Von Roberto de Mattei*
Zu den Jahrestagen in diesem ausklingenden Jahr 2024 gehört der vierzigste Todestag von Giovanni Volpe. Geboren 1906, war Giovanni Volpe der Sohn des berühmten Historikers und italienischen Akademikers Gioacchino Volpe (1876–1971). Er absolvierte ein Ingenieurstudium und gründete ein Bauunternehmen, das sich in mehreren Ländern der Welt erfolgreich etablierte. Im Geiste eines Mäzens gründete er 1964 in Rom den gleichnamigen Verlag, dem er zwei Zeitschriften, „La Torre“ und „Intervento“, und später die Gioacchino-Volpe-Stiftung, die dem Andenken seines Vaters gewidmet ist, hinzufügte. Ich war von 1973 bis 1984 Sekretär dieser Stiftung und hatte daher fast täglich Kontakt mit Giovanni Volpe, dessen Andenken nicht verloren gehen darf. Ich glaube, sagen zu können, daß niemand so sehr wie Giovanni Volpe dazu beigetragen hat, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die rechte, katholische und antikommunistische Kultur in Italien zu fördern, auch wenn er von der damaligen Rechtspartei, dem Movimento Sociale Italiano (Italienische Sozialbewegung), nicht das Amt und die Würde eines Senators erhalten hat, wie er es verdient hätte und nicht verschmäht hätte.
„Ich möchte ein Krankenhaus für die Seelen errichten“, sagte er zu Beginn seiner verlegerischen Tätigkeit und widmete ihr von da an jeden Gedanken und jeden Augenblick seines Lebens. Im Laufe von zwanzig Jahren wurde der Katalog des Verlags durch eine beachtliche Reihe von Autoren bereichert, Konservativen, Katholiken, Nationalen. Es genügt, die Übersetzung ins Italienische von Werken wie „Lumière du Moyen Age“ („Das Licht des Mittelalters“) von Régine Pernoud; „L’hérésie du XXe siècle“ („Die Häresie des 20. Jahrhunderts“) von Jean Madiran; „La nouvelle messe“ („Die neue Messe“), von Louis Salleron; „Diagnostics“ („Diagnosen“) von Gustave Thibon; „La grande hérésie“ („Die große Häresie“) und „L’intelligence en péril de mort“ („Die Intelligenz in Lebensgefahr“) von Marcel de Corte; „Mes idées politiques“ (dt. Ausgabe „Meine politischen Gedanken“, Antaios, Schnellroda 2023) von Charles Maurras und viele andere zu erwähnen. Während wir uns an diese Werke erinnern, sollten wir uns auch an den treuen Typographen Franco Pedanesi erinnern, der 2009 verstorben ist und ein unschätzbarer Mitarbeiter in einem Verlagsunternehmen war, in dem innerhalb von zwanzig Jahren Hunderte von Büchern veröffentlicht wurden.1
Giovanni Volpe war ein schroffer, großer und imposanter Mann. Marcello Veneziani, einer der jungen Männer, die ihm nahestanden, erinnert sich an seinen Eindruck von einem Edelmann der Renaissance, als er ihm zum ersten Mal begegnete: „Ich war beeindruckt von seiner greisen Schönheit, frei von dämmrigen Anzeichen des fortgeschrittenen Alters, von seinem würdevollen und beschwingten Gang, der Würde seines weißen Bartes, der an seinen Vater erinnerte, gemildert durch ein fast leuchtendes Gesicht, das für ein Lächeln offen war, seiner reichen und kräftigen Sprache“. Doch trotz seiner Zufriedenheit bei der Arbeit war sein Familienleben nicht einfach gewesen, und daraus resultierte eine schwere Traurigkeit in seinem Blick. Er war nicht nur Mäzen und Kulturveranstalter, sondern auch ein großer Intellektueller, der sich für Kunst und Archäologie begeisterte: Er diskutierte mit den Autoren der von ihm herausgegebenen Bücher, korrigierte die Druckfahnen und legte der von ihm publizierten Zeitschrift „La Torre“ ein „Quartino des Herausgebers“ bei, in dem er jeden Monat über Politik und Sitten schrieb. „Ein immerwährendes Triptychon begleitete ihn: Gott, Vaterland und Familie“, erinnert sich Veneziani. „Diese Werte, um die sich sein inneres Universum drehte, werden vielen fern und fremd sein, oder sie werden zerbrochen, verdunkelt, ruhendgestellt sein. Aber niemand kann leugnen, daß Volpe diese Werte bis zum Ende mit einer kristallklaren Konsequenz geliebt und ihnen gedient hat.“
Giovanni Volpe war in jeder Hinsicht ein Rechter, ein Monarchist, Antikommunist und traditioneller Katholik. In seinem Haus in der Via Michele Mercati in Parioli in Rom fanden viele Sitzungen der Vereinigung Una Voce zur Verteidigung des Latein und des gregorianischen Gesangs statt, deren Vorsitzender damals Carlo Belli war. Volpe selbst verfaßte 1976, nachdem es zum Ausbruch des „Falles Lefebvre“ gekommen war, eine Abhandlung über „La doverosa impossibile obbedienza“ („Der unmögliche geschuldete Gehorsam“), in der er sich mit diesen klaren Worten ausdrückte: „Zweifellos ist der Gehorsam gegenüber dem Papst eine der Säulen, auf die sich die Kirche gründet, aber es wird vorausgesetzt, daß an der Spitze die Offenbarung steht und daß der Papst, dem wir Gehorsam schulden, seinerseits dieser Offenbarung und der jahrhundertealten Tradition der Kirche gehorsam ist, die nicht unbeweglich ist, sich aber auch nicht mit ihren Dogmen, ihren Riten, ihren Bräuchen mit der Welt weiterentwickelt, wenn Stat Crux dum volvitur mundus stimmt. (…) Man schuldet dem Papst Gehorsam, aber der Papst schuldet dem Wort und der apostolischen Tradition Gehorsam. Man schuldet dem Papst Gehorsam, aber es ist Sache des Papstes, diesen Gehorsam möglich zu machen.“
Jedes Jahr im September organisierte die Volpe-Stiftung Seminare für junge Leute in der Romagna, und jedes Frühjahr fanden in Rom internationale Treffen statt, bei denen antiprogressive Gelehrte aus der ganzen Welt zusammenkamen. Die Themen, die diskutiert wurden, waren Autorität und Freiheit, Das historische Gedächtnis, Die Zukunft der Schule, Das Nicht-Primat der Wirtschaft, Die Tradition in der Kultur von morgen, mit Gästen wie Erik von Kuehnelt-Leddihn, Eugen Weber, Julien Freund, Augusto Del Noce, Marcel De Corte, Ettore Paratore, Massimo Pallottino, Sergio Ricossa, Marco Tangheroni und vielen anderen.
