Am 8. September 1907, heute vor 114 Jahren, wurde die Enzyklika Pascendi Dominici Gregis des heiligen Papstes Pius X. veröffentlicht. Der Philosoph und Theologe Corrado Gnerre stellt diese Enzyklika kurz vor. Gnerre lehrte Utopiegeschichte und Philosophische Anthropologie an der Freien Universität Rom und Religions- und Philosophiegeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Redemptor Hominis in Benevent. Er initiierte und leitet das der Tradition verpflichtete Apostolat Cammino dei Tre Sentieri (Weg der drei Pfade).
Pascendi – Therapie und „Impfstoff“ gegen den Modernismus
Von Corrado Gnerre
Die Enzyklika Pascendi des heiligen Pius X. hat einen perfekten Aufbau: Darstellung der Irrtümer des Modernismus, Feststellung der Ursachen für die Ausbreitung dieser Häresie und schließlich Benennung der Heilmittel gegen sie.
Beginnen wir mit den Irrtümern.
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Pius X. bekräftigt, daß der Modernist unter sechs Aspekten erkannt werden kann: als Philosoph, als Gläubiger, als Theologe, als historisch-kritischer Mensch, als Apologet und als Reformer.
Erster Aspekt: Der philosophische Modernist drückt seinen Modernismus unter zwei Perspektiven aus. Eine der „Verneinung“ und eine der „Bejahung“. Die „Leugnung“ betrifft seinen Agnostizismus, die „Bekräftigung“ seine Überzeugung, daß das Göttliche der Schöpfung immanent ist, also eine Art Identität zwischen Gott und der Schöpfung besteht.
Zweiter Aspekt: Der gläubige Modernist bejaht die sogenannte Erfahrung des religiösen Gefühls, das bedeutet eine Akzeptanz der lutherischen Glaubensdefinition als reine Erfahrung der Hingabe und nicht (wie in der katholischen Lehre) als eine Zustimmung des Verstandes zu den geoffenbarten Wahrheiten.
Dritter Aspekt: Der theologische Modernist behauptet, daß der Glaube, die Formulierung von Dogmen, der Gottesdienst und die Existenz der Sakramente das Ergebnis unbewußter Bedürfnisse der menschlichen Natur sind.
Vierter Aspekt: Der historisch-kritische Modernist behauptet, daß die historische Untersuchung eine Sache ist, die Glaubenserfahrung eine andere, weshalb der historische Christus eine Sache, der Christus des Glaubens eine andere ist.
Fünfter Aspekt: Der apologetische Modernist, der versucht, jene, die nicht glauben, dazu zu bringen, die „Erfahrung“ des Katholizismus zu akzeptieren, verwendet zwei Perspektiven. Die eine ist objektiv und die andere subjektiv. Die objektive ist, wenn er zu beweisen versucht, daß alles in der Kirche von einem völlig geheimnisvollen und unerkennbaren Gott bewegt wird. Die subjektive, wenn er versucht, ein jedem Menschen innewohnendes Bedürfnis nach dem Übernatürlichen und damit nach der katholischen „Erfahrung“ aufzuzeigen.
Der sechste und letzte Aspekt: Der reformerische Modernist möchte alles ändern (Lehre, Doktrin, Gottesdienst, die Leitung der Kirche, sogar die Moral).
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Pius X. analysiert in einem zweiten Schritt die Ursachen für die Entstehung und Ausbreitung des Modernismus, indem er „moralische“ und „intellektuelle“ Ursachen identifiziert, aber die „moralischen“ vor die „intellektuellen“ stellt, d. h. deutlich macht, daß intellektuelle Irrtümer immer von moralischen Defiziten herrühren. Die „moralischen“ Ursachen sind vor allem Stolz und eitle Neugier. Die „intellektuellen“ sind der Widerstand gegen die scholastische Methode, die Tradition, die Patristik und die Autorität des kirchlichen Lehramtes.
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Indem er schließlich die Heilmittel aufzeigt, bekräftigt Pius X. die Unersetzlichkeit der scholastischen Methode. Er betont die Notwendigkeit, für die Seminare geeignete Regenten und Dozenten auszuwählen, aber auch die Notwendigkeit, daß es in jeder Diözese ein Gremium gibt, das über die Glaubenslehre wacht. Er fordert daher von den Bischöfen und Ordensoberen alle drei Jahre einen Bericht über die doktrinäre Lage.
Man könnte meinen: zuviel Starrheit. Nein. Alles, was moralisch möglich ist, muß getan werden, um die Wahrheit zu verteidigen. Das ist ein Punkt, den der heutige Mensch, berauscht vom Relativismus, nicht akzeptieren kann. Heute ist man es gewohnt, alles zu tun, um sich selbst zu verteidigen (es werden ständig Klagen eingereicht), aber man tut nichts für die Wahrheit. Wir beschwören Toleranz, wenn die Wahrheit beleidigt wird, aber wenn wir beleidigt werden, halten wir es für richtig, ja zwingend, darauf zu reagieren. Die Heiligen sind gewöhnt, das Gegenteil zu tun: Wenn die eigene Person auf dem Spiel steht, dann ist das so. Wenn aber die Wahrheit verletzt wird, dann kann man nicht die Arme verschränken.
Die Bedeutung von Pascendi
Der Modernismus erscheint wie ein Karstfluß, der verschwindet, um dann wieder aufzutauchen. Wir wissen nur zu gut, daß diese Häresie damals keineswegs verschwunden ist, sondern im Gegenteil viele zeitgenössische theologische Positionen angeregt hat, die die Überzeugungen und das Verhalten vieler Katholiken tiefgreifend beeinflußt haben.
