Warum mögen junge Menschen die traditionelle Messe?

Zuflucht und Quelle der Stabilität


"Le Conservateur" berichtet über den überlieferten Römischen Ritus
"Le Conservateur" berichtet über den überlieferten Römischen Ritus

Das fran­zö­si­sche Inter­net­ma­ga­zin Le Con­ser­va­teur befaß­te sich vor kur­zem mit dem über­lie­fer­ten Römi­schen Ritus und gelang­te zu fol­gen­den Beob­ach­tun­gen und Schluß­fol­ge­run­gen. Hier der voll­stän­di­ge Text:

Anzei­ge

Wäh­rend man mei­nen könn­te, daß die latei­ni­sche Mes­se, die Mes­se aller Zei­ten, der Ver­gan­gen­heit ange­hört, ent­deckt eine wach­sen­de Zahl jun­ger Katho­li­ken die­se alte Form des Got­tes­dien­stes wie­der. Die­ses Phä­no­men hat in den ver­gan­ge­nen zwei Jahr­zehn­ten immer grö­ße­re Aus­ma­ße ange­nom­men, ins­be­son­de­re seit dem Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Papst Bene­dikt XVI. aus dem Jahr 2007, das den Zugang zur triden­ti­ni­schen Mes­se erleich­ter­te. In meh­re­ren Län­dern, vor allem in Frank­reich, den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und Ita­li­en, zie­hen die Fei­ern nach dem über­lie­fer­ten Ritus immer mehr Gläu­bi­ge an, die oft unter 35 Jah­re alt sind. War­um die­se Begei­ste­rung? Was treibt die­se jun­gen Men­schen dazu, sich einer Lit­ur­gie zuzu­wen­den, die im Gei­ste der Baby­boo­mer-Gene­ra­ti­on zu ver­schwin­den drohte?

Ein Bedürfnis nach dem Heiligen und der Tradition

In einer moder­nen Welt, die von Unmit­tel­bar­keit und stän­di­gem Wan­del geprägt ist, erscheint die latei­ni­sche Mes­se als fester geist­li­cher Anker. Vie­le jun­ge Men­schen, die nach Tie­fe und Tran­szen­denz suchen, fin­den in die­ser Lit­ur­gie eine Schön­heit und Fei­er­lich­keit, die den volks­sprach­li­chen Mes­sen manch­mal fehlt. Der gre­go­ria­ni­sche Gesang, die prä­zi­sen Gesten des Prie­sters, die kon­tem­pla­ti­ve Stil­le – all das bie­tet ihnen eine Erfah­rung des Hei­li­gen, die sie als inten­si­ver empfinden.

Eine Antwort auf den Verlust von Bezugspunkten

Die heu­ti­ge Gesell­schaft ist in stän­di­gem Wan­del begrif­fen, und vie­le jun­ge Men­schen emp­fin­den eine Art Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit. Ange­sichts des­sen stellt die tra­di­tio­nel­le Mes­se eine Kon­ti­nui­tät dar, eine gei­sti­ge Wur­zel, die sie mit den Jahr­hun­der­ten des christ­li­chen Glau­bens ver­bin­det. Man­che sehen dar­in auch eine Ant­wort auf den vor­herr­schen­den Rela­ti­vis­mus: Die triden­ti­ni­sche Mes­se erscheint ihnen als kla­rer und unmiß­ver­ständ­li­cher Aus­druck der katho­li­schen Lehre.

Das Zweite Vatikanische Konzil: eine für junge Menschen wenig attraktive Reform?

Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil (1962–1965) führ­te Refor­men ein, um die Lit­ur­gie zugäng­li­cher zu machen, ins­be­son­de­re durch die Ver­wen­dung der Volks­spra­chen und eine stär­ke­re Betei­li­gung der Gläu­bi­gen. Die­se Ände­run­gen spre­chen jedoch die jun­gen Men­schen nicht mehr an, die sich mit gro­ßem Respekt vor der Lit­ur­gie der übli­chen Mes­se oder einer klas­si­sche­ren Fei­er in der Volks­spra­che zuwen­den. Vie­le sind der Mei­nung, daß die Lit­ur­gie­re­form zu einem Ver­lust an Sakra­li­tät geführt hat, da die Fei­ern manch­mal als banal oder zu nah an der moder­nen Kul­tur emp­fun­den wer­den oder auf­grund des ideo­lo­gi­schen Ein­flus­ses, den die Öku­me­ne ver­brei­tet, sogar an Pro­te­stan­tis­mus gren­zen. Der Wunsch der Kir­che, sich an die heu­ti­ge Welt anzu­pas­sen, obwohl er – schein­bar – von guten Absich­ten gelei­tet wird, führt zu einer Schwä­chung von Leh­re und Pra­xis, denn die Kir­che muß sich nicht an die Welt wen­den, die Kir­che ist zeit­los und in ihrem Fun­da­ment uni­ver­sal, und Chri­stus bleibt exklu­siv und nicht inklu­siv. Es wird immer der sün­di­ge Mensch sein, der sich bekehrt, und nicht die Kir­che, die sich zu unse­ren Sün­den bekehrt. Auf der Suche nach einem struk­tu­rier­te­ren und anspruchs­vol­le­ren Katho­li­zis­mus bevor­zu­gen die­se jun­gen Men­schen eine authen­ti­sche­re Lit­ur­gie, die in der säku­la­ren Tra­di­ti­on der Kir­che ver­wur­zelt ist.

Charismatische Gemeinschaften: ein weniger attraktives Modell

Wäh­rend sich eini­ge jun­ge Katho­li­ken von der Leben­dig­keit cha­ris­ma­ti­scher Gemein­schaf­ten ange­zo­gen füh­len, bleibt ein gro­ßer Teil von ihnen die­sem Modell gegen­über distan­ziert. Sie kri­ti­sie­ren vor allem einen zu emo­tio­na­len Zugang zum Glau­ben, der sich eher auf per­sön­li­che Gefüh­le als auf eine stren­ge Leh­re und Kon­tem­pla­ti­on kon­zen­triert. Die Spon­ta­nei­tät der Fei­ern mit frei­en Gebe­ten, moder­nen Lie­dern und äuße­ren Zei­chen (Hand­auf­le­gung, Glos­so­la­lie) steht in star­kem Kon­trast zur Fei­er­lich­keit und Besinn­lich­keit der Hei­li­gen Mes­se. Vie­le jun­ge Men­schen sehen dar­in die Gefahr eines Sub­jek­ti­vis­mus, bei dem die indi­vi­du­el­le Got­tes­er­fah­rung Vor­rang vor der Objek­ti­vi­tät der Ritua­le und Dog­men hat, wodurch ihr Glau­be zer­brech­lich und den Bewe­gun­gen der welt­li­chen Ten­den­zen unter­wor­fen wird und somit unbe­wußt mit den rei­ßen­den Strö­men des Kapi­ta­lis­mus und des Libe­ra­lis­mus ver­bun­den ist. Außer­dem sehen sie in die­sen Prak­ti­ken einen pro­te­stan­ti­schen Ein­fluß, der weit ent­fernt ist vom tau­send­jäh­ri­gen lit­ur­gi­schen Erbe der katho­li­schen Kir­che. Auf der Suche nach dem Hei­li­gen und der Kon­ti­nui­tät der Tra­di­ti­on bevor­zu­gen sie die latei­ni­sche Mes­se, die ihnen eine tie­fe­re Ver­bin­dung mit dem Glau­ben der ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­te bietet.

Ein durch soziale Netzwerke verstärktes Phänomen

Das Inter­net ist eben­falls an der Ver­brei­tung der latei­ni­schen Mes­se unter jun­gen Men­schen betei­ligt. Auf You­Tube, Insta­gram oder Tik­Tok ver­brei­ten ein­fluß­rei­che Accounts Vide­os von Zere­mo­nien, Erklä­run­gen der tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie und Zeug­nis­se von Kon­ver­ti­ten. Es bil­den sich Online-Gemein­schaf­ten, die es die­sen jun­gen Men­schen ermög­li­chen, ihre Begei­ste­rung zu tei­len und mehr über die Orte zu erfah­ren, an denen die triden­ti­ni­sche Mes­se gefei­ert wird.

Ein tieferes Engagement

Die Rück­be­sin­nung auf den tra­di­tio­nel­len Ritus geht oft mit einem stär­ke­ren Enga­ge­ment für den Glau­ben ein­her. Vie­le die­ser jun­gen Men­schen neh­men aktiv an den Akti­vi­tä­ten ihrer Pfar­rei teil, inter­es­sie­ren sich für die Tex­te des über­lie­fer­ten Lehr­am­tes und ent­wickeln eine gewis­sen­haf­te­re Pra­xis der Sakra­men­te. Sie besu­chen nicht nur die Mes­se: Sie wol­len ihren Sinn ver­ste­hen und ihren Katho­li­zis­mus voll und ganz und mit Stolz leben.

