Folgt Leo XIV. der grünen Ideologie?


Die grüne Ideologie ist nicht die Antwort auf die Krise unserer Zeit. Sie ist vielmehr ihr Brandbeschleuniger
Die grüne Ideologie ist nicht die Antwort auf die Krise unserer Zeit. Sie ist vielmehr ihr Brandbeschleuniger

Von Rober­to de Mattei*

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Ein weit­ver­brei­te­tes Kli­schee besagt, daß eine glo­ba­le Erd­er­wär­mung die Mensch­heit bedro­he und der Mensch selbst der Haupt­ver­ur­sa­cher die­ser Ent­wick­lung sei. Der durch mensch­li­ches Han­deln ver­ur­sach­te Kli­ma­wan­del – ins­be­son­de­re durch die Nut­zung fos­si­ler Brenn­stof­fe, Abhol­zung und inten­si­ve Land­wirt­schaft – habe einen kri­ti­schen Punkt erreicht, der eine aku­te Bedro­hung für Umwelt, Gesund­heit, wirt­schaft­li­che Sta­bi­li­tät und den Welt­frie­den dar­stel­le. Um die­ser Not­la­ge zu begeg­nen, sei­en weit­rei­chen­de Maß­nah­men in ver­schie­de­nen Berei­chen wie Ener­gie, Ver­kehr, Indu­strie und Land­wirt­schaft not­wen­dig. Die Euro­päi­sche Uni­on faßt die­se Maß­nah­men unter dem Begriff der „grü­nen Trans­for­ma­ti­on“ oder „Green Deal“ zusammen.

Zunächst sei gesagt: Die The­se von der Kli­ma­er­wär­mung ist stark über­trie­ben. In einem Arti­kel in der Zei­tung Libe­ro vom 6. Juli führt Anto­nio Soc­ci eine Rei­he wis­sen­schaft­li­cher Daten an, die zei­gen, daß heut­zu­ta­ge mehr Men­schen an Käl­te ster­ben als an Hit­ze. Sta­ti­sti­ken zufol­ge über­stei­gen Todes­fäl­le durch Käl­te die durch Hit­ze sogar im Ver­hält­nis 9 zu 1, und die stei­gen­den Tem­pe­ra­tu­ren füh­ren aktu­ell sogar zu einem Rück­gang der Gesamt­sterb­lich­keit. Der Agrar­me­teo­ro­lo­ge Lui­gi Maria­ni belegt anhand einer Rei­he aktu­el­ler Stu­di­en, daß welt­weit zwi­schen 2000 und 2019 rund 91 Pro­zent der durch extre­me Tem­pe­ra­tu­ren ver­ur­sach­ten Todes­fäl­le auf Käl­te zurück­zu­füh­ren waren, nur 9 Pro­zent auf Hit­ze. Die­se Schluß­fol­ge­rung ist nicht neu: Bereits vor zehn Jah­ren ver­öf­fent­lich­te die ange­se­he­ne Fach­zeit­schrift The Lan­cet eine inter­na­tio­na­le Stu­die, die auf der Ana­ly­se von 74 Mil­lio­nen Todes­fäl­len in zwölf ver­schie­de­nen Län­dern beruh­te und zu den­sel­ben Ergeb­nis­sen kam. Wenn die Medi­en aus­schließ­lich und mit gro­ßer Dra­ma­tik von Hit­ze­to­ten berich­ten, ver­zer­ren sie die Wirklichkeit.

Aber selbst wenn man das Vor­han­den­sein eines Kli­ma­wan­dels vor­aus­setzt: Ist die­ser natür­li­chen Ursprungs oder vom Men­schen ver­ur­sacht? Und wenn letz­te­res zutrifft, in wel­chem Sinne?

Kli­ma­wan­del hat es schon immer gege­ben. So war das Kli­ma im Hoch­mit­tel­al­ter mild – wie auch die Sit­ten jener Zeit. Im Spät­mit­tel­al­ter, ab dem 14. Jahr­hun­dert, mit dem Über­gang zur Neu­zeit, kam es jedoch zu einer deut­li­chen Abküh­lung. Die Glet­scher in den Alpen und in den Polar­re­gio­nen brei­te­ten sich aus, was unter ande­rem dazu führ­te, daß der Wein­an­bau in Eng­land und ande­ren Gegen­den ver­schwand. Die Glet­scher rück­ten nach Süden vor, die Nie­der­schlags­men­ge nahm zu – mit der Fol­ge von Erd­rut­schen, Über­schwem­mun­gen und Flu­ten. Dies ver­rin­ger­te die land­wirt­schaft­lich nutz­ba­re Flä­che und führ­te zu einer Rei­he von Hun­gers­nö­ten. Die dadurch ver­ur­sach­te Unter­ernäh­rung schwäch­te die euro­päi­sche Bevöl­ke­rung und mach­te sie anfäl­li­ger für Krank­hei­ten wie die Pest, die Mit­te des 14. Jahr­hun­derts etwa ein Drit­tel der Bevöl­ke­rung hin­weg­raff­te. Die Histo­ri­ker Rug­ge­ro Roma­no und Alber­to Ten­en­ti haben den zykli­schen Zusam­men­hang zwi­schen Hun­gers­nö­ten und Epi­de­mien doku­men­tiert, der das 14. Jahr­hun­dert präg­te (s. Alle ori­gi­ni del mon­do moder­no 1350–1550, Fel­tri­nel­li, Mai­land 1967).

