„Er ist ein progressiver Papst, der die Kirche verändert, ich weiß nicht, ob zum Besseren“

Lamberto Dini übt Papstkritik


Lamberto Dini, ehemaliger Nationalbank-Generaldirektor und Ministerpräsident, läßt erstaunlich deutliche Kritik an Papst Franziskus anklingen.
Lamberto Dini, ehemaliger Nationalbank-Generaldirektor und Ministerpräsident, läßt erstaunlich deutliche Kritik an Papst Franziskus anklingen.

(Rom) Gestern fand die Bei­set­zung des ver­stor­be­ne­nen ehe­ma­li­gen ita­lie­ni­schen Staats­prä­si­den­ten Gior­gio Napo­li­ta­no statt. Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag such­te Papst Fran­zis­kus über­ra­schend den ita­lie­ni­schen Senat auf, um an Napo­li­ta­nos Sarg von ihm Abschied zu neh­men. Dabei begeg­ne­te er Lam­ber­to Dini, einem ehe­ma­li­gen ita­lie­ni­schen Mini­ster­prä­si­den­ten, der auf RAI Radio 1 deut­li­che Wor­te fand.

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„Papst Fran­zis­kus? In gewis­sem Sin­ne ist er ein lin­ker Papst, der die Kir­che ver­än­dert, indem er ihre hei­li­gen Prin­zi­pi­en gefährdet.“

Dies sag­te Lam­ber­to Dini gestern in der Hör­funk­sen­dung „Un gior­no da Peco­ra“ („Ein Tag als Schaf“).

Radio 1: Ist Ihrer Mei­nung nach der der­zei­ti­ge Hei­li­ge Vater als „gefähr­lich“ für die Kir­che einzustufen?

Lam­ber­to Dini: Die Kir­che ist eine poli­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on in dem Sin­ne, daß sie ver­sucht, ihre Hal­tun­gen an Ver­än­de­run­gen in der Gesell­schaft anzu­pas­sen. Zum Bei­spiel: Zuerst war die Ehe unauf­lös­lich, dann haben wir ange­fan­gen, über Schei­dung zu reden, und jetzt reden wir dar­über, gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re anzu­neh­men. Das ist ein pro­gres­si­ver Papst, der die Kir­che ver­än­dert, ver­wan­delt, ich weiß aber nicht, ob es zum Bes­se­ren ist.

Lam­ber­to Dini, der aus einer katho­li­schen Fami­lie der Tos­ka­na stammt, erhielt nach dem Krieg die Gele­gen­heit, Wirt­schaft zu stu­die­ren und sei­ne Kennt­nis­se in den USA zu ver­bes­sern. Dort trat er 1957 in den Dienst des Welt­wäh­rungs­fonds, des­sen Direk­tor für Ita­li­en und ande­re euro­päi­sche Mit­tel­meer­län­der er Mit­te der 70er Jah­re wur­de. Da der Par­tei­lo­se den Christ­de­mo­kra­ten eben­so nahe- oder fern­stand und auf­grund sei­ner sehr gemä­ßig­ten Aus­rich­tung eben­so mit den Libe­ra­len gut konn­te, erfolg­te 1979 sei­ne Ernen­nung zum Gene­ral­di­rek­tor der Ita­lie­ni­schen Natio­nal­bank. Gou­ver­neur der Natio­nal­bank wur­de er aller­dings nicht, da ihm ein dem Opus Dei nahe­ste­hen­der Kan­di­dat vor­ge­zo­gen wur­de.
Dafür wur­de er 1994 par­tei­lo­ser Schatz­mi­ni­ster der ersten Regie­rung Ber­lus­co­ni. Als die­se schei­ter­te, wur­de Dini zum neu­en ita­lie­ni­schen Mini­ster­prä­si­den­ten ernannt, der einer „Tech­ni­ker­re­gie­rung“ vor­stand. Damit wur­den vor­ge­zo­ge­ne Par­la­ments­wah­len ver­hin­dert.
Nach dem Wahl­sieg des Mit­te-links-Bünd­nis­ses 1996 wur­de Dini unter dem links­ka­tho­li­schen Mini­ster­prä­si­den­ten Roma­no Pro­di, der nun erst­mals unter Ein­bin­dung der ehe­ma­li­gen Kom­mu­ni­sten regier­te, wegen sei­ner guten Ver­bin­dun­gen zu den USA für fünf Jah­re Ita­li­ens Außen­mi­ni­ster, dann für wei­te­re fünf Jah­re als Ver­tre­ter des Mit­te-links-Bünd­nis­ses Vize­prä­si­dent des ita­lie­ni­schen Senats. Sena­tor blieb er noch bis 2013.
Auch in sei­nen Par­tei­mit­glied­schaf­ten schlug sich die­ser Par­cours nie­der. Bis 1996 war Dini par­tei­los, dann grün­de­te er eine eige­ne Par­tei der Mit­te, namens Ita­lie­ni­sche Erneue­rung, die er in das gro­ße Mit­te-links-Bünd­nis führ­te. Sei­ne Par­tei ging 2002 inner­halb die­ses Bünd­nis­ses in der links­ka­tho­li­schen Par­tei Mar­ghe­ri­ta auf. 2007 ver­ließ er das Bünd­nis und grün­de­te mit den Libe­ral­de­mo­kra­ten eine neue Par­tei der „Mit­te“, die er nun in das gro­ße Mit­te-rechts-Bünd­nis von Ber­lus­co­ni führ­te. Als die­ses sich zur Par­tei der Frei­heit (PdL) zusam­men­schloß, voll­zog auch Dini die­sen Schritt. Seit deren Auf­lö­sung im Jahr 2013 ist er wie­der parteilos. 

Wegen sei­nes Lebens­lau­fes und sei­ner Kar­rie­re stand Dini wie­der­holt im Ver­dacht, ein Frei­mau­rer zu sein, was er kon­se­quent bestritt. Direkt dar­auf ange­spro­chen sag­te er am 25. Okto­ber 2001 in einem Inter­view mit dem Cor­rie­re del­la Sera: „Das ist absurd. Mei­ne sehr katho­li­schen Eltern haben mir von der Frei­mau­re­rei als einer Art gehei­mer Sek­te erzählt, von der man sich fern­zu­hal­ten habe. (…) Ich hat­te nie irgend­ei­ne Bezie­hung und schon gar nicht eine Ver­bun­den­heit mit der Freimaurerei.“

Wie dem auch sei: Es ist die aus­ge­spro­chen gemä­ßig­te Posi­tio­nie­rung, die Dini in sei­nem poli­ti­schen Han­deln und in der poli­ti­schen Land­schaft Ita­li­ens stets ein­nahm, die sei­ne Aus­sa­gen über Papst Fran­zis­kus bemer­kens­wert machen.

Des­sen Besuch am Sarg Napo­li­ta­nos, der sich auch im Tod vom christ­li­chen Glau­ben distan­zier­te, indem er ein „lai­zi­sti­sches“ Staats­be­gräb­nis wünsch­te, sorg­te für eini­ge Pole­mik. Der Papst ver­zich­te­te auf jeden christ­li­chen Gestus, er mach­te kein Kreuz­zei­chen und sprach kein erkenn­ba­res Gebet.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​MiL

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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