
Das Nachrichtenportal Silere non possum [Ich kann nicht schweigen] das von Priestern der Diözese Rom betrieben wird, beschäftigt sich mit den Hürden, die junge Männer heute überwinden müssen, in denen der Entschluß heranreift, in das Priesterseminar einzutreten. In den internen Hürden spiegle sich die Identitätskrise der Kirche heute wider. Hier der Text:
Der August ist eine entscheidende Zeit für viele junge Menschen, die sich entschließen, mutig auf den Ruf des Herrn zu antworten. „Siehe, Herr, ich komme, deinen Willen zu tun“, sagt der Psalmist. Auch heute noch sprechen Männer und Frauen dieses „Hier bin ich“ aus, trotz der vielen Fallstricke, die von außen und leider auch aus dem Inneren der Kirche kommen. Benedikt XVI. schrieb in einem sehr schönen Gebet: „Gib, o Vater, daß die Kirche die vielen Eingebungen des Geistes deines Sohnes mit Freude aufnehme und, fügsam gegenüber seinen Lehren, für die Berufungen zum priesterlichen Dienst und zum geweihten Leben sorge.“
Heute erleben wir in der Tat eine Zeit der besonderen Prüfung, da der Herr ruft, aber wir haben zahlreiche Beispiele von Berufungen, die aufgrund der Nachlässigkeit derer, die für die Pflege, die Aufnahme und die Erziehung verantwortlich sind, verloren gehen. Wir erleben eine tiefe Verwirrung, die uns in echte Identitätskrisen stürzt. So behaupten wir einerseits, daß wir bestimmte Dienste den Laien anvertrauen sollten, und verschließen gleichzeitig die Tür für diejenigen, die ihre Ordens- und/oder Priesterberufung unterscheiden möchten. Einerseits plädieren wir dafür, verheiratete Männer zu weihen, und laden gleichzeitig diejenigen, die ins Priesterseminar eintreten möchten, ein, sich für die Ehe zu entscheiden.
In den diözesanen Priesterseminaren und den Ausbildungsstätten für Ordensleute gibt es ideologisierte Menschen, das hat Benedikt XVI. schon vor einiger Zeit angeprangert, denen nicht die Ausbildung der Seminaristen am Herzen liegt, sondern die überzeugt sind, daß sie Castings durchführen müssen, um Menschen aufzunehmen oder nicht, die die gleichen Vorstellungen haben wie sie. Oft handelt es sich also um Menschen, die durch ihre eigene Lebenserfahrung verwundet sind und ihr Drama an denjenigen auslassen, die nun vor ihnen stehen. Denken wir an die verschiedenen Erfahrungen, die einige junge Menschen in den vergangenen Monaten gemacht haben, als sie sich an ihre Bischöfe wandten, um den Eintritt ins Priesterseminar zu erbitten. „Du bist zu jung, mach eine Erfahrung in der Gemeinschaft Neue Horizonte, dann werden wir sehen“, hörte sich ein 20jähriger antworten. „Du bist zu fromm, du mußt ein bißchen in der Welt leben, du kannst nicht immer um die Altäre herum sein“, bekam ein anderer junger Mann von 22 Jahren zu hören, dem geraten wurde, ein Universitätsstudium zu absolvieren.
Casting oder Priesterseminar?
Der eine ist zu fromm, der andere ist zu jung, wieder ein anderer gefällt mir nicht, usw… Man hat das Gefühl, bei einem Casting für eine Fiction zu sein und nicht an der Tür zu einer Realität, die zukünftige Priester ausbilden soll. Wir haben es oft mit Menschen zu tun, die nicht einmal das Minimum an menschlichen Kompetenzen besitzen, um aufzunehmen und auszubilden. Wenn ein junger Mann an die Tür des Priesterseminars klopft und ein schüchternes Temperament hat, der Liturgie gegenüber aufmerksam ist und eine gewisse „Starrheit“ an den Tag legt, kann unsere Antwort nicht darin bestehen, ihn abzulehnen oder ihn gar in eine Gemeinschaft zu schicken, die allem Katholischen völlig entgegengesetzt ist, um ihn „umzuerziehen“. Auf diese Weise zeigen wir, daß wir absolut nichts verstanden haben. Es ist klar, daß ein junger Mann von zwanzig Jahren starrer sein kann und mehr an seinen Überzeugungen hängt. Das haben wir alle schon erlebt. Nur wenn wir ihn willkommen heißen, ihn ausbilden und ihm erlauben, Erfahrungen zu machen, werden wir ihm begreiflich machen, daß die Wirklichkeit nicht nur „schwarz und weiß“ ist, sondern daß es verschiedene Schattierungen gibt. Er selbst wird im Laufe seiner Ausbildung und seines Heranwachsens erkennen, daß sechs Kerzenständer auf dem Altar zwar schön sind, aber es nicht möglich ist, sie in allen Realitäten zur Verfügung zu haben. Natürlich braucht es Geduld, Fähigkeit im Formen und Kopf. Wenn wir dazu nicht bereit sind, wird die Antwort in Verweigerung bestehen, darin, immer mehr Seminarjahre einzufügen und die Seminaristen und künftigen Priester an der Leine zu halten. Aber das ist nicht die Lösung.