Sein letzter Artikel in „La Torre“ vom April 1984 trug den Titel „Mystifikation und Irrtümer“ und kritisierte die Positionen jener rechten Intellektuellen, die die auf die europäischen Hauptstädte gerichteten sowjetischen Raketen rechtfertigten und sie für die „Einkreisung“ der Sowjetunion durch den Westen verantwortlich machten. Er schrieb die heute prophetisch erscheinenden Worte: „Das Konzept eines vom Feind eingekreisten Rußlands akzentuiert sich synchron mit der Ausdehnung der russischen Vorherrschaft und verleiht Rußlands kriegerischer Haltung den Anstrich eines Krieges, zu dem Rußland in Selbstverteidigung gezwungen ist.“ Er schloß mit den Worten: „Wir können keinen Krieg gegen Rußland führen, denn wir wüßten nicht, was wir an die Stelle seines Kommunismus setzen sollen, wenn er erst einmal bezwungen ist. Versuchen wir aber uns dagegen zu wehren, daß andere Völker in die Fänge der Sowjets geraten und einer neuen biologischen oder charakterlichen Mutation zum Opfer fallen und uns zu Verlierern machen. Nachdem wir klar erkannt haben, daß der Kommunismus unser erster Feind ist, nachdem wir seine historischen Bedeutung festgestellt haben, sollten wir die billigen und leeren Verdammungen beiseite lassen und ihn als Feind behandeln, so wie er uns behandelt. Dann wird alles klarer sein, die Zeit der Sophisten wird vorbei sein, die Zeit der Verwechslung zwischen Rechten und Pflichten wird beendet sein.“
Auch in seiner letzten Rede, die er am Abend des 15. April 1986 im Palazzo Della Valle am Corso Vittorio Emanuele II zum Abschluß der 12. Tagung der Stiftung hielt, die dem Thema „Ja zum Frieden, Nein zum Pazifismus“ gewidmet war, kritisierte Giovanni Volpe den Pazifismus der Intellektuellen, die angesichts der sowjetischen Bedrohung eine „national-neutralistische“ Haltung einnahmen. Am Ende seiner Rede, nachdem er den Anwesenden gedankt hatte, neigte er sein Haupt und verstarb, stehend, wie es sich für einen Kämpfer, der er war, gehörte. Es war Palmsonntag. Am Tag nach seinem Tod fand man auf seinem Schreibtisch einen Zettel mit diesen Worten, vielleicht die letzten, die er schrieb: „Rußland ist unser Feind. Entweder Rom oder Moskau wurde für uns wiederholt.“
Die Beerdigung wurde am 17. April nach dem alten römischen Ritus in der Kirche San Salvatore in Lauro von Pater Emanuele du Chalard von der Priesterbruderschaft St. Pius X. zelebriert, der an seinen Dienst an der Kirche durch seine Bücher, Vorträge und alle seine kulturellen Initiativen erinnerte. In „La Torre“ hatte Volpe im Oktober 1976 geschrieben: „Die Kirche, verlassen, verraten, verleugnet, leidet, scheint besiegt zu sein, doch gemäß den Prophezeiungen wird auch sie am dritten Tag wieder auferstehen. Und wie die Leiden Christi die Menschen dazu bewegt haben, ihn zu lieben, so sollen die Leiden der Kirche uns alle zu ihr hinführen, damit sie aufersteht; helfen wir ihr, die wir die Kirche sind, während Gott ihr gewiß helfen wird. Auf diesen Ruf, der ihrem Leiden innewohnt, wollen wir antworten, indem wir uns die Worte des heiligen Thomas zu eigen machen: Widersteht stark im Glauben, widersteht, greift an, hofft.“
Diese Worte und das Lebensbeispiel von Giovanni Volpe erinnern uns daran, daß die Krise der Kirche und der westlichen Gesellschaft nicht erst in den letzten Jahren entstanden ist, sondern von weit her kommt und Männer gekannt hat, die mit Großzügigkeit, Mut und tiefem Urteilsvermögen die Grundlagen für einen kulturellen Widerstand gelegt haben, dessen Fortsetzer wir nur sind.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
1 Volpe war auch der italienische Verleger der Schriften von Ernst Jünger und Oswald Spengler.
Natürlich, ohne Spitzen gegen Russland, dass nun einmal heute nicht mehr das Gleiche ist wie damals, geht es nicht!
Was erwarten Sie von einem Transatlantiker anderes?