
Aktuelle Überlegungen von Giuseppe Nardi
Ein Pontifikat ist zu Ende. Heute wurde Franziskus, der als 266. Papst in der Kirchengeschichte verzeichnet ist, in der päpstlichen Marienbasilika Santa Maria Maggiore in Rom beigesetzt. Das nächste Kirchenoberhaupt wird viele Baustellen vorfinden. Eine davon betrifft die Tradition und die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX).
Heute hat die neuntägige Trauerzeit begonnen, an die das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes anschließen wird. Franziskus tat sein Bestes, um die im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgerissenen Baustellen nicht zu schließen, sondern neue aufzutun.
Eine offene Baustelle, die direkt auf den Konzilsgeist zurückgeht, ist die Tradition, die verstoßene, bestenfalls geduldete Stieftochter. Die Piusbruderschaft, die das Erstgeburtsrecht aller Gemeinschaften der Tradition innehat, verfügt nur mehr über zwei Bischöfe, und diese üben ihr Amt bereits seit 37 Jahren aus.
Erzbischof Marcel Lefebvre, der Gründer der Piusbruderschaft, hatte sich 1988 dafür entschieden, vier Bischöfe zu weihen, um aufgrund des herrschenden „Notstandes“, wie er es begründete, den Fortbestand seines Werks zu sichern.
Wenn Erzbischof Lefebvre vor bald 40 Jahren der Überzeugung war, daß es damals mindestens vier Bischöfe brauchte, um alle Aufgaben erfüllen zu können, wie könnten dann 2025 nur mehr zwei Bischöfe ausreichend sein? Da das Werk von Erzbischof Lefebvre heute deutlich größer und umfassender ist als 1988, erscheint es realistischer, wie manche sagen, daß die Piusbruderschaft heute wohl eher zwölf Bischöfe benötigt. Im Umkehrschluß macht sich unglaubwürdig, wer darauf beharrt, daß zwei Bischöfe ausreichen würden, wo Lefebvre schon damals vier für notwendig erachtete.
An Arbeitsfeldern fehlt es nicht. Man denke an die Lage der katholischen Kirche im deutschen Sprachraum, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, wo die offizielle Hierarchie die Kirche in eine einseitige politische Richtung drängt, verpolitisiert, ideologisiert, kurzum, zu einem verlängerten Arm und Hilfswerk weltlicher Machteliten umbaut. Der Tradition kommt es zu, die Kirche als Kirche wieder sichtbar zu machen, denn allein danach sehnen sich die Gläubigen. Und allein eine solche Kirche ist ein Stein des Anstoßes und fordert heraus, was wiederum die Voraussetzung für Mission und Bekehrung ist.
Die Engpässe in der Piusbruderschaft werden vor diesem Hintergrund noch offensichtlicher. Jüngst mußten aus gesundheitlichen Gründen Weihen von Zaitzkofen nach Ecône verlegt werden. Von manchen wurde das als Alarmsignal wahrgenommen. Schon länger gibt es Stimmen in der Piusbruderschaft, die es für unzureichend halten, daß zwei Bischöfe alle Aufgaben bewältigen müssen. Manche sprechen sogar von einer „prekären Situation“, die durch den Tod von Bischof Bernard Tissier de Mallerais im Oktober 2024 entstanden ist, nachdem bereits 2012 Bischof Richard Williamson (+ 2025) aus der Piusbruderschaft ausgeschlossen worden war.
Es gibt jene in der Piusbruderschaft, die in neuen Bischofsweihen vor allem auch einen neuen Impuls sehen. Das Risiko, sich auf dem Erreichten auszuruhen, ist grundsätzlich eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Neue Bischöfe könnten die notwendigen neuen Impulse setzen. Vor allem, so wird argumentiert, könnten sie junge Männer motivieren, in die Seminare einzutreten und sich auf das Priestertum vorzubereiten, denn jene Gemeinschaften ziehen Berufungen an, deren Fortbestand gesichert ist. Manche beklagen auch, daß es Teile der Piusbruderschaft gibt, in denen ein gewisser Stillstand herrsche und auch hier werden neue Bischofsweihen als das geeignete Instrument gesehen, diesen zu überwinden.
