Die gescheiterte Indien-Mission des päpstlichen Delegaten

Streit um die Zelebrationsrichtung


Papst Franziskus mit dem slowakischen Jesuiten und unierten Bischof Cyril Vasil. Der päpstliche Delegat für das syro-malabarische Erzbistum in Kerala erstattete am 23. August Bericht über eine erfolglose Mission.
Papst Franziskus mit dem slowakischen Jesuiten und unierten Bischof Cyril Vasil. Der päpstliche Delegat für das syro-malabarische Erzbistum in Kerala erstattete am 23. August Bericht über eine erfolglose Mission.

(Neu Delhi) Die Fra­ge nach der Zele­bra­ti­ons­rich­tung stellt die mit Rom unier­te syro-mala­ba­ri­sche Kir­che vor eine Zerreißprobe.

Die Thomas-Christen

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Die syro-mala­ba­ri­sche Kir­che beruft sich auf die Mis­si­ons­tä­tig­keit des Apo­stels Tho­mas in Indi­en, wo die­ser auch das Mar­ty­ri­um erlitt. Die Tho­mas-Chri­sten tra­ten in der Spät­an­ti­ke mit dem syri­schen Chri­sten­tum in Kon­takt, wie sich noch heu­te im Namen zeigt. So über­nah­men sie den ost­sy­ri­schen Ritus der Apo­sto­li­schen Kir­che des Ostens, die bis nach Tibet, Chi­na und in die Mon­go­lei missionierte.

Als die Por­tu­gie­sen Indi­en erreich­ten, kam es erst­mals auch zu Kon­tak­ten mit der latei­ni­schen Kir­che, die 1599 in der Uni­on mit Rom mündeten.

Die syro-mala­ba­ri­sche Kir­che zählt heu­te rund fünf Mil­lio­nen Gläu­bi­ge, vor allem im indi­schen Bun­des­staat Kera­la, ihrem histo­ri­schen Ter­ri­to­ri­um. Seit der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts exi­stiert auch eine Hier­ar­chie die­ser Kir­che außer­halb Kera­l­as. Ins­ge­samt zählt sie heu­te 35 Diö­ze­sen, davon 18 in Kera­la und wei­te­re drei­zehn in Indi­en, 8.000 Prie­ster und 3.300 Pfar­rei­en. Die Haupt­diö­ze­se ist das Groß­erz­bis­tum Erna­ku­lam-Angam­a­ly mit einer hal­ben Mil­li­on Gläu­bi­gen. Sie steht im Zen­trum des aktu­el­len Streits.

Unter west­li­chem Ein­fluß kam es zu For­men der Lati­ni­sie­rung, die von Papst Pius XI. zum Teil wie­der rück­gän­gig gemacht wur­den. Seit­her exi­stie­ren jedoch zwei Frak­tio­nen in der syro-mala­ba­ri­schen Kir­che, die sich gegen­über­ste­hen, und das zum Teil ziem­lich feind­se­lig. Die mala­ya­la­mi­sche Frak­ti­on hält an den syro-mala­ba­ri­schen Tra­di­tio­nen fest, wäh­rend eine latei­ni­sche Frak­ti­on eine stär­ke­re Lati­ni­sie­rung der Kir­che wünscht.

Zelebrationsrichtung als Streitpunkt

Haupt­streit­punkt ist die Zele­bra­ti­ons­rich­tung. Die latei­ni­sche Frak­ti­on betont, daß die Zele­bra­ti­ons­rich­tung vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil geän­dert wor­den sei und der Prie­ster dem Volk nicht mehr „den Rücken zukeh­ren“ soll­te. Die mala­ya­la­mi­sche Frak­ti­on beharrt hin­ge­gen auf der eigen­stän­di­gen Tra­di­ti­on, wes­halb die nach­kon­zi­lia­re Lit­ur­gie­re­form des latei­ni­schen Ritus von 1969 die syro-mala­ba­ri­sche Kir­che nicht betreffe.

