
Francesco Bonifacio wurde am 7. September 1912 in Pirano (heute Piran in Slowenien) als Sohn von Giovanni Bonifacio und Luigia Busdon geboren. Pirano gehörte seit 1797 zu Österreich und war Teil der Markgrafschaft Istrien, die zum Österreichischen Küstenland gehörte. Ethnisch, sprachlich und kulturell war der Küstenstreifen Istriens venezianisch geprägt. Ein halbes Jahrtausend lang hatte die Gegend zur Seerepublik Venedig gehört. Laut der österreichischen Volkszählung von 1910 waren 98,7 Prozent der Einwohner der Stadt Pirano Italiener. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Istrien dem Königreich Italien angeschlossen, was von der italienischen Bevölkerung des einst venezianischen Küstengebiets begrüßt wurde, aber die slowenische und kroatische Bevölkerungsmehrheit im Hinterland, das nie italienisch war, gar nicht begeisterte.
Francesco Bonifacio war das zweite von sieben Kindern. Das Leben der Familie, einfach und arm, war geprägt von würdiger Bescheidenheit, intensivem Fleiß und heiterer Hingabe an den Herrn. Die Minoritenkirche des heiligen Franziskus ist das Zentrum ihres religiösen Lebens. Hier wurde Francesco auf die Sakramente vorbereitet und war ein eifriger und vorbildlicher Meßdiener. In den Sommerferien besuchte er das nach dem heiligen Dominikus Savio benannte Oratorium, das als „Die Salesianer“ bekannt war. Er ist zunächst Anwärter und dann Mitglied der Katholischen Aktion. Wöchentliche Beichte und tägliche Kommunion prägten sein Leben. Schon in jungen Jahren spürte er seine Berufung zum Priestertum. Auf Anregung seines Pfarrers Msgr. Giorgio Maraspin besuchte er 1924 das interdiözesane Knabenseminar in Capodistria (heute Koper in Slowenien).
Pirano war historisch ein Teil der Diözese Capodistria, die unter Österreich 1828 mit dem Bistum Triest zusammengelegt wurde. Die Trennung und Wiedererrichtung eines eigenen Bistums Capodistria, nun unter dem slowenischen Namen Koper, erfolgte 1977, unmittelbar nach der Unterzeichnung des Vertrags von Osimo, mit dem die territorialen Fragen zwischen Italien und dem damaligen Jugoslawien bereinigt wurden.
Bonifacios Leben als Seminarist war geprägt von Gehorsam gegenüber seinen Vorgesetzten, Respekt, aber auch Zurückhaltung gegenüber seinen Mitschülern, sowie durch Hilfsbereitschaft und Offenheit für Freundschaften.
Nach Abschluß des Gymnasiums trat er 1932 in das interdiözesane erzbischöfliche Priesterseminar in Görz ein, das nach dem Krieg ebenfalls an Italien gelangt war. Die letzte Zeit seines Theologiestudiums verbrachte er wieder in Capodistria, wo er als Präfekt, vor allem aber als Freund vieler junger Menschen wirkte .
Msgr. Carlo Margotti, Erzbischof von Görz und damals auch Apostolischer Administrator von Triest und Capodistria, weihte ihn am 27. Dezember 1936 in der Kathedrale San Giusto in Triest zum Priester.
Am 3. Januar 1937 zog Don Bonfacio durch den festlich geschmückten und von der Bevölkerung gesäumten heimatlichen Stadtteil Carrara di Raspo und begab sich in die Pfarrkirche San Giorgio von Pirano, wo er seine Primiz feierte.
Ein junger Priester
Sein erster kurzer pastoraler Einsatz folgte in Pirano selbst. Diejenigen, die ihn kennen, bemerken nach seiner Priesterweihe eine Verwandlung an ihm. Die Schüchternheit weicht einer ungeahnten Anziehungskraft und Faszination.
Am 1. April 1937 wurde er von Erzbischof Margotti zum Subkapitular, Chorvikar und Kooperator in Cittanova (heute Novigrad in Kroatien) ernannt, wo er etwa zwei Jahre lang blieb. Er wurde schnell Teil des Lebens in der Stadt. Seine pastorale Arbeit fand in der Kirche statt, im Katechismusunterricht, im Kontakt mit jungen Menschen (Katholische Jugendaktion, katholische Theaterbühne, Freizeitaktivitäten), in den Beziehungen zu den einfachen Menschen (Fischer, Bauern, ältere Menschen, Kranke, Arme).
