Leo XIV.: „Teuflische Vehemenz“ tobt im christlichen Osten

Die große Reihe der Märtyrer und Heiligen des christlichen Ostens


Papst Leo XIV. empfing die Mitglieder der Vollversammlung der Hilfswerke für die Ostkirchen in Audienz
Papst Leo XIV. empfing die Mitglieder der Vollversammlung der Hilfswerke für die Ostkirchen in Audienz

Ange­sichts der jüng­sten Ereig­nis­se im Nahen Osten wie auch in der Ukrai­ne nahm Papst Leo XIV. aus­führ­lich zur Lage der dor­ti­gen Chri­sten Stel­lung. Am gest­ri­gen 26. Juni emp­fing er die Mit­glie­der der Voll­ver­samm­lung der Hilfs­wer­ke für die Ost­kir­chen (ROACO) – einer vati­ka­ni­schen Koor­di­na­ti­ons­stel­le, der rund zwan­zig Hilfs­wer­ke ange­schlos­sen sind und die dem Dik­aste­ri­um für die Ori­en­ta­li­schen Kir­chen unter­steht. Die­se Wer­ke unter­stüt­zen sämt­li­che vier­und­zwan­zig mit Rom unier­ten Ost­kir­chen aller fünf lit­ur­gi­schen Riten.

Anzei­ge

Papst Leo XIV. erwähn­te aus­drück­lich die Ukrai­ne, aber eben­so die „unmensch­li­che Lage“, die der­zeit im Gaza­strei­fen herrscht. Er erin­ner­te dabei auch an die in der Geschich­te ver­schie­dent­lich von sei­ten der latei­ni­schen Kir­che geüb­te Into­le­ranz gegen­über den öst­li­chen Riten. „Die Gewalt des Krie­ges scheint die Gebie­te des christ­li­chen Ostens mit einer nie dage­we­se­nen, gera­de­zu teuf­li­schen Vehe­menz zu tref­fen“, so der Papst. Die­se Wor­te bezie­hen sich sowohl auf die bewaff­ne­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen, die zer­stö­re­ri­sche Kraft moder­ner Waf­fen­sy­ste­me und die Dis­kus­si­on um den Ein­satz von Atom­waf­fen, als auch auf den Bru­der­krieg in der Ukrai­ne und die fort­schrei­ten­de Dezi­mie­rung der Chri­sten im Nahen Osten. Aus­drück­lich beklag­te er die grau­sa­men Atten­ta­te gegen Chri­sten, die durch Dschi­ha­di­sten ver­übt wer­den, und nann­te dabei aus­drück­lich den Mord­an­schlag auf die Mar-Eli­as-Kir­che in Damas­kus am ver­gan­ge­nen Sonntag.

Nach­fol­gend der voll­stän­di­ge Wort­laut der päpst­li­chen Anspra­che, die vom Vati­kan bis­lang nicht in deut­scher Über­set­zung ver­öf­fent­licht wurde:

Im Namen des Vaters, des Soh­nes und des Hei­li­gen Geistes.

Frie­de sei mit Euch!

Hoch­wür­dig­ste Emi­nenz und Exzel­len­zen,
lie­be Prie­ster, Brü­der und Schwestern!

Der Frie­de sei mit Ihnen! Ich hei­ße Sie will­kom­men und freue mich, Sie am Ende Ihrer Voll­ver­samm­lung zu tref­fen. Ich grü­ße Sei­ne Emi­nenz Kar­di­nal Guge­rot­ti, die ande­ren Obe­ren des Dik­aste­ri­ums, die Beam­ten und Sie alle, die Mit­glie­der der ROACO-Werke.

