Leo XIV: Die Ehe ist kein Ideal, sondern der Kanon der wahren Liebe zwischen Mann und Frau

Ein Zeichen des Friedens für alle sein


Leo XIV. bekräftigte die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau als Kanon des Lebens.
Leo XIV. bekräftigte die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau als Kanon des Lebens.

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

„Die Ehe ist kein Ide­al, son­dern der Kanon der wah­ren Lie­be zwi­schen Mann und Frau: eine voll­kom­me­ne, treue und frucht­ba­re Lie­be.“

So sprach Leo XIV. am 31. Mai 2025 in sei­ner Pre­digt wäh­rend der Mes­se zum Jubi­lä­um der Fami­li­en. Er beton­te, daß die­se Lie­be „uns nach dem Bil­de Got­tes fähig macht, Leben zu schen­ken“.

Die Bedeu­tung die­ser Wor­te soll­te uns nicht ent­ge­hen, denn in unse­rer Zeit wird das Sit­ten­ge­setz all­zu oft als blo­ßes Ide­al dar­ge­stellt – als ein Ziel, das kaum zu errei­chen ist. Doch das Wort „Kanon“ bedeu­tet in der kirch­li­chen Spra­che eine offi­zi­el­le Regel der Kir­che, ein juri­sti­sches und mora­li­sches Gebot, ein objek­ti­ves Gesetz, das für alle Chri­sten ver­bind­lich ist.

Die Ehe – geschlos­sen von einem Mann und einer Frau – ist unauf­lös­lich. Sie ist eine gött­li­che und zugleich natür­li­che Ein­rich­tung, von Gott selbst gewollt und durch Jesus Chri­stus zur Wür­de eines Sakra­men­tes erho­ben. Die Fami­lie, gegrün­det auf die­ser Ehe, ist eine wah­re Gesell­schaft mit gei­sti­ger, sitt­li­cher und recht­li­cher Ein­heit, deren Ord­nung und Rech­te Gott selbst fest­ge­setzt hat. Wer die­ses Gesetz ach­tet, dem wird von Gott jede Gna­de zuteil, die zu des­sen Erfül­lung not­wen­dig ist.

Die Ehe ledig­lich als Ide­al dar­zu­stel­len und nicht als Gesetz, an das eine Gna­de geknüpft ist, bedeu­tet, sie aus dem Bereich des Wirk­li­chen in den der blo­ßen Wün­sche zu ver­wei­sen – und die­se Wün­sche erschei­nen oft uner­reich­bar. Es heißt, einem mora­li­schen Rela­ti­vis­mus zu ver­fal­len. Doch der Mensch braucht für sein Leben Prin­zi­pi­en, die nicht nur denk­bar, son­dern auch leb­bar sind – eines die­ser Prin­zi­pi­en ist die Ehe.

Dem­ge­gen­über steht die Auf­fas­sung, wie sie im Apo­sto­li­schen Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia aus dem Jah­re 2016 zum Aus­druck kommt, in wel­chem Papst Fran­zis­kus davon spricht, das „Ide­al“ der Ehe sol­le den Men­schen schritt­wei­se vor­ge­schla­gen wer­den, um sie auf ihrem Weg zu beglei­ten. Doch die katho­li­sche Moral kennt kei­ne Abstu­fung – sie ist ent­we­der abso­lut oder sie ist es nicht. Die Vor­stel­lung von „Aus­nah­men“ vom Gesetz beruht gera­de auf der Annah­me eines uner­reich­ba­ren Ideals.

Dies war auch die Leh­re Mar­tin Luthers, der behaup­te­te, Gott habe dem Men­schen ein Gesetz gege­ben, das er nicht hal­ten kön­ne. Aus die­ser Über­zeu­gung ent­wickel­te Luther das Kon­zept eines „fidu­zia­len Glau­bens“: ein Glau­be, der ohne Wer­ke erlöst, eben weil die Gebo­te nicht befolgt wer­den kön­nen. Das Kon­zil von Tri­ent wider­sprach die­ser Leh­re ent­schie­den und bekräf­tig­te, daß der Mensch durch Glau­ben und Wer­ke erlöst wird. Es sprach das Ana­the­ma über jene aus, die behaup­ten, „für den gerecht­fer­tig­ten Men­schen, der in der Gna­de steht, sei­en die Gebo­te Got­tes unmög­lich zu hal­ten“ (Den­zin­ger-Hüner­mann Nr. 1568). Und es erklär­te: „Denn Gott gebie­tet nicht das Unmög­li­che; son­dern wenn er gebie­tet, ermahnt er dich, zu tun, was du kannst, und zu erbit­ten, was du nicht kannst, und er hilft dir, daß du es kannst“ (Denz.-H. Nr. 1356).

Gewiß, es kann Situa­tio­nen geben, in denen man mit schein­bar unüber­wind­ba­ren Schwie­rig­kei­ten kon­fron­tiert ist. In sol­chen Fäl­len jedoch ist es die Pflicht des Men­schen, alles in sei­ner Macht Ste­hen­de zu tun, um das gött­li­che und natür­li­che Gesetz zu erfül­len – und Gott um Hil­fe zu bit­ten, damit das Unmög­li­che mög­lich wer­de. Es ist der katho­li­sche Glau­be, daß die­se Hil­fe nicht aus­bleibt und daß kein Pro­blem unlös­bar ist. In außer­ge­wöhn­li­chen Fäl­len wird Gott eine außer­or­dent­li­che Gna­de schen­ken, denn Er hat uns kein Gesetz gege­ben, das wir nicht erfül­len können.