Seine Versetzung im Jahr 1939 wurde daher eine harte „Prüfung“ für ihn, für die Jugendlichen und für das Volk. Am 1. Juli wurde er von Msgr. Antonio Santin, dem neuen Bischof von Triest und Capodistria, zum Kaplan in der Kuratie Villa Gardossi (heute Krasica in Kroatien) ernannt.
Der ländliche Seelsorgeposten zählt etwa 1300 Seelen und besteht aus vielen kleinen Weilern und abgelegenen Häusern, die über das hügelige Gebiet zwischen Buie und Grisignana (heute Buje und Grožnjan in Kroatien) verstreut sind und sich in einem Halbkreis auf den drei Bergrücken erstrecken, die vom Berg Cavruie (koat. Kavruja) nach Baredine, Punta und Luzzari (Lozari) abfallen. Wie Pirano, Cittanova und Capodistria war auch diese Gegend großteils von Italienern bewohnt. Hier ließ sich Don Francesco mit seiner Mutter, seinem Bruder Giovanni, seiner Schwester Romana und – vorübergehend im Sommer – mit seiner Nichte Luciana Fonda nieder.
Sein pastorales Engagement erstreckte sich wortwörtlich auf sein ganzes Territorium. Jeden Nachmittag machte er sich zu Fuß auf den Weg (manchmal auch mit dem Fahrrad), um die entlegensten Dörfer und Höfe zu erreichen. Er unterrichtete Gruppen von Kindern an den abgelegensten Orten in Bauernküchen. Er besuchte die Häuser der Armen und brachte selbst vom bescheidenen Familientisch ein wenig Hilfe mit. Er klopfte mit seinem Stock an die Türen der Alten und Kranken und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Seine schnörkellosen, einfachen, aber wirkungsvollen Worte waren bei den Menschen beliebt.
Soweit es die Umstände zuließen, hielt er ständigen Kontakt mit seinem Bischof. Er pflegte auch die Beziehungen zu seinen Mitbrüdern aus den Nachbarpfarreien Buie, Cittanova, Grisignana, Veteneglio und Villanova del Quieto (heute Brtonigla und Nova Vas in Kroatien). Vor jedem Sonn- und Feiertag ging er bei jedem Wetter nach Buie, um die Beichte zu hören.
Als der Krieg kam
Der Krieg, zuvor in dieser Gegend kaum zu spüren, traf im Spätsommer 1943 auch Istrien. Nach den chaotischen Tagen, die auf den italienischen Waffenstillstand vom 8. September 1943 folgten, der die Besetzung Istriens durch deutsche Truppen zur Folge hatte, wurde Villa Gardossi mit ihren über die bewaldeten Hügel verstreuten Häusern zu einem idealen Zufluchtsort für Partisanen und damit zur Konfliktzone zwischen den verfeindeten Parteien. Die Zivilbevölkerung, hier zumeist Italiener, stand zwischen der kommunistisch geführten, slawischen Volksbefreiungsbewegung (Osvobodilna Fronta) auf der einen Seite und den Deutschen mit den kollaborierenden Kräften der faschistischen Repubblica Sociale Italiana (RSI) auf der anderen Seite.

Don Francesco stellte sich der schwierigen und gefährlichen Situation mit Mut und Entschlossenheit. Er tat sein Bestes, um allen, Italienern und Slawen, beizustehen. Er stellte sich zwischen die Kriegsparteien, um Freunden und Feinden zu helfen, um Hinrichtungen zu verhindern, die oft im Schnellverfahren angeordnet wurden, um den Opfern von Haß und grausamer Rache ein christliches Begräbnis zu geben, um Häuser und Eigentum vor Plünderung und Zerstörung zu schützen, um Menschen auf der Flucht und Heimkehrern, egal welcher Volkszugehörigkeit und Seite, unter Einsatz seines Lebens Schutz zu gewähren.
Nach dem offiziellen Kriegsende kehrten die Überlebenden aus den Gefangenenlagern und von den verschiedenen Fronten in ihre Heimat zurück. Dort herrschte die Zeit der Rache und des ethnisch-nationalen Hasses. Die Foibe wurden zur makabren und furchterregenden Bedrohung.
