
(London) Ein weiterer anglikanischer Bischof ist zur katholischen Kirche konvertiert. Es handelt sich um einen der bedeutendsten Übertritte seit langem. Gavin Ashenden vom Personalordinariat Unserer Lieben Frau von Walsingham, selbst Konvertit, spricht von einem Schritt „von monumentaler Bedeutung“. Die Aufnahme von Michael Nazir-Ali, dem ehemaligen anglikanischen Bischof von Rochester, ist bereits der dritte Übertritt eines Bischofs der anglikanischen Kirche von England zum katholischen Glauben in diesem Jahr. Man kann die Bedeutung dieser Bekehrung verstehen, wenn man bedenkt, daß Nazir-Ali Kandidat für das Amt des anglikanischen Erzbischofs von Canterbury und damit des Primas der Anglikanischen Gemeinschaft weltweit war.
Nazir-Ali wurde am 29. September, dem Fest des heiligen Erzengels Michael und aller Engel, von Bischof Keith Newton, selbst ein ehemaliger Anglikaner, der jetzt dem von Papst Benedikt XVI. errichteten Personalordinariat Unserer Lieben Frau von Walsingham vorsteht, in die katholische Kirche aufgenommen.
Anglokatholische Personalordinariate wurden vor einem Jahrzehnt von Benedikt XVI. eingerichtet, um Anglikaner in die Einheit der Kirche aufzunehmen. Die anglikanischen Weihen werden von der katholischen Kirche nicht anerkannt, weshalb die Konvertiten ihren Rang verlieren, was ihren Schritt umso glaubwürdiger macht. Auch der anglikanische Bischof Nazir-Ali wurde nur als einfacher Gläubiger in die Kirche aufgenommen. Newton, der heute dem Personalordinariat Unserer Lieben Frau von Walsingham vorsteht, empfing alle Weihen nach seiner Konversion von katholischen Bischöfen. Kardinal Vincent Nichols weihte ihn in der Westminster Cathedral zum Priester.
Nazir-Ali ist der erste ordentliche anglikanische Bischof, seit Bischof Graham Leonard von London und Bischof Richard Rutt von Leicester im Jahr 1994, der in die katholische Kirche aufgenommen wurde. Gemeint ist damit, daß die anglikanischen Bischöfe, die zuletzt konvertierten, auf die katholische Kirche umgelegt, nicht „Diözesanbischöfe“, sondern „Weihbischöfe“ waren.
Nazir-Ali sagte zu seiner Konversion:
„Ich glaube, daß der anglikanische Wunsch, an der Lehre der Apostel, der Kirchenväter und der Konzile festzuhalten, jetzt am besten im Ordinariat aufrechterhalten werden kann.“
Erster anglikanischer Bischof evangelikaler Prägung, der konvertierte
Dr. Nazir-Ali wurde 1949 in Pakistan geboren und besitzt die britische und pakistanische Staatsbürgerschaft. Er hat zahlreiche akademische Auszeichnungen erhalten, unter anderem von den Universitäten Karatschi, Oxford und Cambridge sowie einen Doktortitel von Lambeth.
Er hat an verschiedenen Institutionen gelehrt und geforscht und ist weiterhin in der Lehre und Forschung tätig. 1976 wurde er anglikanischer Priester und wirkte in England und Pakistan, bevor er 1984 zum Bischof von Raiwind in Pakistan ernannt wurde.
Vor seiner Ernennung zum Bischof von Rochester im Jahr 1994 war er Generalsekretär der Church of England Missionary Society.
Als Bischof von Rochester wurde er 1999 Mitglied des britischen Oberhauses und engagierte sich in den Bereichen internationale Beziehungen, Rede- und Meinungsfreiheit und Verteidigung der Menschenwürde in allen Lebensphasen.
Seit seinem Rücktritt im Jahr 2009 ist er Direktor des Oxford Centre for Training, Research, Advocacy and Dialogue, das Christen auf ihren Dienst in Situationen vorbereitet, in denen die Kirche unter Druck steht und von Verfolgung bedroht ist.
Seine Aufnahme in die katholische Kirche erfolgte nur wenige Wochen, nachdem Jonathan Goodall, der ehemalige Bischof von Ebbsfleet, ein „Weihbischof“ des Erzbischofs von Canterbury, nach einer Zeit des Nachdenkens, die er als „eine der schwierigsten Phasen meines Lebens“ bezeichnete, zur katholischen Kirche übergetreten war.
Im Mai war bereits John Goddard, der ehemalige Bischof von Burnley, ein „Weihbischof“ des Erzbischofs von York, in der Kathedrale von Liverpool in die katholische Kirche aufgenommen worden.

Nazir-Ali wurde in Karatschi in Pakistan als Sohn einer methodistischen Mutter und eines schiitischen Vaters geboren, der vom Islam zum Christentum konvertierte. Er wurde auf eine katholische Schule geschickt. Im Alter von 20 Jahren wurde er in die anglikanische Kirche aufgenommen.
Als er 1984 zum Bischof von Raiwind im West-Punjab ernannt wurde, war er der jüngste Bischof der anglikanischen Weltgemeinschaft. Erzbischof Robert Runcie holte Nazir-Ali ins Vereinigte Königreich, als sein Leben in Pakistan in Gefahr war. In England wurde er bald zu einer der bekanntesten Stimmen der Kirche von England. Er stand der evangelikalen Richtung in der anglikanischen Kirche nahe, lehnte die Homosexualisierung ab, befürwortete aber die Frauenordination. Vor allem erhob er mit Nachdruck seine Stimme zur Verteidigung von Ehe und Familie und gegen die Abtreibung. Er ist mit einer Schottin verheiratet und Vater von zwei inzwischen erwachsenen Söhnen.