„Gott liebt den fröh­li­chen Geber“ (2 Kor 9,7). Ich weiß, daß die Unter­stüt­zung der ori­en­ta­li­schen Kir­chen für Sie nicht in erster Linie eine Arbeit ist, son­dern eine Mis­si­on, die im Namen des Evan­ge­li­ums aus­ge­übt wird, das, wie das Wort selbst sagt, eine Ver­kün­di­gung der Freu­de ist, die vor allem das Herz Got­tes erfreut, der sich in der Groß­zü­gig­keit nie­mals unter­krie­gen läßt. Ich dan­ke Ihnen dafür, daß Sie zusam­men mit Ihren Wohl­tä­tern Hoff­nung in den Län­dern des christ­li­chen Ostens säen, die nie mehr als jetzt von Krie­gen ver­wü­stet, von Inter­es­se ent­leert und in einen Man­tel des Has­ses gehüllt sind, der die Luft atem­los und gif­tig macht. Ihr seid der Sau­er­stoff­tank der Ost­kir­chen, die von Kon­flik­ten erschöpft sind. Für so vie­le Völ­ker, die arm an Mit­teln, aber reich im Glau­ben sind, seid ihr ein Licht, das in der Dun­kel­heit des Has­ses leuch­tet. Ich bit­te Sie schwe­ren Her­zens, immer alles zu tun, was Sie kön­nen, um die­sen so wert­vol­len und bewähr­ten Kir­chen zu helfen.

Die Geschich­te der katho­li­schen Ost­kir­chen ist oft von der Gewalt geprägt, die sie erlit­ten haben; lei­der hat es auch inner­halb der katho­li­schen Kir­che selbst nicht an Drang­sa­lie­run­gen und Unver­ständ­nis gefehlt, da sie nicht in der Lage war, den Wert ande­rer Tra­di­tio­nen als der west­li­chen anzu­er­ken­nen und zu schät­zen. Aber heu­te scheint die Gewalt des Krie­ges die Gebie­te des christ­li­chen Ostens mit einer nie zuvor gese­he­nen teuf­li­schen Vehe­menz zu tref­fen. Auch Ihre Jah­res­ta­gung wur­de durch die phy­si­sche Abwe­sen­heit derer beein­träch­tigt, die aus dem Hei­li­gen Land hät­ten kom­men sol­len, aber die Rei­se nicht antre­ten konn­ten. Mir blu­tet das Herz, wenn ich an die Ukrai­ne den­ke, an die tra­gi­sche und unmensch­li­che Situa­ti­on in Gaza und an den Nahen Osten, der durch die Aus­brei­tung des Krie­ges ver­wü­stet wird. Wir alle, die Mensch­heit, sind auf­ge­ru­fen, die Ursa­chen die­ser Kon­flik­te zu ergrün­den, die wirk­li­chen zu über­prü­fen und zu über­win­den und die fal­schen, die das Ergeb­nis von emo­tio­na­len Simu­la­tio­nen und Rhe­to­rik sind, zurück­zu­wei­sen, indem wir sie ent­schlos­sen auf­decken. Men­schen dür­fen nicht auf­grund von Fake News sterben.

Es ist wirk­lich trau­rig zu sehen, daß heu­te in so vie­len Berei­chen das Recht des Stär­ke­ren gilt, mit dem man sei­ne eige­nen Inter­es­sen legi­ti­miert. Es ist ent­mu­ti­gend zu sehen, daß die Kraft des inter­na­tio­na­len und huma­ni­tä­ren Rechts nicht mehr zu zwin­gen scheint, son­dern durch das angeb­li­che Recht ersetzt wird, ande­re mit Gewalt zu zwin­gen. Das ist men­schen­un­wür­dig, es ist beschä­mend für die Mensch­heit und für die Füh­rer der Natio­nen. Wie kann man nach Jahr­hun­der­ten der Geschich­te glau­ben, daß Kriegs­hand­lun­gen Frie­den brin­gen und nicht auf die­je­ni­gen zurück­fal­len, die sie geführt haben? Wie kann man dar­an den­ken, die Grund­la­gen für die Zukunft zu schaf­fen, ohne Zusam­men­halt, ohne eine Gesamt­vi­si­on, die vom Gemein­wohl beseelt ist? Wie kann man den Wunsch der Men­schen nach Frie­den wei­ter­hin mit der fal­schen Pro­pa­gan­da der Auf­rü­stung ver­ra­ten, in der ver­geb­li­chen Illu­si­on, daß die Vor­herr­schaft die Pro­ble­me löst, anstatt Haß und Rache zu schü­ren? Die Men­schen sind sich immer weni­ger dar­über im Kla­ren, wie viel Geld in die Taschen der Händ­ler des Todes fließt, mit dem man Kran­ken­häu­ser und Schu­len bau­en könn­te; und statt­des­sen zer­stö­ren sie die bereits gebauten!

