
Am Pfingstwochenende fand wiederum die große Jugendwallfahrt der Tradition nach Chartres statt. Es ist dies die bedeutendste Wallfahrt traditionsverbundener Jugendlicher weltweit – ein machtvolles Zeichen lebendigen Glaubens und gelebter Liturgie in der überlieferten Form. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer liegt bei Anfang 20. In der Endphase des Pontifikats von Franziskus mehrten sich jedoch die Signale, diese Wallfahrt einzudämmen oder gar zu unterbinden. Eine Rolle spielt hierbei auch der von Franziskus im Jahre 2018 ernannte Bischof von Chartres, Msgr. Philippe Christory.
Diese Wallfahrt ist all jenen in der Kirche ein Dorn im Auge, die den überlieferten Ritus ablehnen oder gar hassen – ja, man muß es leider so sagen: Es gibt Kreise in der Hierarchie, die die alte Liturgie und die ihr treu verbundenen Gläubigen mit offener Feindseligkeit verfolgen. Der tiefere Grund hierfür liegt nicht selten in einer ideologischen Ablehnung des sakralen, ehrfürchtigen Gottesdienstes der Väter und Heiligen.
Daß diese Wallfahrt eine besondere Bedeutung hat, zeigt sich auch daran, daß selbst eine kirchenfeindliche und notorisch linke Zeitung wie El País in Spanien ihr großen Raum widmet. Die Überschrift ihres Artikels ist irreführend – denn der Beitrag selbst sagt nichts darüber aus, wie der Heilige Stuhl über die Wallfahrt denkt, noch ob traditionsverbundene Jugendliche in Rom „schief angesehen“ würden. Noch weniger wird etwas darüber ausgesagt, ob es mit dem Pontifikatswechsel zu einer Neubewertung dieser Wallfahrt oder des überlieferten Ritus kommt.
Doch die Tatsachen sprechen für sich: Die Ära Bergoglio ist zu Ende – und mit Papst Leo XIV. könnte ein völlig neuer Umgang mit der überlieferten Liturgie und den ihr verbundenen Gemeinschaften anbrechen. Kardinal Müller, der frühere Präfekt der Glaubenskongregation, hat in Rom bereits zu Protokoll gegeben, daß es unter Leo XIV. dringenden Handlungsbedarf in bezug auf das Motu proprio Traditionis custodes gebe – jenes Dokument, mit dem Franziskus den überlieferten Ritus in seiner Substanz zu ersticken suchte.

Hier der heute veröffentlichte Artikel von El País mit irreführender Überschrift. Selbst für die linke Tageszeitung zählte die Wallfahrt „mindestens 19.000 Teilnehmer“:
Der Vatikan blickt mit Argwohn auf den Erfolg einer traditionalistischen Wallfahrt
Der Zug zur Kathedrale der französischen Stadt Chartres endet mit einer Messe in lateinischer Sprache – der Priester steht dabei mit dem Rücken zum Volke und mit dem Angesichte zu Gott (wie es die strenge Tradition zu sagen pflegt).
Um 14 Uhr beginnt der Priester, mit Handschuhen versehen und dem Volke abgewandt, seine Meßfeier – ganz dem Herrn zugewandt und ganz in lateinischer Sprache gehalten. Die Liturgie in der Kathedrale von Chartres, einem Wunderwerke gotischer Baukunst hundert Kilometer von Paris entfernt, stellt den feierlichen Höhepunkt des tridentinischen Ritus dar – jenes Ritus, der vielen als der heilige Gral des katholischen Traditionalismus gilt. Zwar versteht kaum jemand ein Wort, doch das ist zweitrangig: Ein Meßbuch mit Übersetzung liegt für die rund tausend Gläubigen bereit, die in das Gotteshaus passen. Entscheidend ist vielmehr, daß es sich hier um eine machtvolle Bekundung eines von der nachkonziliaren Kirche marginalisierten Zweiges handelt, der im Zuge des erstarkenden Konservatismus in aller Welt zunehmend Zulauf erfährt – ein Bekenntnis, das unter den wachsamen und beunruhigten Blicken des Vatikans seinen Höhepunkt findet. Es handelt sich um eine dreitägige Wallfahrt, deren Teilnehmerzahl mit jeder Wiederholung wächst.

