagen im Vika­ri­at von Rom ver­ur­sacht hat.

Um ehr­lich zu sein, ist die Erklä­rung Digni­tas Infi­ni­ta weni­ger schlecht, als es hät­te sein kön­nen. Sie ent­hält eini­ge Wahr­hei­ten des gesun­den, also katho­li­schen Men­schen­ver­stan­des – kein Katho­lik hat zum Bei­spiel je geglaubt, daß Leih­mut­ter­schaft rich­tig ist –, wenn sie es auch auf eine ober­fläch­li­che, eben Tucho-gemä­ße Wei­se aus­spricht. Eine Liste die­ser posi­ti­ven Aspek­te des Doku­ments wur­de von Prof. Rober­to de Mat­tei in einem gestern ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel kommentiert.

Aber so gut das Doku­ment auch sein mag, Tat­sa­che ist, daß Kar­di­nal Vic­tor Manu­el Fernán­dez jede Auto­ri­tät ver­lo­ren hat, seit er die Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans samt not­wen­di­ger nach­träg­li­cher Erklä­rung her­aus­ge­ge­ben hat, die bischöf­li­che Auf­stän­de von kon­ti­nen­ta­len Aus­ma­ßen aus­lö­ste, und nach­dem sein obsku­res Buch bekannt gewor­den war, das sei­ne Vor­lie­be für Ero­tik und sei­ne Freu­de am Erzäh­len rei­ße­ri­scher Geschich­ten offen­bart. Ein Kar­di­nal, der ein Por­no­graph ist und der in der Kir­che Spal­tun­gen her­vor­ruft, wie sie sel­ten vor­kom­men, kann schlicht und ein­fach nicht an der Spit­ze des Dik­aste­ri­ums ste­hen, das die Ortho­do­xie des Glau­bens ver­tei­digt. Er soll­te end­lich zurück­tre­ten und eine Stel­le als Kaplan in einem abge­le­ge­nen Non­nen­klo­ster antre­ten (nicht als Mönch, um Ver­wechs­lun­gen zu ver­mei­den). Wenn er das nicht tut, dann ein­fach des­halb, weil er kei­ne Wür­de hat – weder eine end­li­che noch eine unend­li­che – und weil er in sei­nem Amt nur durch den tyran­ni­schen und all­um­fas­sen­den Wil­len sei­nes Beschüt­zers gestützt wird. Unter die­sen Umstän­den wür­de Tucho Fernán­dez, selbst wenn er ein neu­es Pas­cen­di schrei­ben wür­de, weder von den Tra­di­tio­na­li­sten noch von den Pro­gres­si­sten ernst genom­men wer­den. Des­halb ist das Beste, was er tun kann, zu schwei­gen; weder zu spre­chen noch zu schrei­ben, denn alles, wor­über er spricht und schreibt, wird befleckt sein und jeg­li­che Wirk­sam­keit ver­lie­ren. Schwei­gen Sie, Emi­nenz, das ist das beste Geschenk, das Sie der Kir­che machen kön­nen, nach dem enor­men Scha­den, den Sie ihr zuge­fügt haben.

Das erste, was an dem Doku­ment auf­fällt, ist der Name: Kann der Mensch, ohne in einen Wider­spruch zu gera­ten, als end­li­ches Wesen ein unend­li­ches onto­lo­gi­sches Attri­but haben? Ich bin kein Theo­lo­ge, aber es klingt zumin­dest selt­sam, sehr seltsam.

Ein zwei­tes Ele­ment, das mehr als nur ein Rau­schen ver­ur­sacht, ist das Behar­ren auf der Ver­knüp­fung der Men­schen­wür­de mit der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rech­te von 1948. Die­ses Doku­ment der UNO wird gan­ze 26 Male in Tuchos Schrift erwähnt. Kar­di­nal Fernán­dez argu­men­tiert, daß die Fra­ge der Men­schen­wür­de zwar immer von der Kir­che ver­tei­digt wur­de, daß sie aber erst mit der Erklä­rung der Men­schen­rech­te ihren vol­len Glanz erlangt habe. Er sagt: Daß es sich um ein „neu­es Prin­zip der Mensch­heits­ge­schich­te han­delt, wonach der Mensch umso mehr ‚wert‘ ist, respek­tiert und geliebt zu wer­den, je schwä­cher, elen­der und lei­den­der er ist, bis hin zum Ver­lust sei­ner mensch­li­chen ‚Gestalt‘, hat das Gesicht der Welt ver­än­dert“ (Nr. 19). Es ist bemer­kens­wert, daß Sei­ne Emi­nenz es unter­läßt, auf all das zu ver­wei­sen, was die Kir­che seit ihren Anfän­gen für die Schwäch­sten, Elen­dig­sten und Lei­den­den getan hat: Soll­te man ihn an die Apo­stel­ge­schich­te erin­nern, in der von der Not­wen­dig­keit von Dia­ko­nen die Rede ist, oder an den hei­li­gen Vin­zenz von Paul, um nur zwei Bei­spie­le von Hun­der­ten zu nen­nen, die man anfüh­ren könn­te? Es zeigt sich also, daß eine ver­fas­sungs­mä­ßig athe­isti­sche Erklä­rung wie die Men­schen­rechts­er­klä­rung, in der Gott nie erwähnt wird und gegen die sich die Kir­che offi­zi­ell gewehrt hat, mit dem neu­en Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus zum Eck­pfei­ler eines rele­van­ten Teils sei­nes Lehr­am­tes wird.