Wegen des schwe­len­den Kon­flikts bekräf­tig­te die Syn­ode der syro-mala­ba­ri­schen Kir­che 1999 ein­stim­mig, daß die Zele­bra­ti­ons­rich­tung zumin­dest bei der Eucha­ri­stie­fei­er wei­ter­hin gemein­sam mit dem Volk ad ori­en­tem zu sein habe. Dabei han­delt es sich um eine Kom­pro­miß­for­mel zwi­schen der über­lie­fer­ten Zele­bra­ti­ons­rich­tung Osten der syro-mala­ba­ri­schen Tra­di­ti­on und der voll­stän­di­gen Zele­bra­ti­ons­rich­tung zum Volk hin der latei­ni­schen Frak­ti­on. Die­ser Beschluß wur­de seit­her mehr­fach bestä­tigt, gegen­über den „latei­ni­schen“ Rebel­len aber nicht in letz­ter Kon­se­quenz durch­ge­setzt. Ein ver­pflich­ten­der Beschluß unter Andro­hung von Sank­tio­nen erfolg­te erst im Som­mer 2021. Bis Ostern 2022 hat­ten alle Diö­ze­sen und Pfar­rei­en zur ein­heit­li­chen Zele­bra­ti­ons­rich­tung der Hei­li­gen Qur­ba­na, so wird das hei­li­ge Meß­op­fer im syro-mala­ba­ri­schen Ritus genannt, zurückzukehren.

Syro-mala­ba­ri­sche Bischö­fe ver­pflich­ten sich zur Kompromißformel

Der Streit war wegen der Coro­na-Maß­nah­men in der Pseu­do­pan­de­mie aus­ge­bro­chen, als auch die syro-mala­ba­ri­sche Kir­che dem päpst­li­chen Vor­bild folg­te und alle Zele­bra­tio­nen aus Angst vor dem Virus unter­sag­te. Auch in Indi­en wur­de die Sonn­tags­pflicht auf­ge­ho­ben. Alter­na­tiv wur­den Online-Meß­über­tra­gun­gen angeboten.

„Die Gläu­bi­gen erkann­ten, daß es zwei Mög­lich­kei­ten gibt, die Mes­se zu fei­ern, und so schrie­ben eini­ge an den Vati­kan und baten um eine ein­heit­li­che Art und Wei­se“, so Antho­ny Vad­ak­ke­kra, der Spre­cher der syro-mala­ba­ri­schen Kirche.

Papst Franziskus will Kompromißformel durchsetzen

Papst Fran­zis­kus ver­sucht die Kom­pro­miß­for­mel ein­heit­lich durch­zu­set­zen, womit allen Pfar­rei­en eine neue Form des Ritus ver­ord­net wird. Doch bis­her schei­ter­te auch er am Wider­stand des Kle­rus von Ernakulam-Angamaly.

Im weit­aus größ­ten Teil der syro-mala­ba­ri­schen Kir­che gilt die Kom­pro­miß­for­mel mit Tei­len zum Volk hin und der Eucha­ri­stie­fei­er, die nach Osten zele­briert wird.

Die „latei­ni­schen“ Pfar­rei­en wol­len von ihrer Pra­xis aber nicht mehr abrücken, die sie seit über 20 Jah­ren im Wider­spruch zu den Syn­oden­be­schlüs­sen bei­be­hal­ten haben. Gera­de die Metro­po­li­tan­kir­che, das Erz­bis­tum Erna­ku­lam-Angam­a­ly, zeig­te sich unter ihrem Admi­ni­stra­tor Metro­po­li­tan­vi­kar Antho­ny Kariyil gegen­über rebel­li­schen Pfar­rei­en so nach­sich­tig, daß die­se ihre Posi­ti­on in der Diö­ze­se festi­gen konn­ten. Das Syn­oden­de­kret von 2021 ließ auch der Metro­po­lie kei­nen Spiel­raum mehr, wes­halb sich Kariyil an Rom wand­te, um von dort Rücken­deckung gegen­über den eige­nen rebel­li­schen Pfar­rei­en zu erhal­ten. Im März 2021 waren von rebel­li­schen Prie­stern näm­lich öffent­lich Pup­pen von zwei Kar­di­nä­len ver­brannt wor­den, von Groß­erz­bi­schof Geor­ge Alen­cher­ry, den Papst Bene­dikt XVI. 2011 in den Kar­di­nals­rang erho­ben hat­te, und von Kar­di­nal Leo­nar­do Sand­ri, dem dama­li­gen Prä­fek­ten der römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für die ori­en­ta­li­schen Kir­chen.

Die­se Rücken­deckung wur­de gewährt. Papst Fran­zis­kus, der Kar­di­nal Robert Sarah, dem dama­li­gen Prä­fek­ten der Got­tes­dienst­kon­gre­ga­ti­on, ener­gisch wider­spro­chen hat­te, als die­ser 2016 alle Prie­ster des latei­ni­schen Ritus auf­for­der­te, zur eigent­li­chen Zele­bra­ti­ons­rich­tung ad ori­en­tem zurück­zu­keh­ren, beton­te am 3. Juli 2021 gegen­über den syro-mala­ba­ri­schen Chri­sten, daß die gefaß­ten Beschlüs­se ein­zu­hal­ten und Rich­tung Osten zu zele­brie­ren sei. 