Die Pilger, gerufen von der Vereinigung „Unsere liebe Frau der Christenheit“ stets am Pfingstmontag, mehren sich Jahr um Jahr. Waren es im Jahre 1983 noch 500 Wallfahrer, so zählte man gestern laut Anmeldungen mindestens 19.000. Sie legen rund hundert Kilometer von Paris bis Chartres auf oft beschwerlichen Wegen zurück, tragen Banner und Kreuze. Die Stunden ihres Zuges füllen sie mit Gesängen, Gebeten auf Latein und dem frommen Beten des Rosenkranzes. Die Riten entstammen der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil – die tridentinische Messe etwa, in lateinischer Sprache und versus Deum gefeiert –, und sie gelten heute als Herausforderung für den Heiligen Stuhl, der diese Praktiken unter Papst Franziskus auf Ausnahmefälle beschränkte.
„Ich habe mit achtzehn Jahren begonnen, und das liegt nun vierzig Jahre zurück. Wir lieben Jesus, und wir wünschen, daß er die Herzen der Menschen zur Einheit in der Welt führe“, erklärt Cécile de Beir, Fotografin und eine der Organisatorinnen der Wallfahrt.
Die Zahl der Anmeldungen nimmt von Jahr zu Jahr zu, das Durchschnittsalter sinkt: Derzeit liegt es bei zwanzig Jahren. 1.700 Kinder sind unter den Pilgern, ebenso 500 Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren. Unter ihnen sind François Aubert (21) und sein Freund Étienne Régent (19), die heuer mit dem Fahrrad gepilgert sind. „Wir kommen, weil es in der heutigen Welt schwer ist, mit der Wahrheit, mit etwas Echtem in Berührung zu kommen. Diese Art der Meßfeier sollte häufiger stattfinden, weil sie das Heilige wieder spürbar macht. Wir sind nicht gegen die neue Messe, aber wir ziehen diese vor“, sagt Aubert – auch wenn beide einräumen, kein Wort Latein zu verstehen.
Mit Erlaubnis des Bischofs
Noch vor der Messe treffen Scharen von Gläubigen ein – begleitet von Helfern, Ordnern und 430 Klerikern, unter ihnen Abt Jean de Massia, der Generalvikar. Auch ein Dutzend großer Prediger ist zugegen, darunter Bischof Athanasius Schneider, Weihbischof von Astana (Kasachstan), sowie der ehemalige Rektor von Notre-Dame de Paris, Msgr. Patrick Chauvet. Auch der Bischof von Chartres, Philippe Christory, war zugegen.
Die Wallfahrt trägt freilich auch einen reaktionären und zugleich stillen Protestcharakter – besonders in den Jahren unter Franziskus, der sich entschieden gegen diese Formen der Liturgie stellte und im Jahre 2021 die tridentinische Messe, also die Meßfeier gemäß dem Ritus vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, stark einschränkte. Bis dahin war es konservativen und traditionalistischen Gruppen gestattet, diese Messe zu feiern – ermöglicht durch Papst Benedikt XVI., der dies im Jahre 2007 genehmigte. Nun aber ist für jede Feier die ausdrückliche Erlaubnis des jeweiligen Ortsbischofs erforderlich, und auch diese wird nur selten erteilt.
Seit drei Jahren gibt es eine spanische Variante dieser Wallfahrt. Jeden Sommer pilgern Gläubige über 85 Kilometer von der Kathedrale von Oviedo bis zur Basilika von Covadonga. An der ersten Wallfahrt nahmen 400 Personen teil, an der zweiten 900, und in diesem Jahr waren es bereits 1.200.
Der überlieferte Ritus wurde bislang nur von kleinen katholischen Gruppen in Mitteleuropa und den Vereinigten Staaten praktiziert. Benedikt XVI. hatte ihn freigegeben, um unterschiedlichen Sensibilitäten innerhalb der Kirche Rechnung zu tragen und neue Brüche zu vermeiden – wie jenen, der eintrat, als der französische Erzbischof Marcel Lefebvre, der bereits Jahre zuvor Papst Paul VI. mit einer solchen Messe vor 7.000 Gläubigen herausgefordert hatte, exkommuniziert wurde. Die Piusbruderschaft wurde 1988 unter Papst Johannes Paul II. aus der vollen kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen, als Lefebvre eigenmächtig vier Bischöfe weihte. Heute stellt sich die Frage: Wie wird der neue Papst, Leo XIV., mit dieser wachsenden Bewegung umgehen?

Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/El País (Screenshots)
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