Benjamin Netanjahu: Meine Regierung wird keine Gesetze gegen Christen erlassen

Gesetzentwurf in der israelischen Knesset sorgt für Unruhe


Links Yakoov Asher mit dem US-Botschafter in Israel, rechts Moshe Gafni. Beide sind Knesset-Abeordnete von Jahudat Hatorah und brachten einen antichristlichen Gesetzentwurf im Parlament ein.
Links Yakoov Asher mit dem US-Botschafter in Israel, rechts Moshe Gafni. Beide sind Knesset-Abeordnete von Jahudat Hatorah und brachten einen antichristlichen Gesetzentwurf im Parlament ein.

(Jeru­sa­lem) Isra­els Mini­ster­prä­si­dent Ben­ja­min Netan­ja­hu ver­si­cher­te am Mitt­woch, dem 22. März, daß sei­ne Regie­rung kei­ne Geset­ze erlas­sen wer­de, die sich gegen Chri­sten rich­ten. Damit reagier­te der Vor­sit­zen­de der natio­nal­kon­ser­va­ti­ven Par­tei Likud auf die Initia­ti­ve eines sei­ner Koalitionspartner. 

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Netan­ja­hu schrieb auf Twit­ter:

„Wir wer­den kei­ne Geset­ze gegen die christ­li­che Gemein­schaft fördern.“

Zuvor hat­ten Mos­he Gaf­ni und Yaa­kov Asher, zwei Abge­ord­ne­te der ultra­or­tho­do­xen, mit Netan­ja­hu ver­bün­de­ten Par­tei Jahu­dat Hatorah (Ver­ei­nig­tes Tho­ra-Juden­tum), einen Gesetz­ent­wurf ein­ge­bracht, der die Ver­brei­tung des Chri­sten­tums in Isra­el ver­bie­ten soll.

Der Gesetz­ent­wurf ist so restrik­tiv for­mu­liert, daß er jedes Gespräch von Chri­sten mit Anders­gläu­bi­gen, kon­kret Juden, über den Glau­ben an Chri­stus unter Stra­fe stellt. Der Ent­wurf sieht dafür Gefäng­nis­stra­fen von einem Jahr vor. Han­delt es sich um ein Gespräch mit Min­der­jäh­ri­gen, sind „zwei Jah­re Gefäng­nis“ vorgesehen.

Grund­sätz­lich soll sich das Gesetz gegen alle Men­schen jeg­li­cher Reli­gi­on rich­ten, die mit Juden reli­giö­se Gesprä­che füh­ren. Theo­re­tisch betrifft es auch Mus­li­me, Bahai oder ande­re Reli­gi­ons­an­ge­hö­ri­ge. Im kon­kre­ten Kon­text Isra­els meint die Vor­la­ge jedoch in erster Linie und vor allem die Chri­sten. Das beto­nen die bei­den Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten ganz offen in ihrer offi­zi­el­len Erläu­te­rung zum Ent­wurf. Es geht den Ver­tre­tern von Jahu­dat Hatorah aus­drück­lich dar­um, Chri­sten zu ver­haf­ten, soll­ten sie Juden auf ihren Glau­ben an Chri­stus ansprechen.

So radi­ka­le Geset­zes­vor­stö­ße kann­te man bis­her nur aus eini­gen isla­mi­schen Staaten.

Das Haupt­ziel des Vor­sto­ßes, so sei­ne Autoren, besteht dar­in, es Chri­sten zu ver­bie­ten, Juden zu erklä­ren, war­um sie glau­ben, daß Jesus der Mes­si­as und Gott ist. Die­se Fra­ge bil­det die gro­ße Trenn­li­nie zwi­schen Juden­tum und Chri­sten­tum. Die Juden war­ten noch immer auf den Mes­si­as, da sie Jesus Chri­stus nicht aner­ken­nen, und bestrei­ten, daß Gott einen Sohn haben kann. Letz­te­re Posi­ti­on ver­tritt auch der Islam.