Es stimmt, daß der verstorbene Franziskus die Priester der Bruderschaft und ihren priesterlichen Dienst implizit anerkannte, indem er ihnen im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit die Beichterlaubnis erteilte und ebenso die Erlaubnis, Brautpaare zu trauen. Allerdings bestünde, wie Mahner anfügen, kein Grund, sich auf diesen „Lorbeeren“ auszuruhen. Das sei eine wichtige Etappe, so wie die Aufhebung der Exkommunikation durch Benedikt XVI. eine wichtige Etappe war. Der zu gehende Weg zur Erneuerung der Kirche sei aber noch weit.
Die Frage steht jedenfalls im Raum, wann es zu neuen Bischofsweihen für die Piusbruderschaft kommen wird. In Rom wird sich übernächste Woche das Konklave versammeln, um einen neuen Papst zu wählen. Wann wird die Piusbruderschaft dem neugewählten 267. Papst die Notwendigkeit von Bischofsweihen unterbreiten? Nichts spricht dagegen, sagen manche, dies gleich am Tag nach der Neuwahl zu tun. Es spreche vielmehr alles dafür, wie einige sagen, denn worauf sollte noch länger gewartet werden? Die Notwendigkeit von neuen Bischofsweihen ist objektiv gegeben. Daher sollte die Anfrage an den neuen Papst, wie es heißt, auch gleich mit der Vorlage einer konkreten Namensliste der Bischofskandidaten gekoppelt werden.
Trotz des genannten Signals der Anerkennung ist bekannt, daß Franziskus kein Freund des überlieferten Ritus und der Tradition war. Die Piusbruderschaft beruft sich mit Recht darauf, daß faktisch alle Gemeinschaften der Tradition direkt oder indirekt aus ihr hervorgegangen sind. Dieser Vorrang wird von den sogenannten ehemaligen Ecclesia-Dei-Gemeinschaften auch anerkannt, wenn auch nicht offiziell. Dieser Vorrang bedeutet für die Piusbruderschaft aber auch eine Verpflichtung. Der Notstand, auf den sich Erzbischof Lefebvre berief, ist, darin scheint in der gesamten Tradition Einhelligkeit zu bestehen, nicht geringer geworden, vielmehr in manchen Bereichen sogar größer. Das zu Ende gegangene Pontifikat hat dazu, mit den eingangs erwähnten neuen Baustellen, erheblich beigetragen.
Franziskus ist tot, aber sein Umfeld ist durch ihn stark geworden. Die Tradition wurde vom argentinischen Papst ausgegrenzt und diskreditiert. Das Hineinwirken in den großen Bereich des Novus Ordo, das von Benedikt XVI. gewünscht und angestoßen worden war, wurde von Franziskus ausgemerzt. Der Rechtsstatus der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften wurde geschwächt und diese in das eng umgrenzte Gehege zurückgedrängt, in dem man sie seit 1970 hält. Die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, wie das jüngste Pontifikat zeigte, sind schutzlos den Launen Roms ausgeliefert. Keine von ihnen verfügt über einen Bischof. Auch mit Blick auf diese Gemeinschaften trägt die Piusbruderschaft Verantwortung, ihren Fortbestand abzusichern, um das Überleben der Tradition sicherzustellen. Ohne Bischöfe gibt es keine gesicherten Weihen und ohne Priester keine Sakramentenspendung.
Die Zukunft der Tradition, so sagen es mahnende Stimmen, kann nicht an zwei Bischöfen allein hängen. 37 Jahre nach den Bischofsweihen von 1988 sind neue Bischofsweihen nicht nur notwendig, sondern überfällig. Die Piusbruderschaft wird ihr Zögern, das unter Franziskus verständlich war, nun so oder so überwinden müssen, wer auch immer zum Papst gewählt werden sollte, denn die biologische Uhr tickt. Dem nächsten Nachfolger des Petrus sollte, wie manche betonen, gleich nach der Inthronisation eine Namensliste mit Weihekandidaten unterbreitet werden. Es wird dann an ihm liegen, darüber zu entscheiden, so wie es an den Oberen der Piusbruderschaft liegen wird, je nach Ausgang der päpstlichen Entscheidung ihrerseits die notwendigen Schritte zu setzen, um den Fortbestand der Tradition, der letztlich der Fortbestand der Kirche ist, zu garantieren.
Bild: FSSPX (Screenshot)