(Rom) In einem Interview mit der spanischen Senderkette COPE sagte Papst Franziskus heute, er habe bei der Ausarbeitung des Motu proprio Traditionis custodes „sehr mit traditionalistischen Leuten im guten Sinn zusammengearbeitet“.
COPE gehört den spanischen Bischöfen. Um 8 Uhr heute morgen sendete die Radiokette das über eine Stunde dauernde Interview mit dem Kirchenoberhaupt, eines jener Interviews, von dem die zuständigen Kommunikationsbeauftragten des Heiligen Stuhls erst nachträglich aus den Medien erfahren.
Auf die Frage nach Rücktrittsgerüchten sagte Franziskus:
„Mir ist nie durch den Kopf gegangen, zurückzutreten.“
Auf die Frage nach dem Motu proprio Traditionis custodes, mit dem Franziskus einen Generalangriff gegen den überlieferten Ritus und die Gemeinschaften der Tradition eröffnete, enthüllte der Papst Unerwartetes und gab etwas Einblick in sein Denken.
Zunächst wiederholte er, daß das Motu proprio von ihm erlassen wurde, weil Priester und Gläubige, denen zunächst (von den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI.) „pastoral“ geholfen wurde, daraus eine „Ideologie“ gemacht hätten.
„Mit anderen Worten, eine pastorale Sache zur Ideologie [machten]. Da mußte man mit klaren Regeln reagieren. Klare Regeln, die denen Grenzen setzen, die diese Erfahrung nicht gemacht haben.“
Was will Franziskus damit aber sagen?
Der Versuch einer „Übersetzung“: Es gebe jene, die 1988, als Johannes Paul II. das Motu proprio Ecclesia Dei adflicta erließ, die „Erfahrung“ machten, daß ihnen „geholfen“ wurde. Nun aber sei eine neue Generation von Traditionalisten herangewachsen, die diese „Erfahrung“ nicht gemacht hätten und ihnen daher der Kamm gestiegen sei, den man ihnen habe stutzen müssen.
Wörtlich sagte Franziskus weiter:
„Denn es schien in manchen Gegenden in Mode zu sein, [zu sagen]: ‚Nein, ich will [im überlieferten Ritus zelebrieren], und draußen können sie kein Latein. Sie wissen nicht, was sie [in der Messe] sagen.“
Darauf habe er reagiert. Und an dieser Stelle enthüllte Franziskus Unerwartetes:
„Ich habe mehr oder weniger ein Schema entworfen, habe es studieren lassen und habe viel mit Traditionalisten im guten Sinn [mit gesundem Menschenverstand] zusammengearbeitet.“
Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit sei Traditionis custodes, das „einige Grenzen“ setzt, aber es seien „gute“ Grenzen. Mit welchen „Traditionalisten im guten Sinn“ Franziskus zusammengearbeitet hat, sagte er nicht.
Als Beispiel für die „guten Grenzen“, die er mit dem neuen Motu proprio gezogen habe, nannte Franziskus, „daß die Verkündung des Wortes in einer Sprache erfolgt, die jeder versteht, denn sonst macht man sich lustig über das Wort Gottes.“
Die von ihm gesetzten Grenzen seien nur „kleine Dinge“, eines aber sei wichtig:
„Aber ja, die Grenze ist ganz klar. Nach diesem Motu proprio ist ein Priester, der [im überlieferten Ritus] zelebrieren will, nicht in der Situation der anderen, die aus Nostalgie, aus Sehnsucht usw. [bisher zelebriert haben], jetzt muß er Rom um Erlaubnis bitten. Es ist eine Art Erlaubnis zum Bi-Ritualismus, die nur Rom erteilt. [Wie] ein Priester, der im orientalischen Ritus und im lateinischen Ritus feiert, ist es bi-rituell, aber mit Erlaubnis von Rom. Mit anderen Worten, heute laufen die vorherigen [Priester, die bisher im überlieferten Ritus zelebrierten] weiter, aber ein wenig geordneter.“
Und weiter:
„Außerdem verlangen wir, daß es einen Priester gibt, der nicht nur für die Liturgie, sondern auch für das geistliche Leben dieser Gemeinschaft verantwortlich ist. Wenn Sie den Brief gut lesen und das Dekret gut lesen, werden Sie sehen, daß es einfach darum geht, konstruktiv, mit seelsorgerlicher Sorgfalt neu zu ordnen und einen Überschuß an denen zu vermeiden, die nicht …“
Franziskus beendete an dieser Stelle die Beantwortung dieser Frage. Dabei würde die letzte Aussage vor allem die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften interessieren, denn die Frage steht im Raum, welche Auswirkungen Traditionis custodes laut Franziskus für ihre Priesterausbildung haben soll.
Franziskus enthüllte nicht, wer die „Traditionalisten im guten Sinn“ sind, denen er offensichtlich Traditionalisten „Im schlechten Sinn“ entgegensetzt. Wollte er damit sagen, daß Priester und Gläubige ihm dankbar sein sollten, daß er für Tradionis custodes mit „Traditionalisten im guten Sinn“ und nicht mit Feinden der Tradition zusammengearbeitet hat, denn was wäre dabei wohl erst herausgekommen?
COPE stellt das Interview auch in geschriebener Form zur Verfügung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Cope (Screenshot)