Giovanni Volpe (1906–1986)

Monarchist, Antikommunist, tradionalistischer Katholik


Giovanni Volpe (1906–1986)
Giovanni Volpe (1906–1986)

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Zu den Jah­res­ta­gen in die­sem aus­klin­gen­den Jahr 2024 gehört der vier­zig­ste Todes­tag von Gio­van­ni Vol­pe. Gebo­ren 1906, war Gio­van­ni Vol­pe der Sohn des berühm­ten Histo­ri­kers und ita­lie­ni­schen Aka­de­mi­kers Gio­ac­chi­no Vol­pe (1876–1971). Er absol­vier­te ein Inge­nieur­stu­di­um und grün­de­te ein Bau­un­ter­neh­men, das sich in meh­re­ren Län­dern der Welt erfolg­reich eta­blier­te. Im Gei­ste eines Mäzens grün­de­te er 1964 in Rom den gleich­na­mi­gen Ver­lag, dem er zwei Zeit­schrif­ten, „La Tor­re“ und „Inter­ven­to“, und spä­ter die Gio­ac­chi­no-Vol­pe-Stif­tung, die dem Andenken sei­nes Vaters gewid­met ist, hin­zu­füg­te. Ich war von 1973 bis 1984 Sekre­tär die­ser Stif­tung und hat­te daher fast täg­lich Kon­takt mit Gio­van­ni Vol­pe, des­sen Andenken nicht ver­lo­ren gehen darf. Ich glau­be, sagen zu kön­nen, daß nie­mand so sehr wie Gio­van­ni Vol­pe dazu bei­getra­gen hat, in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts die rech­te, katho­li­sche und anti­kom­mu­ni­sti­sche Kul­tur in Ita­li­en zu för­dern, auch wenn er von der dama­li­gen Rechts­par­tei, dem Movi­men­to Socia­le Ita­lia­no (Ita­lie­ni­sche Sozi­al­be­we­gung), nicht das Amt und die Wür­de eines Sena­tors erhal­ten hat, wie er es ver­dient hät­te und nicht ver­schmäht hätte.

Ich möch­te ein Kran­ken­haus für die See­len errich­ten“, sag­te er zu Beginn sei­ner ver­le­ge­ri­schen Tätig­keit und wid­me­te ihr von da an jeden Gedan­ken und jeden Augen­blick sei­nes Lebens. Im Lau­fe von zwan­zig Jah­ren wur­de der Kata­log des Ver­lags durch eine beacht­li­che Rei­he von Autoren berei­chert, Kon­ser­va­ti­ven, Katho­li­ken, Natio­na­len. Es genügt, die Über­set­zung ins Ita­lie­ni­sche von Wer­ken wie „Lumiè­re du Moy­en Age“ („Das Licht des Mit­tel­al­ters“) von Régine Per­noud; „L’hé­ré­sie du XXe siè­cle“ („Die Häre­sie des 20. Jahr­hun­derts“) von Jean Madiran; „La nou­vel­le mes­se“ („Die neue Mes­se“), von Lou­is Sal­le­ron; „Dia­gno­stics“ („Dia­gno­sen“) von Gust­ave Thi­bon; „La gran­de héré­sie“ („Die gro­ße Häre­sie“) und „L’in­tel­li­gence en péril de mort“ („Die Intel­li­genz in Lebens­ge­fahr“) von Mar­cel de Cor­te; „Mes idées poli­ti­ques“ (dt. Aus­ga­be „Mei­ne poli­ti­schen Gedan­ken“, Antai­os, Schnell­ro­da 2023) von Charles Maur­ras und vie­le ande­re zu erwäh­nen. Wäh­rend wir uns an die­se Wer­ke erin­nern, soll­ten wir uns auch an den treu­en Typo­gra­phen Fran­co Peda­ne­si erin­nern, der 2009 ver­stor­ben ist und ein unschätz­ba­rer Mit­ar­bei­ter in einem Ver­lags­un­ter­neh­men war, in dem inner­halb von zwan­zig Jah­ren Hun­der­te von Büchern ver­öf­fent­licht wur­den.1