Und ich fra­ge mich: Was kön­nen wir als Chri­sten tun, außer uns zu empö­ren, unse­re Stim­me zu erhe­ben und die Ärmel hoch­zu­krem­peln, um Frie­den zu schaf­fen und den Dia­log zu för­dern? Ich glau­be, daß wir zual­ler­erst wirk­lich beten müs­sen. Es liegt an uns, jede tra­gi­sche Nach­richt und jedes Bild, das uns begeg­net, zu einem Schrei der Für­bit­te zu Gott zu machen. Und dann zu hel­fen, wie Sie es tun und wie es vie­le tun und durch Sie tun kön­nen. Aber es gibt noch mehr, und dabei den­ke ich beson­ders an den christ­li­chen Osten: Es gibt ein Zeug­nis. Es ist der Auf­ruf, Jesus treu zu blei­ben, ohne sich in den Ten­ta­keln der Macht zu ver­fan­gen. Es geht dar­um, Chri­stus nach­zu­ah­men, der das Böse über­wand, indem er vom Kreuz aus lieb­te und eine ande­re Art des Regie­rens zeig­te als Hero­des und Pila­tus: der eine hat­te aus Angst, abge­setzt zu wer­den, Kin­der ermor­det, die heu­te noch von Bom­ben zer­ris­sen wer­den; der ande­re wusch sei­ne Hän­de in Unschuld, wie wir es jeden Tag an der Schwel­le des Unwie­der­bring­li­chen ris­kie­ren. Schau­en wir auf Jesus, der uns auf­ruft, die Wun­den der Geschich­te nur mit der Sanft­mut sei­nes glor­rei­chen Kreu­zes zu hei­len, von dem die Kraft der Ver­ge­bung aus­geht, die Hoff­nung auf einen Neu­be­ginn, die Pflicht, im Meer der Kor­rup­ti­on ehr­lich und trans­pa­rent zu blei­ben. Fol­gen wir Chri­stus, der die Her­zen vom Haß befreit hat, und geben wir ein Bei­spiel, damit wir uns von der Logik der Spal­tung und der Ver­gel­tung befrei­en kön­nen. Ich möch­te allen Chri­sten des Ostens, die auf das Böse mit dem Guten ant­wor­ten, dan­ken und sie idea­ler­wei­se umar­men: Dan­ke, Brü­der und Schwe­stern, für das Zeug­nis, das ihr gebt, vor allem wenn ihr als Jün­ger und Zeu­gen Chri­sti in euren Län­dern bleibt.

Lie­be Freun­de der ROACO, bei eurer Arbeit seht ihr neben dem vie­len Elend, das durch Krieg und Ter­ro­ris­mus ver­ur­sacht wird – ich den­ke an den jüng­sten schreck­li­chen Angriff auf die Kir­che des Hei­li­gen Eli­as in Damas­kus – auch das Auf­blü­hen der Trie­be des Evan­ge­li­ums in der Wüste. Ent­decken Sie das Volk Got­tes, das beharr­lich sei­nen Blick zum Him­mel rich­tet, zu Gott betet und sei­nen Näch­sten liebt. Berüh­ren Sie die Anmut und Schön­heit der öst­li­chen Tra­di­tio­nen, der Lit­ur­gien, die es Gott erlau­ben, Zeit und Raum zu bewoh­nen, der welt­li­chen Hym­nen, die von Lob­preis, Herr­lich­keit und Geheim­nis durch­drun­gen sind und die eine unauf­hör­li­che Bit­te um Ver­ge­bung für die Mensch­heit aus­spre­chen. Sie begeg­nen Gestal­ten, die sich, oft im ver­bor­ge­nen, in die gro­ße Rei­he der Mär­ty­rer und Hei­li­gen des christ­li­chen Ostens ein­rei­hen. In der Nacht der Kon­flik­te seid ihr Zeu­gen des Lichts des Ostens.

