
Papst Leo XIV. veröffentlichte gestern sein Apostolisches Schreiben Dilexi te über die Armut. Dazu veröffentlichen wir eine im Ansatz andere Kritik, an dem, was das Kirchenoberhaupt in seinem Schreiben kritisiert. Es handelt sich um eine Kurzbesprechung von Aldo Maria Valli zum neuen Buch „Dissoluzione. Perché la nostra civiltà sta morendo“ („Auflösung. Warum unsere Zivilisation stirbt“, Verlag Radio Spada) von Martino Mora, das am 17. Oktober in den Buchhandel kommen wird. Der italienische Philosoph und Essayist unterrichtet Geschichte und Philosophie an einem humanistischen Gymnasium. An Büchern veröffentlichte er unter anderen: „Nationalismus“, „Revolution und Totalitarismen“ , „Moderne Götzen stürzen“. Seine Zivilisationskritik erfolgt interdisziplinär und hat den christlichen Ansatz im Fokus.
So stirbt unsere Zivilisation. Und das wird die letzte Etappe sein
Von Aldo Maria Valli*
Der Kapitalismus – insbesondere dort, wo er sich in seiner extremsten und hemmungslosesten Form zeigt, wie etwa in den USA – erlaubt es bestimmten Menschentypen, sich maßlos zu bereichern und eine ungeheure Macht zu erlangen, ohne im geringsten über die dazu notwendige Weisheit oder seelische Ausgeglichenheit zu verfügen. Es ist jener „niedere Menschentypus“, von dem Nicolás Gómez Dávila sprach. Die USA sind weniger eine Demokratie als vielmehr eine plutokratische Oligarchie – eine Herrschaft des Geldes –, die in der Lage ist, den gesamten Erdball durch Medienmacht und Kulturindustrie des globalen Dorfs zu beeinflussen. Und dies auf eine Weise, die subtiler, aber tiefer, durchdringender und totaler ist als alles, was je ein kommunistisches oder islamistisches Regime zu verwirklichen vermochte.

Doch wer könnte diesen Monstern der Plutokratie ihre Macht entreißen? Kein Mensch. In den eisernen Käfig des kapitalistischen Profits, den Max Weber einst als das endgültige Gefängnis des modernen Menschen beschrieb, ist alles Mögliche hineingeraten – aber nichts entkommt mehr.
Diese plutokratische Oligarchie hat sich längst mit dem Gedankengut der Achtundsechziger verschmolzen: mit dem pansexualistischen Instinktkult, mit dem „Verbot des Verbietens“, dem Postulat eines schrankenlosen Genusses, mit der Diktatur der politischen Korrektheit, dem wohltäterisch verbrämten Migrationsideal eines identitätsauflösenden Mischwesens, mit der Leugnung geschlechtlicher Identität – alles Ausdruck jenes egalitären Nivellierungsprojekts und atomistischen Individualismus, wie sie so typisch sind für die Mentalität des Kaufmanns, insbesondere wenn er sich zum Ideologen erhebt.
So ist aus der plutokratischen Elite eine pornokratische geworden – Mammon hat sich mit Sodom vereint, und es ist ein orgiastisch-merkantiles System entstanden. Kein einziges Wort des Evangeliums ist zufällig geschrieben, kein einziges Jota ohne Bedeutung. Christus sagte:
„Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt 6,24)
Das heißt: dem Dämon des Reichtums. Christus sprach nicht von Gleichgültigkeit oder Neutralität, sondern von Haß und Verachtung. Die anfangs noch gleichgültige Haltung gegenüber Gott, genährt durch die Gier, schlägt unweigerlich in Verachtung und schließlich in Haß um – und eben darum verabscheuen die Plutokraten jede Form von Transzendenz. Dieser Haß bildet den Boden für den nächsten Schritt: den Triumph des absoluten westlichen Materialismus – den letzten Übergang in jeder Hinsicht: die Anbetung jenes „Gottes, der das Gegenteil Gottes ist“ (Bataille), die Anbetung dessen, der kommen wird – in Abwesenheit des katechon, der zurückhaltenden Kraft –, so wie es, wenn auch nicht immer linear, von Plinio Corrêa de Oliveira vorhergesehen wurde.
Die letzte Etappe der „offenen Gesellschaft“ wird der Übergang vom Reich des Geldes in das des Unterirdischen sein – vom Primat des Habens zur Verkehrung des Geistigen, vom Warenfetischismus zur pervertierten Sakralität, vom Konsumismus zum Satanismus.
*Aldo Maria Valli, Studium der Politikwissenschaften an der Katholischen Universität von Mailand, seit 1978 Publizist, seit 1985 Berufsjournalist, ab 1995 für das Staatsfernsehen RAI tätig, von 2007 bis 2019 Leiter der Religionsabteilung und Chef-Vatikanist der RAI – als solcher ging er nach längerem innerem Ringen ab 2016 auch öffentlich auf Distanz zur Linie von Papst Franziskus, die er als „konfus“ kritisierte –, 2019 wurde er deshalb zu RAI Sport versetzt und 2020 pensioniert. Er ist Buchautor und betreibt den Blog Duc in altum.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Verlag
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