Gio­van­ni Vol­pe war ein schrof­fer, gro­ßer und impo­san­ter Mann. Mar­cel­lo Vene­zia­ni, einer der jun­gen Män­ner, die ihm nahe­stan­den, erin­nert sich an sei­nen Ein­druck von einem Edel­mann der Renais­sance, als er ihm zum ersten Mal begeg­ne­te: „Ich war beein­druckt von sei­ner grei­sen Schön­heit, frei von dämm­ri­gen Anzei­chen des fort­ge­schrit­te­nen Alters, von sei­nem wür­de­vol­len und beschwing­ten Gang, der Wür­de sei­nes wei­ßen Bar­tes, der an sei­nen Vater erin­ner­te, gemil­dert durch ein fast leuch­ten­des Gesicht, das für ein Lächeln offen war, sei­ner rei­chen und kräf­ti­gen Spra­che“. Doch trotz sei­ner Zufrie­den­heit bei der Arbeit war sein Fami­li­en­le­ben nicht ein­fach gewe­sen, und dar­aus resul­tier­te eine schwe­re Trau­rig­keit in sei­nem Blick. Er war nicht nur Mäzen und Kul­tur­ver­an­stal­ter, son­dern auch ein gro­ßer Intel­lek­tu­el­ler, der sich für Kunst und Archäo­lo­gie begei­ster­te: Er dis­ku­tier­te mit den Autoren der von ihm her­aus­ge­ge­be­nen Bücher, kor­ri­gier­te die Druck­fah­nen und leg­te der von ihm publi­zier­ten Zeit­schrift „La Tor­re“ ein „Quar­ti­no des Her­aus­ge­bers“ bei, in dem er jeden Monat über Poli­tik und Sit­ten schrieb. „Ein immer­wäh­ren­des Tri­pty­chon beglei­te­te ihn: Gott, Vater­land und Fami­lie“, erin­nert sich Vene­zia­ni. „Die­se Wer­te, um die sich sein inne­res Uni­ver­sum dreh­te, wer­den vie­len fern und fremd sein, oder sie wer­den zer­bro­chen, ver­dun­kelt, ruhend­ge­stellt sein. Aber nie­mand kann leug­nen, daß Vol­pe die­se Wer­te bis zum Ende mit einer kri­stall­kla­ren Kon­se­quenz geliebt und ihnen gedient hat.

Gio­van­ni Vol­pe war in jeder Hin­sicht ein Rech­ter, ein Mon­ar­chist, Anti­kom­mu­nist und tra­di­tio­nel­ler Katho­lik. In sei­nem Haus in der Via Miche­le Mer­ca­ti in Pario­li in Rom fan­den vie­le Sit­zun­gen der Ver­ei­ni­gung Una Voce zur Ver­tei­di­gung des Latein und des gre­go­ria­ni­schen Gesangs statt, deren Vor­sit­zen­der damals Car­lo Bel­li war. Vol­pe selbst ver­faß­te 1976, nach­dem es zum Aus­bruch des „Fal­les Lefeb­v­re“ gekom­men war, eine Abhand­lung über „La dove­r­o­sa impos­si­bi­le obbe­dien­za“ („Der unmög­li­che geschul­de­te Gehor­sam“), in der er sich mit die­sen kla­ren Wor­ten aus­drück­te: „Zwei­fel­los ist der Gehor­sam gegen­über dem Papst eine der Säu­len, auf die sich die Kir­che grün­det, aber es wird vor­aus­ge­setzt, daß an der Spit­ze die Offen­ba­rung steht und daß der Papst, dem wir Gehor­sam schul­den, sei­ner­seits die­ser Offen­ba­rung und der jahr­hun­der­te­al­ten Tra­di­ti­on der Kir­che gehor­sam ist, die nicht unbe­weg­lich ist, sich aber auch nicht mit ihren Dog­men, ihren Riten, ihren Bräu­chen mit der Welt wei­ter­ent­wickelt, wenn Stat Crux dum vol­vi­tur mun­dus stimmt. (…) Man schul­det dem Papst Gehor­sam, aber der Papst schul­det dem Wort und der apo­sto­li­schen Tra­di­ti­on Gehor­sam. Man schul­det dem Papst Gehor­sam, aber es ist Sache des Pap­stes, die­sen Gehor­sam mög­lich zu machen.

Jedes Jahr im Sep­tem­ber orga­ni­sier­te die Vol­pe-Stif­tung Semi­na­re für jun­ge Leu­te in der Roma­gna, und jedes Früh­jahr fan­den in Rom inter­na­tio­na­le Tref­fen statt, bei denen anti­pro­gres­si­ve Gelehr­te aus der gan­zen Welt zusam­men­ka­men. Die The­men, die dis­ku­tiert wur­den, waren Auto­ri­tät und Frei­heit, Das histo­ri­sche Gedächt­nis, Die Zukunft der Schu­le, Das Nicht-Pri­mat der Wirt­schaft, Die Tra­di­ti­on in der Kul­tur von mor­gen, mit Gästen wie Erik von Kueh­nelt-Led­dihn, Eugen Weber, Juli­en Freund, Augu­sto Del Noce, Mar­cel De Cor­te, Etto­re Para­to­re, Mas­si­mo Pal­lot­ti­no, Ser­gio Ricos­sa, Mar­co Tang­he­ro­ni und vie­len anderen.

Sein letz­ter Arti­kel in „La Tor­re“ vom April 1984 trug den Titel „Mysti­fi­ka­ti­on und Irrtümer“ und kri­ti­sier­te die Posi­tio­nen jener rech­ten Intel­lek­tu­el­len, die die auf die euro­päi­schen Haupt­städ­te gerich­te­ten sowje­ti­schen Rake­ten recht­fer­tig­ten und sie für die „Ein­krei­sung“ der Sowjet­uni­on durch den Westen ver­ant­wort­lich mach­ten. Er schrieb die heu­te pro­phe­tisch erschei­nen­den Wor­te: „Das Kon­zept eines vom Feind ein­ge­krei­sten Rußlands akzen­tu­iert sich syn­chron mit der Aus­deh­nung der rus­si­schen Vor­herr­schaft und ver­leiht Rußlands krie­ge­ri­scher Hal­tung den Anstrich eines Krie­ges, zu dem Rußland in Selbst­ver­tei­di­gung gezwun­gen ist.“ Er schloß mit den Wor­ten: „Wir kön­nen kei­nen Krieg gegen Ruß­land füh­ren, denn wir wüß­ten nicht, was wir an die Stel­le sei­nes Kom­mu­nis­mus set­zen sol­len, wenn er erst ein­mal bezwun­gen ist. Versu­chen wir aber uns dage­gen zu weh­ren, daß ande­re Völ­ker in die Fän­ge der Sowjets gera­ten und einer neu­en bio­lo­gi­schen oder cha­rak­ter­li­chen Muta­ti­on zum Opfer fal­len und uns zu Ver­lie­rern machen. Nach­dem wir klar erkannt haben, daß der Kom­mu­nis­mus unser erster Feind ist, nach­dem wir sei­ne histo­ri­schen Bedeu­tung fest­ge­stellt haben, soll­ten wir die bil­li­gen und lee­ren Ver­dam­mun­gen bei­sei­te las­sen und ihn als Feind behan­deln, so wie er uns behan­delt. Dann wird alles kla­rer sein, die Zeit der Sophi­sten wird vor­bei sein, die Zeit der Ver­wechs­lung zwi­schen Rech­ten und Pflich­ten wird been­det sein.

Auch in sei­ner letz­ten Rede, die er am Abend des 15. April 1986 im Palaz­zo Del­la Val­le am Cor­so Vitto­rio Ema­nue­le II zum Abschluß der 12. Tagung der Stif­tung hielt, die dem The­ma „Ja zum Frie­den, Nein zum Pazi­fis­mus“ gewid­met war, kri­ti­sier­te Gio­van­ni Vol­pe den Pazi­fis­mus der Intel­lek­tu­el­len, die ange­sichts der sowje­ti­schen Bedro­hung eine „natio­nal-neu­tra­li­sti­sche“ Hal­tung ein­nah­men. Am Ende sei­ner Rede, nach­dem er den Anwe­sen­den gedankt hat­te, neig­te er sein Haupt und ver­starb, ste­hend, wie es sich für einen Kämp­fer, der er war, gehör­te. Es war Palm­sonn­tag. Am Tag nach sei­nem Tod fand man auf sei­nem Schreib­tisch einen Zet­tel mit die­sen Wor­ten, viel­leicht die letz­ten, die er schrieb: „Ruß­land ist unser Feind. Ent­we­der Rom oder Mos­kau wur­de für uns wie­der­holt.

Die Beer­di­gung wur­de am 17. April nach dem alten römi­schen Ritus in der Kir­che San Sal­va­to­re in Lau­ro von Pater Ema­nue­le du Chalard von der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. zele­briert, der an sei­nen Dienst an der Kir­che durch sei­ne Bücher, Vor­trä­ge und alle sei­ne kul­tu­rel­len Initia­ti­ven erin­ner­te. In „La Tor­re“ hat­te Vol­pe im Okto­ber 1976 geschrie­ben: „Die Kir­che, ver­las­sen, ver­ra­ten, ver­leug­net, lei­det, scheint besiegt zu sein, doch gemäß den Pro­phe­zei­un­gen wird auch sie am drit­ten Tag wie­der auf­er­ste­hen. Und wie die Lei­den Chri­sti die Men­schen dazu bewegt haben, ihn zu lie­ben, so sol­len die Lei­den der Kir­che uns alle zu ihr hin­füh­ren, damit sie auf­er­steht; hel­fen wir ihr, die wir die Kir­che sind, wäh­rend Gott ihr gewiß hel­fen wird. Auf die­sen Ruf, der ihrem Lei­den inne­wohnt, wol­len wir ant­wor­ten, indem wir uns die Wor­te des hei­li­gen Tho­mas zu eigen machen: Wider­steht stark im Glau­ben, wider­steht, greift an, hofft.“

Die­se Wor­te und das Lebens­bei­spiel von Gio­van­ni Vol­pe erin­nern uns dar­an, daß die Kri­se der Kir­che und der west­li­chen Gesell­schaft nicht erst in den letz­ten Jah­ren ent­stan­den ist, son­dern von weit her kommt und Män­ner gekannt hat, die mit Groß­zü­gig­keit, Mut und tie­fem Urteils­ver­mö­gen die Grund­la­gen für einen kul­tu­rel­len Wider­stand gelegt haben, des­sen Fort­set­zer wir nur sind.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana


1 Vol­pe war auch der ita­lie­ni­sche Ver­le­ger der Schrif­ten von Ernst Jün­ger und Oswald Spengler.

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