
Von Cristina Siccardi*
Die Welt hilft uns in keiner Weise, uns der übernatürlichen Dimension zu nähern – im Gegenteil: Sie zeigt uns nicht nur alles, was rein immanent ist, sondern führt uns sogar zu Leidenschaften und Lastern, die unsere menschliche Natur herabwürdigen. Denn, so hat es der König des Universums selbst gesagt: Der Fürst dieser Welt ist Satan.
Leider tragen auch viele Hirten der Kirche – da sie selbst allzu sehr mit den Dingen der Welt beschäftigt sind – nicht dazu bei, die Gläubigen zu ermutigen, den Blick zum Himmel zu richten. Doch das Kirchenjahr erinnert uns Tag für Tag durch die Heiligen, die Engel und durch die Königin der Engel und der Heiligen an eben dieses „nach oben schauen“.
Am 2. Oktober begeht die Heilige Mutter Kirche das Fest der Heiligen Schutzengel – ein bedeutender Gedenktag. Ja, der Schöpfer hat in seiner unendlichen Güte jedem Menschen einen guten, treuen, wachsamen und weisen Begleiter zur Seite gestellt, der uns auf dem Lebensweg geleitet. Der heilige Augustinus schreibt:
„Die unsterblichen und seligen Geister, die in den himmlischen Sphären wohnen und an ihrem Schöpfer Anteil haben – durch dessen Ewigkeit sie Bestand haben, in dessen Wahrheit sie Gewißheit finden, durch dessen Gnade sie erlöst sind – lieben uns, die wir sterblich und elend sind, mit großer Barmherzigkeit und wünschen, daß auch wir selig und unsterblich werden. Doch sie wollen mit Recht nicht, daß wir ihnen Opfer darbringen, sondern allein dem, von dem sie wissen, daß sowohl wir als auch sie selbst ihm zum Opfer bestimmt sind“ (De civitate Dei, 10,7).
Viele Heilige haben ihren Schutzengel gesehen – etwa Pater Pio, der mit ihm sprach, mit ihm betete und Gott lobte. Mehr noch: Er stand sogar im Austausch mit den Schutzengeln seiner geistlichen Kinder. Der stigmatisierte Kapuziner sagte:
„Der Schutzengel ist unser aufrichtigster und verläßlichster Freund – vorausgesetzt, wir betrüben ihn nicht durch ein schlechtes Verhalten.“
In den zahllosen, schweren Kämpfen, die er gegen dämonische Angriffe bestand, war stets ein lichtvoller Begleiter an seiner Seite, der ihm Mut, Kraft und Standhaftigkeit schenkte. Schon als Kind – damals hieß er noch Francesco – sah er seinen Engel und die Gottesmutter. Er war überzeugt, daß solche himmlischen Begegnungen allen Menschen zuteil werden.
Frà Pio Maria aus Verona berichtet in einem Artikel der Zeitschrift Il Settimanale di Padre Pio (Nr. 36, 28. September 2025) von einem Brief, den der heilige Kapuziner im Jahr 1915 an Raffaelina Cerase, eine seiner ersten geistlichen Töchter, schrieb:
„An unserer Seite steht ein himmlischer Geist, der uns vom ersten Atemzug bis zum Grab nicht für einen Augenblick verläßt. Er führt uns, schützt uns wie ein Freund, wie ein Bruder, und tröstet uns stets – besonders in den traurigsten Stunden. Wisset, daß dieser gute Engel für euch betet. Er bringt Gott all eure guten Werke dar, eure heiligsten und reinsten Wünsche. Wenn ihr euch allein und verlassen fühlt, vergesßt nicht diesen unsichtbaren Begleiter, der immer bereit ist, euch zu hören und zu trösten. O köstliche Vertrautheit! O selige Gemeinschaft!“
Die Feier des Schutzengelfestes wurde im Jahr 1670 von Papst Clemens X. eingeführt und auf den 2. Oktober festgelegt. Der Glaube an Engel – gute wie böse – ist ein Dogma, das bereits im Vierten Laterankonzil (1215) und später im Ersten Vatikanischen Konzil (1869–70) bekräftigt wurde. Die Kirchenväter und rechtgläubigen Theologen haben viele Lehren und Überlegungen zu ihrer Schöpfung, ihrer Spiritualität, ihrem Wirken, ihrem Verstand und Willen ausgeführt.
Im Katechismus des heiligen Pius X. heißt es:
„Die Engel sind die unsichtbaren Diener Gottes und auch unsere Schutzengel, denn Gott hat jedem Menschen einen von ihnen zur Seite gestellt.“
Das Wort „Engel“ stammt vom lateinischen angelus, das wiederum vom griechischen ἄγγελος (angelos) kommt und „Bote“, „Gesandter“, „Diener“ bedeutet. Es beschreibt somit das Amt, nicht die Natur der Engel – wie der heilige Augustinus erläutert (vgl. Predigt 7: Der brennende Dornbusch).