Reli­gi­ons- und heils­ge­schicht­lich fand mit Jesu Hin­rich­tung, die vom Hohe­prie­ster und Ober­sten Rat der Juden betrie­ben und durch­ge­setzt wur­de (die Hin­rich­tung voll­zo­gen die Römer, weil den Juden die Ver­hän­gung und Voll­streckung der Todes­stra­fe kurz zuvor von den Römern ver­bo­ten wor­den war) eine Schei­dung statt. Ein Teil des Juden­tums, dar­un­ter Maria, die Apo­stel und Jün­ger Jesu – alle­samt Juden –, erkann­te in Jesus den ver­hei­ße­nen Mes­si­as und Sohn Got­tes. Zudem bra­chen sie die Ein­schrän­kung auf das Juden­tum auf, da sich die Erlö­sung durch Jesus Chri­stus an die gesam­te Mensch­heit rich­te­te. Die alte Hier­ar­chie des Juden­tums, mit dem Hohe­prie­ster an der Spit­ze, leug­ne­te dies und ließ ihn töten. Das heu­ti­ge Juden­tum ent­spricht der pha­ri­säi­schen Rich­tung des Juden­tums zur Zeit Jesu, aus der in den ver­gan­ge­nen zwei­tau­send Jah­ren wei­te­re Strö­mun­gen hervorgingen.

Der Gesetz­ent­wurf, der nun in der Knes­set zur Behand­lung auf­liegt, will selbst ein ein­fa­ches per­sön­li­ches Gespräch über Jesus mit einem Juden zu einem Ver­bre­chen machen.

Es wäre auch ille­gal, einen Juden „direkt, digi­tal, per Post oder online auf­zu­for­dern, sich zu bekeh­ren“. Damit wäre auch die Her­stel­lung und Ver­brei­tung von Vide­os im Inter­net ille­gal, in denen Juden (for­mal auch Mus­li­men oder Ange­hö­ri­gen ande­rer Reli­gio­nen) in Isra­el das Chri­sten­tum erklärt wird.

Eben­so ille­gal wäre die Ver­öf­fent­li­chung von Büchern, ande­ren gedruck­ten Schrif­ten, Online-Arti­keln, Pod­casts oder ande­ren For­men von Medi­en, in denen über Jesus gespro­chen wird. Glei­ches gilt für Dis­kus­sio­nen über das Chri­sten­tum per E‑Mail, Text­nach­rich­ten, Brie­fe, Kom­mu­ni­ka­ti­on in sozia­len Medi­en, ein­schließ­lich der Beant­wor­tung von Fra­gen zu Chri­stus und dem Chri­sten­tum, die von Men­schen gestellt wer­den, die kei­ne Chri­sten sind.

Das Bünd­nis Jahu­dat Hatorah ent­stand 1992 aus dem Zusam­men­ge­hen zwei­er älte­rer ultra­or­tho­do­xer asch­ke­na­si­scher Par­tei­en, der Agu­dat Isra­el und ihrer Abspal­tung Degel Hatorah. Seit der Jahr­tau­send­wen­de ver­sucht das Bünd­nis die Ver­brei­tung des Chri­sten­tums in Isra­el gesetz­lich zu unter­bin­den. Bis­her erfolglos.

Bei den jüng­sten Par­la­ments­wah­len am 1. Novem­ber 2022 konn­te das Bünd­nis sie­ben von 120 Sit­zen errin­gen. Ohne die Stim­men von Jahu­dat Hatorah ver­fügt die Regie­rung Netan­ja­hu über kei­ne Mehr­heit im Par­la­ment. Inner­halb von drei Jah­ren fan­den in Isra­el fünf Par­la­ments­wah­len statt, weil sich kei­ne sta­bi­len Mehr­hei­ten fan­den. Erst der Urnen­gang vom ver­gan­ge­nen Novem­ber änder­te dies, als das von Netan­ja­hu ange­führ­te Bünd­nis 64 Sit­ze errin­gen konnte.

Mos­he Gaf­ni und Yaa­kov Asher gehö­ren inner­halb des Ver­ei­nig­ten Tho­ra-Juden­tums der Par­tei Degel Hatorah an – Gaf­ni ist ihr Vor­sit­zen­der –, die vier Sit­ze in der Knes­set hält.

Mini­ster­prä­si­dent Netan­ja­hu ist bemüht, die Dis­kus­si­on über den Geset­zes­vor­stoß, der vor allem unter Evan­ge­li­ka­len in den USA für Unru­he sorgt, schnell zu beenden.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: U.S. Embas­sy Jerusalem/​Flickr/​Wikicommons

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