Es gäbe viele Erfahrungen zu schildern, und es sind viele Seminare betroffen. Es geht uns nicht darum, einzelne Realitäten zu erwähnen, weil wir niemanden kreuzigen wollen, aber es ist ein weit verbreitetes Gefühl, das ganze Diözesen, ganze Orden zerstört. Erstaunlich ist auch die Reaktion einiger Bischöfe, die immer noch ungläubig sind, wenn sie erfahren, daß ein solcher Junge in einen Orden eingetreten ist. „Aber warum ist er dorthin gegangen?“, fragte sich ein erstaunter Prälat.
Warum? Sind wir wirklich so eingebildet, daß wir glauben, die Leute warten auf unsere Launen? Ein junger Mann, Anfang zwanzig, hat sein Leben vor sich und hat jedes Recht (wenn nicht sogar die Pflicht), seine Zukunft zu planen und aufzubauen. Junge Menschen werden ihre Jugend nicht für unentschlossene Rektoren und Bischöfe verlieren, die ihre Zeit damit verschwenden, daß sie sagen: „Aber ja, mal sehen, ihr seid jung, ihr habt Zeit.“ Nein, es gibt keine Zeit. Wenn der Herr ruft und der junge Mann den Mut hatte zu antworten, dann haben wir als Kirche die Pflicht, diese Menschen aufzunehmen und auszubilden. Wir werden uns vor Gott für jede verlorene Berufung verantworten müssen.

Entweder so wie ich sage, oder…
Wir haben jedoch nicht nur Rektoren und Bischöfe, denen der Berufungsaspekt völlig gleichgültig ist, sondern wir haben auch eine Hierarchie, die überzeugt ist, daß sie all jenen den Krieg erklären muß, die sich anders entscheiden, als man es ihnen sagt. Denken wir, um nur ein Beispiel zu nennen, aber es könnten noch viele andere genannt werden, an die zurückgesetzten Rektoren in Apulien, die ihr ganzes Leben lang das Bischofsamt anstrebten und nie akzeptiert haben, daß sie in ihren eigenen ideologischen Weichenstellungen gescheitert sind. Die Bosheit, die in diesen Menschen lauert, ist wirklich peinlich. Sie scheitern, das zeigt die Geschichte, und sie akzeptieren nicht, daß andere gehen, ihr Leben in Frieden leben, anderswo geweiht werden und für ihren Dienst geschätzt werden. So machen sie Jagd auf diejenigen, die das Seminar verlassen haben, und sagen ihnen, sie seien inkompetent. Sie sind so evangelisch, daß sie verleumderische Gerüchte und Bemerkungen verbreiten und sogar bereit sind, mafiöse Kardinäle einzuschalten, um das Leben der Priester zu zerstören, die sie hassen, weil sie der lebende Beweis für ihr Versagen sind.
Die Beispiele können jedoch, wie gesagt, vielfältig sein. Denken wir an den Krieg, den der Heilige Stuhl gegen alle blühenden Realitäten führt. Es begann mit der Verfolgung jener, „die nach dem Vetus Ordo zelebrieren“. Alle haben diesen Unsinn geglaubt, ohne zu erkennen, daß es dem Papst völlig egal ist, wie ein Priester die Heilige Messe feiert. Tatsächlich ist es dem Papst sogar egal, ob er die Messe feiert.
Dann ist man dazu übergegangen, sogar jene Gemeinschaften zu visitieren und unter kommissarische Kontrolle zu stellen, die nach dem neuen Missale feiern. All diese Realitäten haben nur eines gemeinsam: viele Berufungen. Und nicht nur das, es sind junge Berufungen (19–25 Jahre alt). Das beunruhigt einige hier im Vatikan. Das macht Angst, denn „die neuen Generationen haben klare Vorstellungen und sind nicht leicht zu handhaben. Wenn du einem jungen Priester sagst, daß er gehorchen und den Mund halten soll, wird er sagen: ‚Geh hin, wo der Pfeffer wächst.‘ Es handelt sich um eine solide, gut ausgebildete Generation, die denjenigen Angst macht, die es gewohnt sind, mit einer älteren Generation zu tun zu haben, die es gewohnt ist, sich zu unterwerfen und nicht zu gehorchen“, sagt ein Kurienbischof.