Foibe werden die Höhlen und Zerklüftungen im Karst genannt, der sich im Hinterland der Küste der östlichen oberen Adria folgend bis nach Dalmatien hinzieht. Die kommunistischen Partisanen warfen ihre Gegner, die sie gefangengenommen oder entführt hatten, zu Tausenden, meist noch lebendig, in diese Höhlen. Gegner waren alle Andersdenkenden, die den Kommunisten bei der politischen Neuordnung in der Nachkriegszeit als Konkurrenten im Wege stehen konnten. Das betraf nicht nur slowenische und kroatische Faschisten, sondern auch die Katholiken, und nicht zuletzt die Angehörigen der italienischen und der deutschen Volksgruppe, die man durch ethnische Säuberungen beseitigte. Die Zukunft sollte slawisch und kommunistisch sein. Für Andersdenkende und andere Volksgruppen war kein Platz mehr.
Das Gebiet der Diözese Triest und Capodistria wurde geteilt. Ein Gebiet mit Triest blieb bei Italien, der Rest fiel nun an Jugoslawien, auch der italienisch besiedelte Küstenstreifen. Innerhalb Jugoslawiens wurde die Diözese wiederum geteilt in einen slowenischen und einen kroatischen Teil. Vorerst aber herrschte Ungewißheit über die Zukunft. Titos Partisanen versuchten soviel Land als möglich zu besetzen.
Mit dem Kriegsende kam der Wiederaufbau, der in Istrien die Durchsetzung des Kommunismus und des Staatsatheismus bedeutete. Die Kirche, die Gläubigen und vor allem die Priester waren den Kommunisten ein Dorn im Auge. Die antireligiöse und materialistische Propaganda wurde von den neuen Machthabern auf allen Ebenen betrieben. Es gab unzählige kirchenfeindliche Aktionen und Einschränkungen der Religionsausübung. Ihren Höhepunkt erreichten sie mit dem Überfall auf Bischof Santin, der verwundet wurde. Zahlreiche Priester wurden Opfer von Gewalttaten. Bekanntestes Beispiel ist Miroslav Bulešić, der 1947 in Lanischie (heute Lanišće in Kroatien) ermordet wurde.
Bulešić war ein kroatischer Priester, der wie Bonifacio aus Istrien stammte, allerdings dem Nachbarbistum Parenzo und Pola (heute Poreč und Pula in Kroatien) angehörte. Er hatte wie Bonifacio in Görz und Capodistria studiert und war 1943 zum Priester geweiht worden. Als kommunistische Partisanen den Tabernakel seiner Kirche aufbrechen wollten und er den Leib Christi verteidigte, wurde er getötet. Im September 2013 erfolgte seine Seligsprechung als Märtyrer.
Die Herrschaft der Tito-Partisanen
Mit der Besetzung Istriens durch die Tito-Partisanen änderte sich auch das Leben in Villa Gardossi radikal. Die Kommunisten, die von einigen Dorfbewohnern aktiv unterstützt wurden, gründeten Volkskomitees, organisierten Konferenzen und ideologisch geprägte Kundgebungen. Sie schüchterten jene ein, die den neuen Verhältnissen ablehnend, mißtrauisch oder unsicher gegenüberstanden. Die Dorfgemeinschaft wurde durch ein Netz von Informanten kontrolliert. Don Francesco und den Gläubigen schenkten sie dabei eine bedrohliche Aufmerksamkeit. Die Kommunisten versuchten den Priester sogar zu ködern und in die Proskriptionslisten tatsächlicher oder angeblicher „faschistischer Verbrecher“ und die jugoslawischen Annexionspläne zu verwickeln, was dieser jedoch ablehnte. So erschwerten sie ihm zunehmend die freie Ausübung des priesterlichen Dienstes.

Don Francesco war sich der veränderten Situation durchaus bewußt, setzte aber seine geduldige und kluge pastorale Arbeit mit ungebrochenem Elan fort. Je mehr er sich in der Ausübung seines Dienstes behindert sah, desto mehr gab er sein Bestes, um immer neue Wege zu finden, das gleiche Ziel zu erreichen: Er organisierte katechetische Treffen in den Privathäusern, bei denen mehrere Familien zusammenkamen und berief die Schulungstreffen der Katholischen Aktion in der Kirche ein, wobei er die Türen weit offenließ, damit alle sehen und hören konnten. Damit wollte er falschen Anschuldigungen vorbeugen. Es war eine gefährliche Zeit. Die Denunziation hatte Hochkonjunktur.
