
(Rom) Das Pontifikat von Papst Franziskus ist reich an kuriosen und auch skurrilen Momenten. Seit Dienstag auch um einen surrealen.
Am 11. Januar verließ Franziskus geheim den Vatikan und ließ sich von seinem Fahrer zu Stereosound – La Discoteca al Pantheon bringen, einem seit 1971 auf Schallplatten, CDs und kleine Musikinstrumente spezialisierten Geschäft im Herzen von Rom. Für Freunde des Vinyls gilt der Laden als Geheimtipp.
Der spanische Vatikanist Javier Martínez Brocal von Rome Reports hatte einen Hinweis erhalten. Als er in die Via della Minerva eilte, stand vor der Hausnummer 10 tatsächlich der weiße Fiat 500 des Papstes. Dieser befand sich gerade, quasi inkognito, in dem Laden, begleitet von einer kleinen Eskorte. Als er das Foto auf Twitter veröffentlichte, wie der Papst das Geschäft verläßt, gab es zunächts erhebliche Zweifel an der Echtheit. Konnte es sich um einen Doppelgänger halten? Ein Scherz?
Auf Anfrage hieß es im Vatikan inoffiziell, der Papst habe keine Schallplatten gekauft, sondern den Ladenbesitzer besucht. Diesen kenne er schon lange und sei dessen „alter Kunde“. Nach einer Viertelstunde verließ Franziskus das Geschäft wieder „und nahm einige Schallplatten als Geschenk mit“.
„Er betrat das Geschäft um 19 Uhr und verließ es um 19.15 Uhr“, wird Brocal von der Papst-Freundin Elisabetta Piqué in der argentinischen Tageszeitung La Nacion zitiert. Brocal nahm auch ein Video auf und veröffentlichte es auf Youtube und Rome Reports.
Der Corriere della Sera kontaktierte darauf Kardinal Gianfranco Ravasi, den Vorsitzenden des Päpstlichen Kulturrats, um in Erfahrung zu bringen, „was der Papst mit den Schallplatten macht“.
Die Aufnahmen, so Ravasi, würden vom Papst an ihn übermittelt und Teil einer Audiothek. Das bisher jüngste Album, das der Kardinal aus Santa Marta bekam, seien Lieder von Edith Piaf gewesen. Der Corriere zitierte Ravasi mit Blick auf die Schallplatten, die Franziskus aus dem Plattengeschäft mitnahm, mit den Worten:
„Eigentlich kann ich es kaum erwarten, herauszufinden, worum es sich handelt. Ich hoffe, er schickt sie mir bald.“
Vor drei Jahren richtete Kardinal Ravasi in einem Raum seines Dikasteriums eine Audiothek ein, die den Namen des amtierenden Papstes trägt. Die Sammlung besteht ausschließlich aus Tonträgern, die ihm von Franziskus übermittelt wurden.
Laut aktuellem Stand befinden sich dort 1.728 CDs und 19 Schallplatten. Es seien vor allem Aufnahmen klassischer Musik, aber Franziskus kenne da „keine Starrheit“. Es gebe eine Sammlung von 25 Gospelsongs, die von Elvis Presley eingespielt wurden, das Gesamtwerk von Mozart auf 200 CDs der Deutschen Grammophon, die Aufnahmen des Teatro Colón in Buenos Aires, zahlreiche Aufnahmen des argentinischen Tangos, Beethoven, Bach und, was Kardinal Ravasi „erstaunt“ habe, auch „mit Leidenschaft“ Wagner.
Der Papst übermittle manchmal auch kleine Anmerkungen zu einzelnen Aufnahmen. Diese seien „außergewöhnlich kompetent. Man merkt, daß er der Musik aufmerksam zuhört“. Darin finden sich Hinweise auf Dirigenten, Sänger, Orchester. Kardinal Ravasi sammelt diese Notizen und möchte sie veröffentlichen.
Über die Zukunft der Audiothek werde sein Nachfolger zu entscheiden haben, so der Kardinal, dessen Mandat an der Spitze des Päpstlichen Kulturrats spätestens zum 18. Oktober endet, an dem er sein 80. Lebensjahr vollenden wird.
„Es wäre schön, sie für Studenten der Musik und des Papstes öffnen zu können, da sie bezeichnend für seine Persönlichkeit und Kultur ist.“
Derselbe Papst schaffte am Beginn seines Pontifikats die Konzerte ab, die bekannte Orchester unter Beteiligung von zahlreichem Publikum in der großen Audienzhalle für Johannes Paul II. und besonders Benedikt XVI. gegeben hatten. Beim ersten Konzert für den Papst blieb der päpstliche Stuhl einfach leer. Das Signal war eindeutig, sodaß auf weitere Initiativen stillschweigend verzichtet wurde.

Text: Giuseppe Nardi
Bild: Twitter (Screenshots)