Und ich den­ke, ich über­trei­be nicht, wenn ich von der zugrun­de­lie­gen­den Kon­zep­ti­on des Pon­ti­fi­kats von Fran­zis­kus als der Grün­dung einer neu­en Kir­che, als Kon­ku­bi­ne der Welt, spre­che. In der Erklä­rung Digni­tas Infi­ni­ta heißt es: „In die­ser Per­spek­ti­ve stellt sei­ne Enzy­kli­ka Fra­tel­li tut­ti bereits eine Art Magna Char­ta der heu­ti­gen Auf­ga­ben zur Wah­rung und För­de­rung der Men­schen­wür­de dar“ (Nr. 6). Ver­ges­sen wir das De homi­nis opi­fi­cio des hei­li­gen Gre­gor von Nys­sa, und ver­ges­sen wir das Agno­s­ce, o chri­stia­ne, dignitatem tuam der 21. Pre­digt des hei­li­gen Leo des Gro­ßen, des­sen Fest wir heu­te fei­ern. Die Magna Char­ta über die Wür­de des Men­schen kommt nicht von den Kir­chen­vä­tern und der Tra­di­ti­on der Kir­che, son­dern… von Fra­tel­li tut­ti von Berg­o­glio! Das klingt wie ein Scherz.

Das Doku­ment ist, wie gesagt, sehr ober­fläch­lich, mit einer uner­klär­li­chen Fül­le von Wör­tern und Aus­drücken in Anfüh­rungs­zei­chen, und es ent­hält gro­be Feh­ler, von denen der bemer­kens­wer­te­ste der Hin­weis auf die Todes­stra­fe ist. In Nr. 34 heißt es, daß sie „die unver­äu­ßer­li­che Wür­de jeder mensch­li­chen Per­son unter allen Umstän­den ver­letzt“. Mit ande­ren Wor­ten: Fernán­dez ver­ur­teilt die Todes­stra­fe, weil er sie für unmo­ra­lisch hält, was ein ern­stes Pro­blem dar­stellt, da die tau­send­jäh­ri­ge Leh­re der Kir­che, selbst Papst Fran­zis­kus, die Anwen­dung der Todes­stra­fe in extre­men Fäl­len immer für zuläs­sig gehal­ten hat. Außer­dem wur­de sie im Kir­chen­staat selbst bis 1870 ange­wandt, mit einer Ent­haup­tung in Pal­e­stri­na. Die Figur des Mastro Tit­ta [1816–1864 Hen­ker im Kir­chen­staat, Anm. GN] und sein Hand­werk auf der Piaz­za del Popo­lo in Rom sind sehr bekannt. Was machen wir also mit den Päp­sten und Hei­li­gen, die Gefan­ge­ne zum Tode ver­ur­teilt haben? Ent­ka­no­ni­sie­ren wir sie? Das erin­nert mich an die Kirch­ner-Gro­tes­ke1, die Geschich­te nach dem poli­tisch kor­rek­ten Geschmack der Zeit ver­än­dern zu wol­len. Die Todes­stra­fe mag in jedem Fall heu­te unan­ge­mes­sen sein, aber der rabia­te insti­tu­tio­nel­le Kan­ni­ba­lis­mus von Fran­zis­kus und sei­nes­glei­chen kann nicht so weit gehen, alle Päp­ste und Ärz­te zu ver­ur­tei­len, die ihm vor­aus­ge­gan­gen sind.

Etwas Ähn­li­ches geschieht, wenn Digni­tas Infi­ni­ta über den Krieg spricht. Mit einer für ein Doku­ment des Hei­li­gen Stuhls völ­lig unan­ge­mes­se­nen Emo­tio­na­li­tät heißt es dort: „Kein Krieg ist die Trä­nen einer Mut­ter wert, die ihr Kind ver­stüm­melt oder tot gese­hen hat; kein Krieg ist den Ver­lust des Lebens auch nur eines ein­zi­gen mensch­li­chen Wesens wert, eines hei­li­gen Wesens, das nach dem Bild und Gleich­nis des Schöp­fers geschaf­fen wur­de; kein Krieg ist die Ver­gif­tung unse­res gemein­sa­men Hau­ses wert; und kein Krieg ist die Ver­zweif­lung der­je­ni­gen wert, die gezwun­gen sind, ihre Hei­mat zu ver­las­sen und in einem Augen­blick ihrer Hei­mat und aller fami­liä­ren, freund­schaft­li­chen, sozia­len und kul­tu­rel­len Bin­dun­gen beraubt wer­den, die manch­mal über Gene­ra­tio­nen hin­weg auf­ge­baut wur­den“ (Nr. 38). „[…] Ange­sichts die­ser Tat­sa­che ist es heu­te sehr schwie­rig, sich auf die in ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten gereif­ten ratio­na­len Kri­te­ri­en zu stüt­zen, um von einem even­tu­ell ‚gerech­ten Krieg‘ zu spre­chen“ (Nr. 39). Kurz gesagt, Papst Fran­zis­kus über­nimmt durch Tucho die säku­la­re Dok­trin nicht nur für die Kir­che, son­dern auch für die Rechts­ord­nung, indem er das Recht der Natio­nen auf legi­ti­me Ver­tei­di­gung und auch das Kon­zept des „gerech­ten Krie­ges“ leug­net und ver­ur­teilt. Laut ihnen hand­le es sich dabei um einen Irr­tum des hei­li­gen Tho­mas von Aquin und so vie­ler ande­rer Hei­li­ger und Kir­chen­leh­rer, den der bril­lan­te Intel­lekt von Tucho Fernán­dez, der sich auf Fra­tel­li tut­ti stützt, zu klä­ren und zu über­win­den ver­sucht. Das klingt erst recht wie ein Scherz…