Zudem setz­te Fran­zis­kus im ver­gan­ge­nen Jahr mit Msgr. Andrews Thaz­hath, dem Erz­bi­schof von Trichur, einen neu­en Metro­po­li­tan­vi­kar ein. Die­ser war 2021 von einer Grup­pe von Prie­stern sei­nes Erz­bis­tums im Bischofs­haus gefan­gen­ge­setzt wor­den, wodurch sie die Bei­be­hal­tung der Lati­ni­sie­run­gen erzwin­gen woll­ten. Die Poli­zei muß­te eingreifen.

Doch weder die päpst­li­che Auf­for­de­rung noch die Neu­be­set­zung ließ die „latei­ni­schen“ Rebel­len zur Ruhe kom­men. Exkom­mu­ni­ka­ti­ons­an­dro­hun­gen und Pro­te­ste zei­gen, daß der Kon­flikt fortbesteht. 

Päpstlicher Delegat für Ernakulam-Angamaly

Fran­zis­kus ernann­te den slo­wa­ki­schen Erz­bi­schof und Jesui­ten Cyril Vasil zu sei­nem Dele­ga­ten und sand­te ihn zur Streit­schlich­tung nach Indi­en. Msgr. Vasil ist seit 2021 Bischof der mit Rom unier­ten slo­wa­ki­schen grie­chisch-katho­li­schen Epar­chie Kaschau. Ad per­so­nam erhob ihn Fran­zis­kus zugleich in den Rang eines Erzbischofs.

In Indi­en war Msgr. Vasil aber wenig erfolg­reich. Am ver­gan­ge­nen 4. August wur­de er von Rebel­len mit Fla­schen bewor­fen, als er unter Poli­zei­schutz die Kathe­dra­le von Erna­ku­lam betrat und den Rebel­len-Prie­stern ein Ulti­ma­tum stellte.

Am 23. August mel­de­te die Hin­du­stan Times, daß vier Prie­ster wegen der Nicht-Ein­hal­tung des Ulti­ma­tums straf­ver­setzt wur­den. Dar­auf mel­de­te sich der indi­schen Befrei­ungs­theo­lo­ge Felix Wil­fred zu Wort, der sei­ne Aus­bil­dung an der Jesui­ten­hoch­schu­le in Frank­furt am Main erhal­ten hat­te, und mein­te, daß die letz­te Kon­se­quenz die Exkom­mu­ni­ka­ti­on sei, ein „mit­tel­al­ter­li­ches Dis­zi­pli­nie­rungs­in­stru­ment“, das „unse­rer Zeit fremd“ sei und dem Geist von Papst Fran­zis­kus „völ­lig wider­spricht“. Wil­fred ist seit 2007 Her­aus­ge­ber der pro­gres­si­ven Theo­lo­gen­zeit­schrift Con­ci­li­um. Die Ein­heit­lich­keit, die Rom durch­set­zen wol­le, „erin­nert sehr an das Kasten­sy­stem“, so Wilfred.

Haupt­be­weg­grund für Fran­zis­kus und sei­ne Bera­ter ist hin­ge­gen der Wunsch, durch den Kom­pro­miß die Ein­heit der syro-mala­ba­ri­schen Kir­che zu bewah­ren ange­sichts des wach­sen­den und wenig freund­lich gesinn­ten Hindu-Nationalismus.

Am 23. August hielt sich Msgr. Vasil in Rom auf, wo er Papst Fran­zis­kus per­sön­lich über sei­ne Rei­se in die Erz­diö­ze­se Erna­ku­lam-Angam­a­ly in Kera­la infor­mier­te. Dabei wur­de bekräf­tigt, daß sein Man­dat als päpst­li­cher Dele­gat für die­se Diö­ze­se auf­recht­bleibt.

In der Erz­diö­ze­se Erna­ku­lam-Angam­a­ly ist der Kle­rus ent­schlos­se­ner denn je, an der latei­ni­schen Form der pro­te­stan­ti­schen Zele­bra­ti­on zum Volk fest­zu­hal­ten. Bis zum Ulti­ma­tum, das am 20. August ablief, haben nur sechs der 328 Pfar­rei­en die Kom­pro­miß­form über­nom­men, die von Erz­bi­schof Vasil „ein­heit­li­cher Ritus“ genannt wird.

Im Anschluß an die Begeg­nung mit Papst Fran­zis­kus such­te Msgr. Vasil das Dik­aste­ri­um für die ori­en­ta­li­schen Kir­chen auf.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)

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