Und so kommt es, daß alle Realitäten, die junge Menschen aufnehmen, den Habit tragen, nach den Vorschriften des Meßbuchs zelebrieren und über gute theologische Studien verfügen, visitiert werden, einen Kommissar erhalten, geschlossen werden, verbannt werden usw.
Ist das die Zukunft, die wir für unsere Kirche wollen? Im Gegensatz zu früheren Generationen ist die Generation, die derzeit die Kirche führt, eine selbstmörderische Generation. Wenn wir an die Priester denken, die unsere Gemeinschaften in der Vergangenheit geleitet haben, dann wissen wir, daß sie in ihrem Herzen die Überzeugung hatten, mindestens ein Dutzend junger Menschen ins Priesterseminar zu führen. Deshalb engagierten sie sich auch in der Berufungspastoral, um diese Berufungen zum Blühen zu bringen, einschließlich der monastischen Berufungen, der weiblichen Berufungen. Heute hingegen arbeitet die 68er-Generation jeden Tag mehr daran, junge Menschen davon zu überzeugen, nicht ins Priesterseminar zu gehen. Es gibt oft ältere Priester, die zu jungen Seminaristen sagen: „Aber wer zwingt euch denn dazu, geht doch arbeiten.“ Wenn sie unglücklich sind, müssen es die anderen auch sein. Und so konzentriert sich ihr Leben, ihr Dienst auf ideologische Fragen: „Trägt er das Gewand oder nicht? Zelebriert er auf Latein oder auf italienisch? Stellt er die sechs Leuchter auf den Altar oder zwei? Stellt er das Kreuz in die Mitte oder nicht? Legt er das Spitzentuch oder die Picknickdecke auf den Altar?“
Unsere Kirche verwandelt sich in eine Euthanasie-Maschine. Eine ekelerregende Realität für all die jungen Menschen, die im Gegensatz dazu dem Herrn dienen und seinem Ruf mit Mut und Begeisterung folgen wollen. Das Seminar sollte eine Realität sein, in der die menschliche, affektive, spirituelle und kulturelle Bildung des Kandidaten an erster Stelle steht. Es darf keinen Platz für die Ideologien und die Personalismen der Oberen geben. Es ist eine große Verantwortung, und der Herr wird von uns verlangen, daß wir dafür Rechenschaft ablegen. Deshalb laden wir die jungen Menschen ein, sich auf den geistlichen Weg in Begleitung von heiligen Priestern zu begeben, denen sie vertrauen, damit sie ihre Berufung kultivieren und bewahren und an die Tür von Wirklichkeiten klopfen können, die sie aufnehmen und nach dem Herzen Christi zu formen wissen. Man darf sich nicht entmutigen lassen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Silere non possum
Aus vielen Gesprächen mit Kandidaten kann ich all das nur bestätigen. Priester sind unerwünscht, besonders fromme Priester. Kandidaten, die z.B. den Rosenkranz beten oder die Mundkommunion empfangen, haben im Grunde überhaupt keine Chance. Viele Seminaren wollen „uniforme“ Priester – und genau das kommt dann auch heraus: ein stromlinienförmiger schnittiger Typ, der an die „moderne“ Kirche anschlussfähig ist und die Tradition für eine Krankheit hält. Was nicht heraus kommt, ist eine Hirte der Seelen, sondern allenfalls eine „Seelenverwalter“. Ich kann es nur aus meiner bayerischen Heimat sagen: Dort erreicht man den Pfarrer im Grunde nur mit Terminvereinbarung…wer z.B. im Sterben liegt und einen Priester wünscht, muss sich wirklich Zeit lassen oder bekommt eben eiskalt eine Pastoralreferentin serviert. Beichte, Krankensalbung, Viatikum, Päpstlicher Segen – all das sind Fremdworte geworden in einer Kirche, die keine Priester mehr will und die in Wirklichkeit allmählich protestantisch wird.
Der „Priestermangel“ ist wohl auch deshalb künstlich erzeugt und der Selektion des Kandidaten geschuldet, in Deutschland, Ö und Ch kommt dann noch erschwerend das Studium an der Universität dazu; an den „katholischen“ Fakultäten den Glauben nicht zu verlieren, ist dabei eine besondere Gnade.
Und: Wer möchte den bitte noch Priester werden in einer laikalen Kirche, die auf synodalen Abwegen ist und sich allmählich selber auflöst? Wer will sich dem noch aussetzen, sagen wir z.B. in (Ganz-Sch)lim(m)Burg oder München und Freising? Scheinbar niemand mehr – und das kann ich sehr gut verstehen.