Schließ­lich weist das Doku­ment auch eini­ge Kurio­si­tä­ten auf. So heißt es in Nr. 57 zu Recht, daß die wis­sen­schaft­li­che Kon­si­stenz der Gen­der-Theo­rie in der Fach­welt umstrit­ten ist. Aber war­um wird in allen Doku­men­ten von Papst Fran­zis­kus und in die­sem Doku­ment selbst die in der wis­sen­schaft­li­chen Gemein­schaft sehr hef­tig geführ­te Dis­kus­si­on über die angeb­lich anthro­po­ge­nen Ursa­chen des Kli­ma­wan­dels nicht in Fra­ge gestellt oder zumin­dest ange­deu­tet? Myste­riö­se päpst­li­che Vorlieben.

Abschlie­ßend wür­de ich nicht sagen, daß Digni­tas Infi­ni­ta ein schlech­tes Doku­ment ist. Es ist ein ober­fläch­li­ches und mit­tel­mä­ßi­ges Doku­ment; eine ver­paß­te Gele­gen­heit, die guten Din­ge, die es sagt, in einer kla­ren und kraft­vol­len Spra­che zu sagen, weit ent­fernt von Emo­tio­na­li­tät als ethi­schem Anker und los­ge­löst von den vor­über­ge­hen­den Umstän­den eines Pon­ti­fi­kats, das von Ver­wir­rung und Cha­os geprägt ist.

P.S.: Bei der Vor­stel­lung von Digni­tas Infi­ni­ta auf einer Pres­se­kon­fe­renz hat Kar­di­nal Tucho Fernán­dez eini­ge Federn gelas­sen. Ein Jour­na­list frag­te ihn, ob es nicht an der Zeit sei, daß das Dik­aste­ri­um für die Glau­bens­leh­re die Leh­re ände­re, laut der homo­se­xu­el­le Hand­lun­gen „von Natur aus unge­ord­net“ sind.

Fernán­dez beant­wor­te­te die Fra­ge zunächst nicht mit einer ein­fa­chen und kla­ren Beja­hung oder Ver­nei­nung, son­dern ant­wor­te­te, daß die frag­li­che Lehr­aus­sa­ge ein „star­ker Aus­druck ist, der erklärt wer­den müß­te, es wäre gut, wenn wir einen noch kla­re­ren Aus­druck fin­den könn­ten“. Noch kla­rer? Ist es viel­leicht ein ver­wir­ren­der Ausdruck?

Und er fuhr fort: „Was wir sagen wol­len, ist, daß die Schön­heit der Begeg­nung zwi­schen Mann und Frau, die den größ­ten Unter­schied dar­stellt, die schön­ste ist“. […] „Die Tat­sa­che, daß sie sich tref­fen kön­nen, zusam­men sein kön­nen, und daß aus die­ser Begeg­nung ein neu­es Leben ent­ste­hen kann, ist etwas, das mit nichts ande­rem ver­gli­chen wer­den kann. Ange­sichts des­sen haben homo­se­xu­el­le Hand­lun­gen die Eigen­schaft, daß sie die­ser gro­ßen Schön­heit in kei­ner Wei­se gleich­kom­men können.“

Kurz gesagt, das Pro­blem der Homo­se­xua­li­tät ist laut Tucho Fernán­dez also ein ästhe­ti­sches Pro­blem; und wir dach­ten, es sei ein anthro­po­lo­gi­sches, mora­li­sches und theo­lo­gi­sches Problem!

Wir bit­ten Eure Emi­nenz, uns ein neu­es Buch mit Beschrei­bun­gen die­ser ver­min­der­ten Schön­hei­ten zu ersparen.

*Cami­nan­te Wan­de­rer ist ein argen­ti­ni­scher Blogger

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Erz­diö­ze­se La Pla­ta (Screen­shot)


1 Die Pero­ni­sten Néstor Kirch­ner (von 2003 bis 2007) und sei­ne Frau Cri­sti­na Kirch­ner Fernán­dez (von 2007 bis 2015) waren bei­de hin­ter­ein­an­der Prä­si­den­ten von Argen­ti­ni­en (GN).

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