Von P. Joachim Heimerl von Heimthal*
„Ite, missa est.“
Über Jahrhunderte schloss die Heilige Messe mit diesen Worten und wies die Gläubigen darauf hin, dass das heilige Geschehen, an dem sie teilnahmen, beendet ist.
Paul VI. hat den Entlassungsruf 1969 ersetzt; ein seichtes „Gehet hin in Frieden“ schließt nun die Messe ab.
Über die Sinnhaftigkeit dieser Änderung ließe sich streiten, und über Pauls Einführung der „neuen Messe“ erst recht.
Fakt ist, dass die neue Schlussformel mit dem Wesen der Messe wenig zu tun hat, während das „Ite missa est“ auf den Punkt bringt, worum es in der Messe überhaupt geht.
Dazu muss man allerdings wissen, was die Worte bedeuten; „Ite missa est“ heißt zunächst ja nichts anderes als „Gehet hin, die Messe ist vollzogen.“ – Sehr wenig, möchte man meinen, doch das ist es nicht, und dies umso weniger, wenn man weiß, woher der Begriff „missa“ überhaupt kommt.
Bei der etymologischen Herleitung dieses Begriffs gehen die Meinungen auseinander, und der „theologische“ Mainstream der „neuen Kirche“ deutet sie (bewusst) völlig falsch.
Gemeinhin wird behauptet, „missa“ käme vom lateinischen „mittere“ („senden“); deshalb sei die Messe allen Ernstes eine „Sendung“ und die Teilnehmer daran schlicht „Gesandte“.
Allerdings gibt das Lateinische dies nicht her; „ite missa est“ würde in diesem Fall wörtlich heißen: „Gehet hin, sie ist gesendet“, und das hat hinten und vorne keinen Sinn.
Wer soll diese „sie“ sein, wozu ist „sie“ „gesendet“, und was hätte diese „Sendung“ inhaltlich mit der heiligen Eucharistie zu tun? – Davon abgesehen: Warum sollte am Ende der Messe auf eine „Sendung“ hingewiesen werden, wenn es in der Messe um etwas anderes geht? Und warum sollte die Kirche derlei Unsinn überhaupt tun?
Offensichtlich ist hier die Interpretation der lateinischen Formel aus den Fugen geraten und zeigt bizarr, wie weit man sich seit der Einführung der „neuen Messe“ vom Verständnis dessen entfernt hat, was die Heilige Messe eigentlich ist. – Eine „Sendung“, das darf man dezidiert feststellen, ist sie jedenfalls nicht!
Das Wissen um das Wesen der Messe war den Generationen vor 1969 dagegen immer präsent: Man wusste aus dem Katechismus um den Opfercharakter der Heiligen Messe und sprach, etwa im Deutschen, gewöhnlich vom „Heiligen Messopfer“. – Diese Wendung ist unserer Zeit abhanden gekommen; das Wissen um die Messe sowieso.
Deshalb ersetzt man „Messe“ heute meist durch „Eucharistiefeier“ oder noch allgemeiner durch „Gottesdienst“, und damit ist alles sehr deutlich gesagt: Die „neue Messe“ wird zunehmend als protestantisches „Abendmahl“ verstanden; dementsprechend fehlt schon in ihrer Bezeichnung von der Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers jede Spur. Kein Wunder, dass am Ende dieser Feiern dann nur noch ein unverbindlicher Friedenswunsch steht, der ebenso „guten Tag“ lauten könnte. – Kurz: Seit der Einführung der „neuen Messe“ ist die katholische Kirche auf dem Wege, sich selbst zu verlieren, und dies in dem Maße, in dem sie mit der überlieferten Messe ihre Mitte verloren hat.
Wenn man das Wort „Messe“ richtig versteht, wird diese Mitte dagegen sofort wieder sichtbar, und die erhabene und ehrfürchtige Feier der überlieferten Messe hebt sie in einer Weise hervor, wie es die „neue Messe“ nicht vermag: Sie ist ganz der Anbetung des dreieinigen Gottes gewidmet und auf die Darbringung des Kreuzesopfers ausgerichtet.
Nur aus diesem Grund sprechen wir ja überhaupt von „Messe“ und das lateinische „missa“ entpuppt sich vor diesem Hintergrund als uraltes hebräisches Wort („missah“).
Dieses Wort reicht wie die Messe bis auf die Zeit der Apostel zurück und bedeutet logischerweise das, worum es in der Messe eigentlich geht: Das Opfer des Herrn.
Nur von diesem „Opfer“ hat die Messe ihren Namen und nur deshalb heißt es am Ende: „Gehet hin, das Opfer ist vollzogen.“ – Dafür und für nichts anderes danken die Gläubigen anschließend mit einem innigen „Deo gratias“ und verlassen nicht als „Gesandte“ die Kirche, sondern als dankbar Erlöste: Das Opfer Christi hat sie mit Gott versöhnt.
Die „neue Messe“ hat über diese Glaubenswahrheit einen Schleier geworfen.
Der Opferaltar ist verschwunden und als schnöder „Tisch des Herrn“ dem Volk zugewandt.
Das Altarkreuz im Zentrum ist in den meisten Fällen kaum noch zu sehen; man spürt: Hier steht nicht das Opfer Christi im Mittelpunkt, sondern der Zelebrant und die „feiernde“ Gemeinde.
Eine „Messe“, die nicht mehr weiß, was sie ist, und die ihr Wesen nicht vermitteln kann, mag gültig sein, hat aber keine Daseinsberechtigung und keinen Sinn; letztlich fehlt ihr das Eigentliche, das Katholische, und genau das hat Paul VI. grosso modo durch das Protestantische ersetzt.
Seitdem befindet sich die Kirche im freien Fall und jede verrückte Lehrentscheidung, die wir in der letzten Zeit aus Rom vernehmen, ist eine Konsequenz davon: Die katholische Kirche hat mit der neuen Messe ihre Identität verloren, während das kraftvolle „Ite, missa est“ in der überlieferten Messe diese Identität unterstreicht.
*Joachim Heimerl von Heimthal, Priester der Erzdiözese Wien, studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie und Theologie. Er ist promovierter Germanist und war Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Neben literaturwissenschaftlichen Arbeiten ist er Autor zahlreicher Aufsätze und Kommentare zu kirchlichen Themen in in- und ausländischen Medien.
Bild: GN

Hinterlasse jetzt einen Kommentar