Eine Debatte innerhalb der Kirche

Die­ser Trend führt jedoch auch zu Span­nun­gen. Papst Fran­zis­kus hat mit sei­nem Motu pro­prio Tra­di­tio­nis Cus­to­des (2021) die Fei­er der latei­ni­schen Mes­se strikt ein­ge­schränkt, mit der erklär­ten Über­zeu­gung, daß sie ein Instru­ment der Spal­tung in der Kir­che sei. Die Befür­wor­ter die­ser Ein­schrän­kung sind der Ansicht, daß die über­lie­fer­te Mes­se die Gefahr birgt, die lit­ur­gi­sche und lehr­mä­ßi­ge Ein­heit zu zer­split­tern und die Oppo­si­ti­on gegen das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil anzu­hei­zen. Sie beto­nen die Bedeu­tung der Lit­ur­gie­re­form, um die Kir­che den Gläu­bi­gen näher­zu­brin­gen und eine eli­tä­re Wahr­neh­mung des Got­tes­dien­stes zu ver­mei­den.
Im Gegen­satz dazu sehen die Befür­wor­ter der tra­di­tio­nel­len Mes­se die­se als einen geist­li­chen Reich­tum an, der bewahrt wer­den muß. Sie sind der Mei­nung, daß es in der Geschich­te der Kir­che immer eine lit­ur­gi­sche Viel­falt gege­ben hat und daß das schritt­wei­se Ver­bot der latei­ni­schen Mes­se als unge­recht­fer­tig­ter Aus­schluß der­je­ni­gen ange­se­hen wird, die in die­ser Form einen tie­fe­ren Aus­druck ihres Glau­bens fin­den. Die Situa­ti­on wur­de noch ange­spann­ter, als Papst Fran­zis­kus har­sche Kom­men­ta­re an die Tra­di­tio­na­li­sten rich­te­te und sie manch­mal der Starr­heit oder der Nost­al­gie für die Ver­gan­gen­heit beschul­dig­te. Die­se Äuße­run­gen ver­stärk­ten das Gefühl des Unver­ständ­nis­ses und der Aus­gren­zung unter den Gläu­bi­gen, die der triden­ti­ni­schen Mes­se anhän­gen. Trotz die­ser Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten nimmt die Nach­fra­ge stark zu, und eini­ge Pfar­rei­en zie­hen immer mehr Men­schen und immer mehr jun­ge Leu­te an, die alle gläu­big sind!

Fazit: ein nachhaltiges Comeback?

Das Inter­es­se jun­ger Men­schen an der latei­ni­schen Mes­se ist kei­ne Mode­er­schei­nung, son­dern spie­gelt ein tief ver­wur­zel­tes Stre­ben nach einer anspruchs­vol­len Spi­ri­tua­li­tät wider. In einer Welt, die auf der Suche nach Sinn ist, scheint die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie eine Zuflucht und eine Quel­le der Sta­bi­li­tät zu sein. Die Zukunft die­ser Bewe­gung wird jedoch von meh­re­ren Fak­to­ren abhän­gen: von der Hal­tung der kirch­li­chen Behör­den, von der Aus­bil­dung der Prie­ster für die Fei­er des über­lie­fer­ten Ritus sowie von den sich wan­deln­den Ten­den­zen im kirch­li­chen Bereich auf­grund einer vom Zwei­ten Vati­ka­num gepräg­ten Gene­ra­ti­on.
Wenn bestimm­te Ein­schrän­kun­gen fort­be­stehen, ist es mög­lich, daß die­se Begei­ste­rung in eine Wider­stands­be­we­gung oder eine heim­li­che Wie­der­ent­deckung der Tra­di­ti­on umschlägt. Umge­kehrt könn­te die latei­ni­sche Mes­se, wenn die Kir­che die­se For­de­rung aner­kennt und wohl­wol­lend unter­stützt, wie­der einen dau­er­haf­ten und offi­zi­el­len Platz im lit­ur­gi­schen Leben der jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen ein­neh­men. Es bleibt abzu­war­ten, wie sich die­se Dyna­mik in den kom­men­den Jahr­zehn­ten ent­wickeln wird.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Le Con­ser­va­teur (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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