Der Schutzengel, Wächter von Seele und Leib, verläßt uns nie – weder bei Tag noch bei Nacht. Er steht uns ständig zur Seite. Wenn wir guten Willens sind, erleuchtet er unseren Geist, regt uns zu guten Vorsätzen und Gefühlen an und schützt uns zugleich vor Versuchungen sowie vor moralischen und physischen Gefahren. Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet – sowohl für seine Hilfe im irdischen Leben als auch für seine Unterstützung auf dem Weg zur ewigen Erlösung.
Der heilige Franz von Sales sagte:
„Die guten Engel wünschen unser Heil und zögern nicht, uns beizustehen. Sie schenken uns Kraft und Mut zur Tugend. Reiche dem guten Engel die Hand, damit er dich in den Himmel führt.“
Die Mystikerin Teresa von Ávila berichtet, wie ihr ein Engel das Herz mit einem goldenen, feurigen Pfeil durchbohrte – und sie in unermeßlicher Liebe zu Gott entbrannte. Der heilige Philipp Neri hatte ein ganz besonderes Verhältnis zu seinem Schutzengel: Einmal wurde er von ihm in die Luft gehoben, um ihn vor einer heranfahrenden Kutsche in einem engen Gassenwinkel Roms zu retten. Ein anderes Mal erschien ihm der Engel in Gestalt eines Bettlers – der Heilige wollte ihm alles geben, was er hatte, doch der Engel sagte: „Ich wollte nur sehen, wozu du bereit bist“ – und verschwand.
Der heilige Aloisius von Gonzaga betete mindestens dreimal täglich das Angele Dei. Auch Dominikus Savio hatte eine konkrete Erfahrung der Gegenwart seines Schutzengels. Der heilige Franz von Assisi empfing die Wundmale von einem seraphischen Engel mit sechs feurigen Flügeln, und in der Kirche von Portiunkula erschienen ihm die Engel – besonders während seiner Krankheit trösteten sie ihn mit ihrem Gesang. Der heilige Johannes Bosco wiederum wurde von einem Schutzengel auf sehr außergewöhnliche Weise beschützt: In Gestalt eines Hundes erschien dieser immer wieder, um ihn vor Übergriffen durch Waldenser und Freimaurer zu retten. Don Bosco nannte ihn den „Grauen“ und scherzte:
„Zu sagen, er sei ein Engel, wäre zum Lachen – aber man kann auch nicht behaupten, er sei ein gewöhnlicher Hund gewesen.“
Dieser geheimnisvolle Hund, der nie fraß oder trank und auf unerklärliche Weise erschien und verschwand, tauchte sogar 32 Jahre nach dem ersten Erscheinen wieder auf – und sah noch genauso jung aus. Zeugen berichteten, ihn sogar im Jahr 1959 gesehen zu haben.
Ein eindrucksvolles Zeugnis stammt von Renato Celato (1923–2020), dem Chauffeur von vier Generaloberen der Salesianer (vgl. Don Bruno Ferrero, InfoANS-Interview).
„Ich konnte diesen geheimnisvollen Hund sehen, berühren, streicheln. Es war am 5. oder 6. Mai 1959 […]. Wir kamen aus Rom mit der Reliquiar Don Boscos, die mehrere Tage dort verweilt hatte – sogar Papst Johannes XXIII. hatte sie geehrt. […]
Als wir in La Spezia ankamen, sah der Sakristan einen Hund vor der Kirchentür sitzen. […] Der Hund blieb bis mittags unter dem Reliquiar liegen. Später betrat er den Speisesaal, in dem alle Anwesenden versammelt waren – nahm jedoch weder Brot, Schinken noch Salami an. Schließlich begleitete er uns bis zum Turchino-Paß, wo er verschwand.“
Warum also sprechen wir in unseren Häusern und Pfarreien nicht – weder mit Kindern noch mit Erwachsenen – über jene geistlichen Geschehnisse, die zum Herzblut unseres Glaubens gehören? Viele dürstende Seelen, müde und übersättigt vom weltlichen und atheistischen Alltag, würden sie mit offenen Armen aufnehmen. Schweigen wir aus Scham? Oder aus schuldhafter Ungläubigkeit?
*Cristina Siccardi, Historikerin und Publizistin, zu ihren jüngsten Buchpublikationen gehören „L’inverno della Chiesa dopo il Concilio Vaticano II“ (Der Winter der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Veränderungen und Ursachen, 2013); „San Pio X“ („Der heilige Pius X. Das Leben des Papstes, der die Kirche geordnet und erneuert hat“, 2014), „San Francesco“ („Heiliger Franziskus. Eine der am meisten verzerrten Gestalten der Geschichte“, 2019), „Quella messa così martoriata e perseguitata, eppur così viva!“ „Diese so geschlagene und verfolgte und dennoch so lebendige Messe“ zusammen mit P. Davide Pagliarani, 2021), „Santa Chiara senza filtri“ („Die heilige Klara ungefiltert. Ihre Worte, ihre Handlungen, ihr Blick“, 2024),
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana