Die seltsamen Gedächtnislücken der Corona-Entscheidungsträger: am Beispiel Italien

Zur Erinnerung


Vergangene Woche wurde Italiens ehemaliger Ministerpräsident Giuseppe Conte vom parlamentarischen Corona-Untersuchungsausschuß angehört
Vergangene Woche wurde Italiens ehemaliger Ministerpräsident Giuseppe Conte vom parlamentarischen Corona-Untersuchungsausschuß angehört

Im Gegen­satz zur Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, zu Öster­reich oder der Schweiz, wo es kei­nen par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schuß zur Auf­ar­bei­tung der Coro­na-Maß­nah­men gibt, exi­stiert eine sol­che in Ita­li­en – und för­dert Inter­es­san­tes zu Tage.

Anzei­ge

Seit die angeb­lich so gefähr­li­che Coro­na-Pan­de­mie, die in Wirk­lich­keit eine nor­ma­le sai­so­na­le Grip­pe war, auf wun­der­sa­me Wei­se über Nacht durch den Ukrai­ne­krieg ver­drängt wur­de, wird eine kri­ti­sche Auf­ar­bei­tung der repres­si­ven Coro­na-Poli­tik und der Über­grif­fig­keit der Staats­macht gefor­dert. Die Regie­run­gen ver­wei­gern sich mit bemer­kens­wer­ter Arro­ganz und zei­gen sich ins­ge­samt unein­sich­tig. Bei den dama­li­gen Ent­schei­dungs­trä­gern sind viel­mehr Gedächt­nis­lücken in einem epi­de­mi­schen Aus­maß fest­zu­stel­len. Eine sol­che betrifft auch jenen Mann, der als Ita­li­ens Regie­rungs­chef in der Nacht vom 7. auf den 8. März 2020 den welt­weit ersten Lock­down ver­häng­te. Die Rede ist von Giu­sep­pe Con­te, der von Juni 2018 bis Febru­ar 2021 ita­lie­ni­scher Mini­ster­prä­si­dent war. Seit August 2021 ist er Vor­sit­zen­der der links­po­pu­li­sti­schen Fünf­ster­ne­be­we­gung und sitzt heu­te für die­se Par­tei auf der Oppo­si­ti­ons­bank des Parlaments.

Nun wur­de er vom par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schuß vor­ge­la­den. Eine detail­lier­te Aus­wer­tung sei­ner Aus­sa­gen steht noch aus. Bis heu­te ist unge­klärt, wel­che Grün­de und mehr noch wel­che Ein­flü­ste­rer ihn in jener März­nacht 2020 ohne nach­ge­wie­se­ne Not ver­an­laß­ten, einen Schritt zu set­zen, den vor ihm noch kein Regie­rungs­chef je getan hat­te, indem er einem gan­zen Staat mit 60 Mil­lio­nen Ein­woh­nern den Still­stand des gesam­ten wirt­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len und sozia­len Lebens ver­ord­ne­te. In einem Domi­no­ef­fekt folg­ten – war­um ist bis heu­te eben­so unge­klärt – fast alle west­eu­ro­päi­schen Staa­ten, als erster das schwarz-grün regier­te Öster­reich unter Bun­des­kanz­ler Seba­sti­an Kurz, der dann auf nicht min­der selt­sa­me Wei­se über Nacht aus der Poli­tik und dem Land verschwand.

Vor drei Jah­ren, am 15. Okto­ber 2021, wur­de in Ita­li­en der soge­nann­te Green Pass (Coro­na-Impf­nach­weis) ein­ge­führt, ohne den man teil­wei­se weder zur Arbeit noch in die Gastro­no­mie durf­te oder an Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen teil­neh­men konn­te. Anders aus­ge­drückt: Unge­impf­te wur­den zu Bür­gern zwei­ter Klas­se degra­diert, allein des­halb, weil sie sich der Obrig­keit ver­wei­gert hat­ten. Heu­te ist all­ge­mein bekannt, daß die Coro­na-Impf­stof­fe weder vor Ansteckung schütz­ten noch sonst eine nach­weis­ba­re posi­ti­ve Wir­kung hat­ten. Von den gan­zen Neben­wir­kun­gen ganz zu schwei­gen, die als omi­nö­ses Long Covid ver­tuscht wer­den sollen.

Clau­dio Cri­cel­li, der Vor­sit­zen­de des Ita­lie­ni­schen Ärz­te­ver­ban­des, löste vor dem Unter­su­chungs­aus­schuß das damals vom Staat, den Medi­en und auch dem Ärz­te­ver­band gehäm­mer­te Nar­ra­tiv, wer sich nicht imp­fen las­se, ris­kie­re zu ster­ben oder ande­re zu gefähr­den, in nichts auf, ohne einen Wider­spruch erken­nen zu wollen.

Bekannt wur­de inzwi­schen, was Giu­sep­pe Con­te vor dem Unter­su­chungs­aus­schuß zur Impf­pflicht sag­te, die er und sein von ihm unter­stütz­ter Nach­fol­ger Mario Draghi (2021/​2022) zu ver­ant­wor­ten hat­ten. In Ita­li­en kam es zwar nicht mehr zur Ein­füh­rung der bereits dis­ku­tier­ten all­ge­mei­nen Impf­pflicht, dafür aber zur Ein­füh­rung einer sol­chen für Berufs­grup­pen, die vom Staat abhän­gig sind wie Poli­zei, Mili­tär und Lehr­kräf­te. Die Impf­pflicht wur­de auch allen Ärz­ten – sogar den Tier­ärz­ten – und dem gesam­ten medi­zi­ni­schen Per­so­nal auf­er­legt. Wer sich nicht imp­fen ließ, wur­de ohne Gehalt­fort­zah­lung vom Dienst sus­pen­diert oder es wur­de ihm die Berufs­aus­übung unter­sagt – auch Tau­sen­den von Ärz­ten und Kran­ken­schwe­stern. Die gericht­li­che Auf­ar­bei­tung die­ser Fäl­le ist noch lan­ge nicht abge­schlos­sen. In ein­zel­nen Fäl­len ord­ne­ten die Rich­ter die Wie­der­zu­las­sung an, in eini­gen auch die Nach­zah­lung des ent­gan­ge­nen Gehalts oder sogar die Zuer­ken­nung eines Scha­dens­er­sat­zes wegen der erlit­te­nen Dis­kri­mi­nie­rung. Aller­dings läßt sich noch kei­ne gene­rel­le Pra­xis ablei­ten, da in der Regel Ein­spruch erho­ben wur­de, die Rich­ter­schaft sich mehr an poli­ti­schen Men­to­ren als an den Ein­zel­schick­sa­len zu ori­en­tie­ren scheint und die Ver­fah­ren den Instan­zen­weg noch nicht voll­stän­dig durch­lau­fen haben.

Die mora­li­sche Recht­fer­ti­gung lie­fer­te Papst Fran­zis­kus, der im Kir­chen­staat noch radi­ka­ler vor­ging und tat­säch­lich eine gene­rel­le Impf­pflicht ver­häng­te, eben­falls mit sofor­ti­ger Sus­pen­die­rung und Ein­stel­lung der Gehalts­zah­lun­gen bei Zuwi­der­hand­lung. Selbst einem Kar­di­nal wie dem US-Ame­ri­ka­ner Ray­mond Bur­ke wur­de, obwohl auch Staats­bür­ger des Vati­kan­staa­tes, das Betre­ten des­sel­ben unter­sagt. Wie gut traf es sich doch, zumal eben die­ser Kar­di­nal Bur­ke einer der deut­lich­sten Kri­ti­ker des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats ist. Die­ses Bei­spiel zeigt, wie über­grif­fig die Staats­macht in der Coro­na­zeit war und sich sol­che und schwer­wie­gen­de­re Vor­fäl­le zig­tau­send­fach wiederholten.

Eine Beson­der­heit des ita­lie­ni­schen Coro­na-Radi­ka­lis­mus war hin­ge­gen die Ein­füh­rung einer gene­rel­len Impf­pflicht für alle über 50jährigen. Wer sich nicht imp­fen ließ, muß­te ein Buß­geld zah­len und wur­de, was weit schwer­wie­gen­der war, aus der Arbeits­welt aus­ge­schlos­sen und damit exi­sten­ti­ell bedroht.

Erst die Regie­rung von Gior­gia Melo­ni (Fra­tel­li d’Italia) hob im Herbst 2022 die Impf­pflicht auf, stell­te die Ver­fol­gung jener ein, die das Buß­geld nicht gezahlt hat­ten, und ließ schließ­lich auf Antrag auch das schon gezahl­te Buß­geld wie­der zurück­zah­len. Ihr ist auch die Ein­set­zung eines par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schus­ses zu ver­dan­ken. Melo­nis Fra­tel­li d’Italia waren die ein­zi­ge Par­tei, die die Coro­na-Regie­rung der „natio­na­len Ein­heit“ von Mario Draghi nicht unter­stützt hatte.

Nun will Giu­sep­pe Con­te von einer Impf­pflicht aber nichts mehr wis­sen, bes­ser gesagt, nie etwas gewußt haben wol­len. Wört­lich sag­te Con­te vor dem par­la­men­ta­ri­schen Untersuchungsausschuß:

„Ich woll­te die Impf­stof­fe den Bür­ger zur frei­en Ent­schei­dung anbie­ten. Ich habe nie gewollt, daß sie auf­ge­zwun­gen und ver­pflich­tend wären.“

Hört, hört! Es stimmt, daß Con­te zum Zeit­punkt der Impf­pflicht-Ein­füh­rung im April 2021 nicht mehr Mini­ster­prä­si­dent war. Sei­ne Fünf­ster­ne­be­we­gung saß jedoch in der Regie­rung Draghi und war zah­len­mä­ßig im Par­la­ment sogar des­sen stärk­ste Stütze.

Haben Con­te und sei­ne Par­tei sich gegen die Impf­pflicht der genann­ten Berufs­grup­pen aus­ge­spro­chen? Haben sie gegen die Ein­füh­rung der Impf­pflicht gestimmt? Haben sie auch nur eine der nach­fol­gen­den Impf­pflicht-Ver­län­ge­run­gen abge­lehnt? Hat Con­te irgend­et­was gegen die Ein­füh­rung der gene­rel­len Impf­licht mit Arbeits­ver­bot für alle über 50jährigen gesagt, er war damals schon Par­tei­vor­sit­zen­der der Fünf­ster­ne­be­we­gung, als die­se am 5. Janu­ar 20222 von der Regie­rung mit den Stim­men sei­ner Mini­ster beschlos­sen wur­de? Nichts der­glei­chen ist geschehen.

Gesche­hen ist allein, daß die dama­li­gen Ent­schei­dungs­trä­ger sich heu­te durch Ver­wei­ge­rung und Gedächt­nis­lücken aus der Ver­ant­wor­tung steh­len wol­len. Und die Moral­theo­lo­gen, vom Papst abwärts, ver­sa­gen erneut, indem sie auch heu­te dazu schwei­gen, wie sie schon damals geschwie­gen oder sogar das ver­lo­ge­ne Impf­nar­ra­tiv ohne jede Prü­fung ver­tei­digt haben. Weni­ge Aus­nah­men leuch­ten daher umso kräftiger.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Par­la­men­toTV (Screen­shot)

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!

 




 

1 Kommentar

  1. Die­se gan­zen Theo­rien sind für eines nicht gewapp­net. Was ist, wenn ein Groß­teil der wahl­be­rech­tig­ten Bevöl­ke­rung Anar­chi­sten sind? In den USA sind die Demo­kra­ten dar­auf ein­ge­stellt. Sie prä­sen­tie­ren anstel­le von Poli­tik ein anar­chi­sti­sches Wahl­pro­gramm. Der Wäh­ler soll Poli­ti­ker sehen, die genau­so den­ken und han­deln, wie er. 

    Tim Walz, der Kani­di­dat für das Vize­prä­si­den­ten­amt führt das hier vor: https://x.com/dom_lucre/status/1848182995183607960

    Anar­chi­sten der Gegen­wart sind Men­schen, die jeg­li­che Auto­ri­tät und Ein­schrän­kung ihrer eige­nen Will­kür ableh­nen. Ihr Ide­al ist ein voll­kom­men in Sün­de ver­strick­ter Poli­ti­ker, ein Lüg­ner und gewalt­tä­ti­ger Mensch.

Kommentare sind deaktiviert.