Die erhalten gebliebenen Predigten zeigen, daß Don Bonifacio eine gewählte und ausgewogene Sprache pflegte. Er begnügte sich mit spärlichen Verweisen auf konkrete Situationen und Personen, ohne daß deshalb seine Predigten abstrakt und zu allgemein waren. Sie erlauben einen tiefen Einblick in die damaligen Verhältnisse und die Frömmigkeit dieses Priesters, seine Entschlossenheit, sein Engagement, sein Ansehen und seine Führungsqualitäten. Es gelingt ihm, wie es in gegnerischen Berichten heißt, „die gesamte Bevölkerung um sich zu polarisieren“, die Landjugend „folgt nicht der atheistischen Propaganda und den Initiativen des Regimes“, sondern „steht auf seiner Seite“. Damit zieht er sich wider Willen die Mißbilligung der neuen Machthaber zu.
Don Bonifacio ist ein „unbequemer“ Priester, ein Pfarrer mit großem geistlichen Einfluß, ein vermeintlicher Gegner („er verteidigt mutig den Glauben seines Volkes gegen den Atheismus, den sie aufzwingen wollen“) und ein unerträgliches „Hindernis“ für den „Fortschritt der kommunistischen Ideologie“, das beseitigt werden muß. Er wird immer häufiger auf Versammlungen der Kommunistischen Partei Jugoslawiens und der Partisanen angegriffen. Die kommunistische Geheimpolizei OZNA („Volksschutz“) beschließt, Don Bonifacio und die Pfarrer von Grisignana und Villanova del Quieto zu verhaften.
Don Francesco wird vor der drohenden Gefahr gewarnt. Er weiß um den Ernst der Lage und spricht darüber mit seinen Mitbrüdern („sie spionieren mich aus“; „mir könnte etwas Schlimmes zustoßen“) und mit seinem Bischof in Triest („die kommunistischen Führer bedrohen mich“). Da er sich jedoch bewußt ist, nichts Unrechtes getan zu haben, entscheidet er sich, auf seinem Posten zu bleiben. Er werde die ihm anvertrauten Gläubigen „nicht im Stich lassen“, sondern wie ein Märtyrer „in ihrer Mitte sterben“. Für Don Francesco ist das christliche Zeugnis radikal und schließt auch die reale Aussicht auf das Martyrium ein, „wenn es notwendig ist“.
Wenige Tage nach seinem 34. Geburtstag
Am 11. September 1946 machte sich Don Francesco zu Fuß auf den Weg. Wenige Tage zuvor hatte er sein 34. Lebensjahr vollendet. Er hält er in Peroi (heute Peroj in Kroatien), um Holz zu bestellen, und begibt sich nach Grisignana zur Beichte. Das anschließende Treffen mit dem dortigen Priester Don Giuseppe Rocco dauert mehrere Stunden. Er spricht mit ihm über die Schwierigkeiten des Amtes, über die Notwendigkeit, dem Dienst treu zu bleiben, regelmäßig zur Beichte zu gehen, sich dem eigenen Seelenführer anzuvertrauen und den Rat der Apostolischen Klerikervereinigung zu befolgen.
Nach einem kurzen Aufenthalt in der Kirche schlägt Don Rocco seinem Mitbruder vor, wegen der fortgeschrittenen Stunde die Nacht in Grisignana zu verbringen. Als dieser wegen seiner Verpflichtungen am nächsten Morgen ablehnt, begleitet ihn Don Rocco noch bis zum Friedhof von San Vito. Hier, als sie sich trennen, sehen sie, wie einige OZNA-Männer aus dem Friedhof kommen. Don Rocco empfiehlt seinem Mitbruder eilig nach Hause zu gehen. Dieser wählt den kürzesten Weg nach Villa Gardossi.
In Radani wird er, wie mehrere Zeugen bestätigen, von Männern des „Volksschutzes“ angehalten. Nach einem „aufgeregten Gespräch“ verschwindet die Gruppe mit dem Priester im Wald. Einige Dorfbewohner, die sich der Gruppe zu nähern versuchen, wurden „weggejagt und bedroht“. Die OZNA-Männer, die Don Francesco verhaftet haben, waren den Dorfbewohnern bekannt und wurden von ihnen aufgrund übereinstimmender Aussagen identifiziert.
Keine Rückkehr
Als er am Abend des 11. September nicht nach Hause zurückkehrt, ist seine Familie sofort besorgt. Sein Bruder Giovanni geht zusammen mit Nachbarn den ganzen Weg nach Grisignana, um den Priester zu suchen und ihm in einer möglichen Not zu helfen. Vergebens.