Die Leh­re ist kein abstrak­tes Ide­al. Das Leben eines Chri­sten ist die prak­ti­sche Ver­wirk­li­chung der Gebo­te gemäß der Leh­re Jesu: „Wer mei­ne Gebo­te annimmt und sie hält, der liebt mich“ (Joh 14,21).

Des­halb sag­te Kar­di­nal Bur­ke in einem Inter­view von 2019, über das die Cor­ri­spon­den­za Roma­na berichtete:

„Jemand hat gesagt, daß wir am Ende des Tages aner­ken­nen müs­sen, die Ehe sei ein Ide­al, das nicht jeder errei­chen kön­ne, und wir müß­ten daher die kirch­li­che Leh­re an jene anpas­sen, die ihr Ehe­ver­spre­chen nicht hal­ten kön­nen. Doch die Ehe ist kein Ide­al. Sie ist eine Gna­de. Und wenn ein Paar das Ehe­ver­spre­chen ablegt, emp­fan­gen bei­de die Gna­de, ihr Leben lang in frucht­ba­rer und treu­er Ver­bin­dung zu leben. Auch der Schwäch­ste, der am wenig­sten Gebil­de­te, erhält die Gna­de, im Ehe­bund treu zu bleiben.“

Lesen wir daher noch­mals mit Bedacht die Wor­te Leos XIV.:

„In den letz­ten Jahr­zehn­ten haben wir ein Zei­chen erhal­ten, das uns mit Freu­de erfüllt und zugleich zum Nach­den­ken anregt: Ich mei­ne die Tat­sa­che, daß Ehe­paa­re selig- und hei­lig­ge­spro­chen wur­den – nicht jeder für sich, son­dern gemein­sam. Ich den­ke etwa an Lou­is und Zélie Mar­tin, die Eltern der hl. Thé­rè­se vom Kin­de Jesu, an das seli­ge Ehe­paar Lui­gi und Maria Bel­tra­me Quat­troc­chi, deren Fami­li­en­le­ben sich im letz­ten Jahr­hun­dert in Rom ent­fal­te­te. Und ver­ges­sen wir nicht die pol­ni­sche Fami­lie Ulma – Eltern und Kin­der, ver­eint in Lie­be und Mar­ty­ri­um. Ich nann­te dies ein zum Nach­den­ken anre­gen­des Zei­chen. Ja, indem die Kir­che auf Ehe­leu­te als bei­spiel­haf­te Zeu­gen hin­weist, sagt sie uns, daß die Welt von heu­te den Ehe­bund braucht, um die Lie­be Got­tes ken­nen­zu­ler­nen und auf­zu­neh­men – und um mit sei­ner eini­gen­den und ver­söh­nen­den Kraft den Kräf­ten ent­ge­gen­zu­tre­ten, die Bezie­hun­gen und Gesell­schaf­ten zersetzen.“

„Dar­um sage ich euch Ehe­leu­ten mit einem Her­zen voll Dank­bar­keit und Hoff­nung: Die Ehe ist kein Ide­al, son­dern der Kanon der wah­ren Lie­be zwi­schen Mann und Frau – der voll­kom­me­nen, treu­en und frucht­ba­ren Lie­be (vgl. Paul VI., Enz. Hum­a­nae Vitae, Nr. 9). Die­se Lie­be macht euch, indem sie euch zu einem Fleisch ver­eint, fähig, Leben zu schen­ken – nach dem Bil­de Gottes.“

„So ermu­ti­ge ich euch, euren Kin­dern ein Vor­bild der Bestän­dig­keit zu sein – indem ihr euch so ver­hal­tet, wie ihr wünscht, daß sie sich ver­hal­ten sol­len. Erzieht sie zur Frei­heit durch Gehor­sam, sucht stets in ihnen das Gute und die Mit­tel, es zu meh­ren. Und ihr, Kin­der, seid euren Eltern dank­bar. ‚Dan­ke‘ zu sagen – für das Geschenk des Lebens und für all das, was uns täg­lich damit geschenkt wird – ist der erste Weg, Vater und Mut­ter zu ehren (vgl. Ex 20,12).“

Am Anfang und am Ende sei­ner Pre­digt kehr­te der Papst zu einem Her­zens­an­lie­gen zurück: dem Gebet Jesu an den Vater aus dem Johan­nes­evan­ge­li­um: „Daß alle eins sei­en“ (Joh 17,20). Kei­ne vage Ein­heit, son­dern eine tie­fe Gemein­schaft, gegrün­det in der Lie­be Got­tes selbst; „uno unum“, wie der hl. Augu­sti­nus sagt (Ser­mo super Ps. 127): eins in dem einen Erlö­ser, umfan­gen von der ewi­gen Lie­be Gottes.

„Gelieb­te, wenn wir uns auf die­se Wei­se lie­ben – gegrün­det auf Chri­stus, der ‚das Alpha und das Ome­ga‘ ist, ‚der Anfang und das Ende‘ (vgl. Offb 22,13) – dann wer­den wir ein Zei­chen des Frie­dens für alle sein: in der Gesell­schaft und in der Welt. Und ver­ges­sen wir nicht: Aus den Fami­li­en erwächst die Zukunft der Völker.“

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.
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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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