Die­se Kata­stro­phen waren nicht men­schen­ge­macht, son­dern natür­li­chen Ursprungs. Doch daß Gott, der Herr über die Natur, sie zuge­las­sen hat­te, wur­de als Stra­fe für die Sün­den der Men­schen inter­pre­tiert – in die­sem Sin­ne gal­ten sie als mit­ver­ant­wort­lich für die Natur­ka­ta­stro­phen. Es han­del­te sich nicht um das Ende der Welt, son­dern um das Ende einer Epo­che. Und stets in der Geschich­te sind mit dem Abfall der Völ­ker von Gott Natur­ka­ta­stro­phen ein­her­ge­gan­gen – wie am Ende des christ­li­chen Mit­tel­al­ters. Und es scheint, als wie­der­ho­le sich dies heute.

Der moder­ne Mensch hat im Geist des Pro­me­theus ver­sucht, die Geset­ze der Natur zu ver­än­dern. Doch in sei­nem Auf­be­geh­ren gegen die gött­li­che und natür­li­che Ord­nung des Uni­ver­sums kann er nur schei­tern. Die Moder­ne woll­te die Anbe­tung Got­tes durch die Anbe­tung des Men­schen erset­zen. Ange­sichts des Schei­terns die­ses Pro­jekts tritt in der post­mo­der­nen Ideo­lo­gie an die Stel­le der Men­schen­ver­eh­rung die Natur­ver­eh­rung – das ist die soge­nann­te „grü­ne Ideo­lo­gie“ in ihrer radi­kal­sten Form. Der „Pla­net Erde“ ist mehr als eine Hei­mat – er wird zur irdi­schen Religion.

Die­se Ideo­lo­gie ist unter dem Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus auch in die Kir­che ein­ge­drun­gen und fand ihren sym­bo­li­schen Aus­druck in der Auf­stel­lung der Pacha­ma­ma – angeb­lich die Mut­ter Erde der indi­ge­nen Völ­ker Ame­ri­kas – in den Vati­ka­ni­schen Gär­ten am 4. Okto­ber 2019, am Vor­abend der Amazonassynode.

Ist der neue Papst Leo XIV ein Anhän­ger die­ser Ideo­lo­gie? Wir wol­len das nicht glau­ben. Am 9. Juli 2025 wur­de in den Gär­ten des „Bor­go Lau­da­to sì“ in Castel Gan­dol­fo eine Mes­se zur „Bewah­rung der Schöp­fung“ gefei­ert. Der Papst been­de­te sei­ne Pre­digt mit einem Zitat aus den Con­fes­sio­nes des hei­li­gen Augu­sti­nus, in dem die Schöp­fung und der Mensch gemein­sam den Schöp­fer loben: „Dei­ne Wer­ke loben dich, damit wir dich lie­ben, und wir lie­ben dich, damit dei­ne Wer­ke dich loben“ (Con­fes­sio­nes, XIII, 33, 48). Leo XIV füg­te hin­zu: „Dies sei die Har­mo­nie, die wir in die Welt hinaustragen.“

Die Har­mo­nie, von der Papst und Kir­chen­va­ter spre­chen, steht im Wider­spruch zur Ideo­lo­gie des radi­ka­len Öko­lo­gis­mus. Die rech­te Ver­nunft und die gött­li­che Offen­ba­rung leh­ren uns, daß der Mensch – nach dem Bil­de Got­tes erschaf­fen – an der Spit­ze der hier­ar­chi­schen Ord­nung der Schöp­fung steht. Die Natur ist ein Mit­tel, das Gott dem Men­schen gege­ben hat, um sein über­na­tür­li­ches Ziel zu errei­chen. Ein scharf­sin­ni­ger Theo­lo­ge des 20. Jahr­hun­derts, Mon­si­gno­re Pier Car­lo Lan­duc­ci, erin­nert dar­an:
„Die Welt ist das Haus des Men­schen, geschenkt vom Schöp­fer des Men­schen. Also nicht der Mensch für das Haus, son­dern das Haus für den Men­schen – der aber aus Ach­tung gegen­über dem gött­li­chen Geber und in sei­nem eige­nen Inter­es­se ver­pflich­tet ist, des­sen Wer­te zu bewah­ren und zu ver­tei­di­gen: Das ist die ‚Öko­lo­gie‘ in ihrem ratio­na­len und mora­li­schen Fun­da­ment.“ (Ist­in­to e intel­li­gen­za negli ani­ma­li? in: Pal­e­stra del Cle­ro, Nr. 14, 15. Juli 1985, S. 14).

Der Mensch muß die Natur und ihre Geset­ze respek­tie­ren – nicht nur die phy­si­ka­lisch-che­mi­schen, son­dern auch die reli­giö­sen und mora­li­schen. Nicht nur der ein­zel­ne Mensch, auch gan­ze Völ­ker sind zur Beach­tung die­ser Geset­ze ver­pflich­tet. Wenn der Mensch sich von Gott abwen­det oder gegen ihn rebel­liert, wen­det sich auch die Natur vom Men­schen ab oder rebel­liert gegen ihn. Das war in allen Zei­ten spi­ri­tu­el­ler und mora­li­scher Kri­sen der Fall – und es scheint auch heu­te so zu sein, ange­sichts des Kli­ma­cha­os, das uns heim­sucht und sich womög­lich in plötz­li­chen Natur­straf­ge­rich­ten äußern wird.

„Doch“, so sag­te der Papst in Castel Gan­dol­fo, „im Her­zen des Hei­li­gen Jah­res beken­nen wir – und wir kön­nen es immer wie­der sagen: Es gibt Hoff­nung! Wir haben sie in Jesus gefun­den. Er stillt auch heu­te noch den Sturm. Sei­ne Macht ver­wirrt nicht, son­dern erschafft; sie zer­stört nicht, son­dern bringt ins Dasein, schenkt neu­es Leben. Und auch wir fra­gen: ‚Wer ist die­ser, daß ihm sogar Wind und Meer gehor­chen?‘“ (Mt 8,27).

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.
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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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