Schauen wir uns kurz und schematisch an, in welchem Sinn der Modernismus viele Haltungen der heutigen Katholiken beeinflußt hat. Zu diesem Zweck greifen wir das von Pascendi angebotene Schema auf.
1. Der philosophische Modernist. Die beiden Punkte, Agnostizismus und Immanentismus, finden sich in vielen Überzeugungen zeitgenössischer Katholiken wieder. Der Agnostizismus: Viele Menschen glauben heute, daß die Dinge Gottes nicht in ihrer Wahrheit erkannt werden können und daß es, wenn man vom Glauben spricht, so ist, als würde man, bezogen auf das Leben, einen völlig „anderen“ Bereich betreten, fast so, als würde man absurden Dingen zustimmen. Heute glauben viele Menschen, daß es keinen Unterschied mehr zwischen dem natürlichen und dem übernatürlichen Leben gibt; im Gegenteil, das erstere ist ihnen sicher wichtiger, und sie sind überzeugt, daß die körperliche Krankheit – und nicht die Sünde – das größte Problem ist.
2. Der gläubige Modernist. Der auf die Erfahrung reduzierte Glaube impliziert, daß jede religiöse Erfahrung als Erfahrung wahr sein kann. Oft hört man den Satz: „Wichtig ist nicht, zu welcher Religion man sich bekennt, sondern daß man sich in seiner eigenen wohlfühlt.“ Wenn Religion nur nach der Erfahrung beurteilt werden kann, können wir nicht verstehen, wo die Wahrheit liegt und wo der Irrtum. Denken wir daran, daß es die Wahrheit ist, die die Erfahrung beurteilen muß, nicht die Erfahrung die Wahrheit.
3. Der theologische Modernist. Die Überzeugung, daß die Formulierung von Dogmen nur einer Art unbewußtem Bedürfnis entspringt, führt unweigerlich zu einer kritischen Haltung gegenüber dem Lehramt der Kirche, das von einem verbindlichen Element auf einen vagen Bezugspunkt reduziert wird. Bestimmte Positionen sogenannter „mündiger Katholiken“ neigen dazu, das Lehramt der Kirche als minderwertig gegenüber einem anderen, nämlich dem ihres eigenen Gewissens, zu betrachten.
4. Der historisch-kritische Modernist. Die Trennung zwischen historischer Forschung und Glaubenserfahrung und vor allem die Meinung, daß die Glaubenswahrheiten nicht historisch beglaubigt sind, haben zu einer heute weit verbreiteten Haltung geführt, zuerst in der Theologie und dann unter den Gläubigen, nämlich der Reduktion des Christentums von „Tatsache“ auf „Mythos“.
5. Der apologetische Modernist. Die Überzeugung, daß in der Kirche das „Geheimnisvolle“ und das „Unerkennbare“ vorherrschen, führt zu einer Ablehnung der katechetischen Ausbildung bzw. zu einer Umwandlung dieser Ausbildung in ein reines und vages Erfahrungstraining. Denken wir an die vielen nachkonziliaren Katechismen, die ausladend und inhaltlich ungenau sind. Zu glauben, daß das Bedürfnis nach dem Übernatürlichen vollkommen mit dem Festhalten an der Katholizität zusammenfällt, bedeutet außerdem, die Unentgeltlichkeit der Gnade zu leugnen und zu einer Art von Überzeugung zu gelangen, laut der die Menschwerdung Christi jeden Menschen unabhängig von der freien und persönlichen Zustimmung zur Gnade selbst rettet.
6. Der reformerische Modernist. Seit einiger Zeit ist die Vorstellung weit verbreitet, daß die Geschichte nicht der „Ort“ ist, an dem sich die Offenbarung manifestiert hat, sondern daß sie die Offenbarung selbst ist; daher sei alles, was danach kommt, immer besser und wahrheitsgemäßer als das, was vorher war.
Der Modernismus: Die Synthese aller Irrlehren
Kurzum, Pascendi ist eine Enzyklika, die in die Lage versetzt, die Komplexität des Modernismus und vor allem seine Gefährlichkeit voll zu erfassen.
Der heilige Pius X. schreibt zum Schluß:
„Vielleicht wird man Uns, ehrwürdige Brüder, bei der Auseinandersetzung dieser ganzen modernistischen Lehre zu ausführlich finden. Aber das mußte so sein; wir dürfen Uns nicht den Vorwurf der Unkenntnis, den man so leicht erhebt, von ihnen machen lassen; es muß auch klar werden, daß es beim Modernismus sich nicht um zerfahrene, untereinander nicht verbundene Lehrstücke handelt, sondern um ein festgeschlossenes Ganzes; wer hier einen Punkt zugibt, hat mit innerer Folgerichtigkeit alles zugegeben. Deshalb sind Wir fast didaktisch vorgegangen und haben mitunter selbst Fremdwörter nicht gescheut, die die Modernisten gebrauchen. – Überschaut man gleichsam mit einem Blick das ganze System, so wird niemand sich wundern, wenn Wir es als ein Sammelbecken aller Häresien bezeichnen.“ 1
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
1 Enzyklika Pascendi Dominici Gregis, Nr. 39, nach der Übersetzung von Alexander Hoch (G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1909).
Es wird leider nicht mehr oft gesagt wie sehr dieser große Heilige beinahe kein Papst geworden waere.
An seiner Stelle war zuerst ein Freimaurer namens tindero gewählt worden und haette der österreichsche Kaiser nachdem er informiert wurde nicht sein Veto eingelegt waere das Unheil schon 60 Jahre früher gekommen.
So aber konnte Papst pius x seine fundamentale Enzyklika pascendi noch veröffentlichen und so quasi das Konzil schon von vorne herein verurteilen.
Hier war Gottes Hand mit Sicherheit im Spiel, keiner konnte ab da noch sagen er haette von nichts gewusst.
Deo gratias