Zusammen mit Rowan Williams war er einer von zwei Kandidaten, die vom damaligen Premierminister Tony Blair 2002 als mögliche Nachfolger von George Carey als Erzbischof von Canterbury vorgeschlagen wurden.
„Schritt von monumentaler Göße und Bedeutung“
Gavin Ashenden bezeichnet die Aufnahme von Nazir-Ali in die katholische Kirche als einen „Schritt von monumentaler Größe und Bedeutung“. Viele der bisherigen öffentlichkeitswirksamen Konversionen betrafen Personen, die sich selbst als Anglo-Katholiken bezeichneten. Mit Nazir-Ali konvertierte erstmals ein ranghoher Vertreter der Anglo-Evangelikalen, die stark im Protestantismus verwurzelt sind. „Das macht den Verlauf seines Weges noch bedeutsamer und lehrreicher“, so Ashenden.
Gavin Ashenden ist selbst 2019 zur katholischen Kirche konvertiert. Er war zuvor Priester der anglikanischen Kirche, Domherr an der anglikanischen Kathedrale von Chichester und Ehrenkaplan der Königin. In den 80er Jahren organisierte er Bibelschmuggel in die Sowjetunion. Vom Amt des Kaplans der Königin trat er Anfang 2017 unter Protest zurück, nachdem ein muslimischer Student in der anglikanischen Kathedrale von Glasgow eine Passage aus dem Koran vorlesen hatte können, in der ausdrücklich behauptet wird, Jesus sei nicht der Sohn Gottes. Ashenden sah sich als Mitglied des Königlichen Haushaltes darin eingeschränkt, zu Dingen Stellung nehmen zu können, die ihm Pflicht und Berufung sind, nämlich „die Verteidigung der Integrität des christlichen Glaubens“.
Da er in der Führung der Kirche von England kein Gehör fand, wechselte er im Herbst 2017 in die anglo-katholische Christian Episcopal Church, einer Abspaltung von der anglikanischen Episkopalkirche in Nordamerika wegen deren liberalen Kurses, und wurde deren Missionsbischof in England, bis er 2019 in die Einheit mit Rom trat.

Zur Bedeutung der Konversion von Nazir-Ali betonte Ashenden:
„Es bedeutet vor allem zwei Dinge. Die erste ist, daß die in der Reformation wurzelnde Kirchenspaltung sich erschöpft hat und durch eine neue, aber nicht weniger wichtige kulturelle und philosophische Neuausrichtung ersetzt wurde. Der Kampf ist zu einem Kampf zwischen den Überresten des Christentums und einem neuen säkularen Angriff des kulturellen Marxismus geworden: zwei utopische Visionen, die in direktem Konflikt miteinander stehen.
Zweitens ist Nazir-Ali der Ansicht, daß der Anglikanismus den Kräften des progressiven Säkularismus erlegen ist und nur die katholische Kirche den Glauben gegen diesen neuen Säkularismus verteidigen kann, der so ehrgeizige totalitäre Instinkte hat.“
„Das visionäre Projekt des Personalordinariats von Papst Benedikt XVI. wird durch die Bekehrung und den Beitritt von Nazir-Ali wesentlich gestärkt und gefördert.“
Zusammen mit dem ehemaligen Bischof Nazir-Ali wurde auch ein ehemaliger Pfarrer, Philip Wells, Vikar in Wantage, zusammen mit seiner Frau und seinen Töchtern in die katholische Kirche aufgenommen, nachdem er sein Amt in der Kirche von England im August niedergelegt hatte.
In einer Erklärung an seine Gemeindemitglieder nannte Wells als Grund für seinen Schritt die wachsenden Meinungsverschiedenheiten mit der „Führung der Kirche (von England) in liturgischen, ekklesiologischen, sakramentalen und moralischen Fragen“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Catholic Herald (Screenshots)
Herzlichen Dank für diesen aussagekräftigen Bericht. Unter Islamkritikern ist Michael Nazir-Ali schon seit geraumer Zeit bekannt. Seine Aussagen zum Islam habe ich als wahrheitsgetreu und rebus sic stantibus sehr mutig in Erinnerung.
Diese Konversionen zeigen sehr schön, daß die Kirche das Vaterhaus ist – unabhängig davon, wie der oberste Verwalter agiert. Es muß für diese aufrechten Ex-Anglikaner, die auch im objektiv schismatischen und häretischen Status zweifellos gläubige und opferbereite Christen waren, ein gewisses Hindernis, ja, ein Ärgernis, gewesen sein, wenn sie das Tun von Papst Franziskus genauer unter die Lupe nahmen. Dennoch erkannten sie, daß die Kirche Roms, so und anders, die wahre Kirche und – eben – das Vaterhaus ist.
Deo gratias.
Welcome home!
Grüß Gott Herr Schrems,
wo kann man denn Näheres über dei Aussagen von Herrn Nazir-Ali über den Islam erfahren?
Ist es denn so, daß er den islamischen Allah als unwahren Gott sieht oder bezeichnet, im Unterschied und
Widerspruch zu den Aussagen in Nostra Aetate? Denn wie können wir als Christen klar sehen, wenn es in
dieser Angelegenheit sehr unterschiedliche Aussagen gibt, die uns sehr schwächen.
Gibt es schon Anzeichen, daß der Papst beabsichtigt, die Personalordinariate zu verbieten?
Hoffentlich weiß dieser gute und mutige Bischof nichts über die Verhältnisse in Deutschland wie auch anderswo.
Viele unserer Bischöfe und Theologen gehen gerade mit Bewußtheit in die höllische Finsternis- so modern.