Am Morgen des 12. September verbreitet sich die Nachricht von seiner Verhaftung. Mehrere Personen aus Radani bestätigen den Vorfall. Sein Bruder und ein Freund fahren zum Polizeikommando in Grisignana und anschließend nach Peroi, um die Schwester eines der von den Zeugen erkannten OZNA-Mannes aufzusuchen. Sie erhalten aber nur vage, zurückhaltende und widersprüchliche Antworten. In der Zwischenzeit wird die Suche fortgesetzt. Die Wälder in der Umgebung werden abgesucht, ohne daß eine brauchbare Spur gefunden wird.
Am 13. September wendet sich Rocco Fonda, der Schwager von Don Francesco, an das Kommando der kommunistischen Volksarmee in Buie, erhält aber auch dort nur ausweichende Antworten.
Am 14. September begibt sich sein Bruder Giovanni in die Höhle des Löwen, in das OZNA-Kommando in Buie. Anstatt Auskunft über den Verbleib seines Bruders zu erhalten, wird er unter einem Vorwand verhaftet und drei Tage lang inhaftiert.
Seine Mutter Luigia bleibt noch ein Jahr lang in Villa Gardossi und sucht weiter nach ihrem Sohn, auch beim Volksgerichtshof in Labin (ital. Albona), aber ohne Erfolg. Dann zieht sie, wie die meisten Italiener nach der neuen Grenzziehung, fort. Die ethnische Säuberung betrifft die Italiener Istriens wie Millionen von Deutschen im Osten. Im Gegensatz zu deren Vertreibung verläuft sie für die Italiener aber zumindest in Form einer geordneten Umsiedlung. Die Mutter geht zusammen mit anderen Verwandten nach Triest.
Das Tabu
In der Zwischenzeit verbreiteten sich Angst und Einschüchterung im Dorf. Niemand spricht mehr über dieses Thema. Selbst in den 1970er Jahren war es noch gefährlich, sich mit dem Fall Bonifacio zu befassen. Auch in Italien wurde kaum darüber gesprochen, weil die Kommunistische Partei Italiens und der linksdominierte Kulturbetrieb von Verbrechen der Kommunisten nichts wissen wollten.
Don Francesco verschwand am 11. September 1946. Über seinen Tod, der sicher gewaltsam war, sind keine wirklich gesicherten Einzelheiten bekannt. Es gibt nur bruchstückhafte, vage, zum Teil widersprüchliche Informationen. Einig sind sich alle nur darin, daß er in der Nacht seiner Verhaftung, als ihn vier OZNA-Männer abführten, auf „ungeklärte Weise“ ums Leben gekommen ist. Auch der Verbleib des Leichnams ist ungewiß: Wurde er verbrannt, in eine Foiba geworfen (genannt werden die Foibe di Martines bei Grisignana und die Foibe di Pisino, heute Pazin) oder irgendwo vergraben?
Don Francesco, ein sanftmütiger und friedlicher Mann, dem „jede Form von nationalistischer, sozialer oder politischer Parteilichkeit“ fremd ist, „zahlt für den Haß auf Gott und die Kirche“. Er wurde getötet, weil er „ein in seinem Dienst eifriger Priester ist“. Er muß in odium fidei sterben, wie es in Aufzeichnungen heißt, weil die Kommunisten einen Haß auf die Priester haben. Er ist ein echter Märtyrer, der für den Glauben getötet wurde, ein „Opfer von abscheulichem Haß“.
Am 21. Februar 1957 beauftragte die Heilige Ritenkongregation den Bischof von Triest, Msgr. Antonio Santin, mit der Vorbereitung des Seligsprechungsprozesses. In der Krypta der Wallfahrtskirche Maria Mutter und Königin von Monte Grisa bei Triest ließ Bischof Santin eine Tafel mit folgendem Text anbringen:
„An diesem Altar, den Pirano / zu Ehren seines Schutzpatrons errichtet, / brennt wie eine Flamme / das Gedenken an seinen jungen Priester / Francesco Bonifacio / der am 11. September 1946 / im Haß auf Gott und sein heiliges Priestertum ermordet wurde.“
Jedes Jahr gedenken die Einwohner von Triest und Istrien, insbesondere die Bewohner von Cittanova, Pirano und Villa Gardossi, am Jahrestag des Martyriums Don Francesco Bonifacios.
Am 4. Oktober 2008 wurde er als Märtyrer in der Kathedrale San Giusto von Triest seliggesprochen, in der er 1936 die Priesterweihe empfangen hatte. Sein Gedenktag ist der 11. September (Meßformular NOM).
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Wikicommons
Ich verweise auf das Standardwerk von Tvrtko Patrick Sojcic. Es heisst „Die Lösung der Kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945“.