Ich wür­de mir wün­schen, daß die­ses Licht der Weis­heit und des Heils in der katho­li­schen Kir­che bekann­ter wird, in der es in die­ser Hin­sicht noch viel Unwis­sen­heit gibt und in der der Glau­be man­cher­orts zu ersticken droht, auch wegen des glück­li­chen Wun­sches, den der hei­li­ge Johan­nes Paul II. mehr­fach geäu­ßert hat, als er vor 40 Jah­ren sag­te: „Die Kir­che muß wie­der ler­nen, mit ihren bei­den Lun­gen­flü­geln zu atmen, dem öst­li­chen und dem west­li­chen“ (Anspra­che an das Hei­li­ge Kar­di­nals­kol­le­gi­um, 28. Juni 1985). Der christ­li­che Osten kann jedoch nur bewahrt wer­den, wenn er geliebt wird; und er wird nur geliebt, wenn er bekannt ist. In die­sem Sin­ne ist es not­wen­dig, die Kla­ren Auf­for­de­run­gen des Lehr­am­tes, sei­ne Schät­ze ken­nen­zu­ler­nen, umzu­set­zen, indem man zum Bei­spiel damit beginnt, in den Semi­na­ren, theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten und katho­li­schen Uni­ver­si­täts­zen­tren Grund­kur­se über die Ost­kir­chen zu orga­ni­sie­ren (vgl. Johan­nes Paul II, Apost. Schrei­ben Ori­en­ta­le lumen, 24; Kon­gre­ga­ti­on für das katho­li­sche Bil­dungs­we­sen, Rund­schrei­ben En égard au déve­lo­p­pe­ment, 9–14). Und es bedarf auch der Begeg­nung und des gemein­sa­men pasto­ra­len Han­delns, denn die Katho­li­ken des Ostens sind heu­te kei­ne ent­fern­ten Cou­sins mehr, die unbe­kann­te Riten fei­ern, son­dern Brü­der und Schwe­stern, die auf­grund der erzwun­ge­nen Migra­tio­nen neben uns leben. Ihr Sinn für das Hei­li­ge, ihr kri­stall­kla­rer Glau­be, der durch die Prü­fun­gen gra­nit­ar­tig gewor­den ist, und ihre Spi­ri­tua­li­tät, die nach dem gött­li­chen Geheim­nis riecht, kön­nen dem im Westen latent vor­han­de­nen Durst nach Gott zugu­te kommen.

Ver­trau­en wir die­ses gemein­sa­me Wachs­tum im Glau­ben der Für­spra­che der all­hei­li­gen Mut­ter Got­tes und der Apo­stel Petrus und Pau­lus an, die Ost und West mit­ein­an­der ver­bun­den haben. Ich seg­ne Sie und ermu­ti­ge Sie, in der Lie­be zu ver­har­ren, beseelt von der Hoff­nung auf Chri­stus. Ich dan­ke Euch!

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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2 Kommentare

  1. Vie­len Dank, aber es muss hei­ßen „jahr­hun­der­te­al­te Hym­nen“, nicht „welt­li­che Hym­nen“. „Seco­la­re“ kann zwar „säku­lar“ sein, aber auch „jahr­hun­der­te­alt“.

  2. Bes­ser als Berg­o­glio, aber das Wort Islam, oder wenig­stens Isla­mis­mus (ein Lügen­wort) ver­wen­det er nicht ein­mal. Die Kin­der in Gaza, wenig­stens wenn man unter 18 Jäh­ri­ge als Kin­der bezeich­net, sind selbst Schuld, sie sind meist spä­te­stens im Alter von 14 Jah­ren so gut wie ein 24 Jäh­ri­ger Ter­ro­rist, wie­der die ekli­ge Ver­mi­schung von schul­di­gen mit unschul­di­gen Opfern.
    Wenn Katho­li­ken mit die­ser Arm­se­lig­keit schon zufrie­den sind, und eine sol­che Rede, die zwar wenig­stens ein wenig Tie­fe und nicht vor­der­grün­dig mar­xi­sti­sche Paro­len ent­hält als zei­chen von Hei­lig­keit bezeich­nen, dann haben ist die ein­zi­ge Chan­ce für sie nicht hoff­nungs­los ver­lo­ren zu sein das Schick­sal der Chri­sten in Syrien

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