Neuer Bischof fürs Bistum Chur: ecce homo!

"Management by gaucho"


Analyse zur Ernennung des neuen Bischofs von Chur, Msgr. Joseph Bonnemain.
Analyse zur Ernennung des neuen Bischofs von Chur, Msgr. Joseph Maria Bonnemain.

Am Tag sei­nes Namens­pa­trons, dem 19. März 2021, wird der Opus-Dei-Prie­ster Joseph Maria Bonn­emain zum neu­en Bischof der Diö­ze­se Chur geweiht.

Anzei­ge

Von Niklaus Herzog*

Ein Peit­schen­knall – und was für einer! Am 15. Febru­ar 2021 erfuhr die Öffent­lich­keit von der Ernen­nung des Opus-Dei-Prie­sters Joseph Bonn­emain zum neu­en Chu­rer Bischof durch Papst Fran­zis­kus. Damit war just ein­ge­tre­ten, was unmit­tel­bar nach der Zurück­wei­sung der Drei­er-Vor­schlags­li­ste durch das zustän­di­ge Dom­ka­pi­tel auf die­sem Por­tal ver­mu­tet wur­de: „Der Schuss, den das Chu­rer Dom­ka­pi­tel in Rich­tung Vati­kan abfeu­er­te, könn­te auch nach hin­ten los­ge­hen. Die Aus­sicht, dass der Papst eine neue Drei­er-Liste unter­brei­tet, dürf­te eher gering sein. Sei­nem Natu­rell als Cau­dil­lo fol­gend, der sei­ner Her­de rela­tiv frei­en Aus­lauf gewährt, dann aber brüsk zur Peit­sche greift, wenn ihm das Trei­ben zu bunt wird, dürf­te er nun viel­mehr selbst einen Kan­di­da­ten nach sei­nem Gusto zum Bischof ernen­nen“. Nicht das erste Mal, dass bei Papst Fran­zis­kus das Cau­dil­lo-Natu­rell durchbrannte: 

Aus­ge­rech­net in sei­ner Weih­nachts­an­spra­che 2017 hol­te er zu einem undif­fe­ren­zier­ten Rund­um­schlag gegen die römi­sche Kurie aus: Von „Ehr­geiz und Ruhm­sucht“ war da die Rede. Es sei sehr wich­tig, eine „unaus­ge­gli­che­ne und dege­ne­rier­te Logik der Kom­plot­te und der klei­nen Grup­pen“ zu über­win­den, die „in Wirk­lich­keit ein Krebs­ge­schwür dar­stel­len, das zur Selbst­be­zo­gen­heit führt.“ Die päpst­li­che Gene­ral­ab­rech­nung hin­ter­liess gera­de bei den vie­len gewis­sen­haf­ten und kom­pe­ten­ten Mit­ar­bei­tern der Kurie, wel­che im unspek­ta­ku­lä­ren All­tag der vati­ka­ni­schen Zen­tral­ver­wal­tung eine oft undank­ba­re und schlecht hono­rier­te Auf­ga­be erfül­len, ein Gefühl der Bit­ter­keit und Resi­gna­ti­on. Dies muss­te sich über kurz oder lang nega­tiv auf die Qua­li­tät der vati­ka­ni­schen Büro­kra­tie aus­wir­ken. Gera­de am Bei­spiel der jüng­sten Chu­rer Bischofs­er­nen­nung las­sen sich exem­pla­risch die Fol­gen des chao­ti­schen Füh­rungs­stils (vati­kan­inter­nes Kür­zel: „manage­ment by gau­cho“)  able­sen, der seit Amts­an­tritt von Papst Fran­zis­kus Ein­zug gehal­ten hat:

Als Bischof Vitus Huon­der am 21. April 2017 alters­hal­ber sein Rück­tritts­ge­such ein­reich­te, ver­län­ger­te der Papst des­sen Amts­zeit um zwei Jah­re bis zu Ostern 2019. Kurz dar­auf setz­te der Papst mit Peter Bürcher einen Apo­sto­li­schen Admi­ni­stra­tor ein – für „pochi mesi“ [„weni­ge Mona­te“]. Es soll­te bis zum 15. Febru­ar 2021 dau­ern, bis des­sen ordent­li­cher Nach­fol­ger fest­stand. Eine Woche spä­ter schob der Vati­kan die auf den 15. Febru­ar rück­da­tier­te Mit­tei­lung nach, dass der bald 73-jäh­ri­ge Joseph Bonn­emain als neu­ernann­ter Bischof nicht wie vom Recht vor­ge­schrie­ben bereits in zwei Jah­ren sei­nen Rück­tritt ein­rei­chen muss, son­dern frü­he­stens im Jah­re 2026. Auf Aussen­ste­hen­de wirkt die­ser Nach­satz wie das Ein­ge­ständ­nis, eigent­lich erst im Nach­hin­ein kapiert zu haben, dass da mit Joseph Bonn­emain ein kurz vor der Pen­sio­nie­rung ste­hen­der Mann zum Bischof ernannt wur­de. Die Tat­sa­che, dass nach dem Aus­schei­den von Erz­bi­schof Tho­mas Gullick­son die Nun­tia­tur in der Schweiz bis dato ver­waist ist, run­det die­ses Bild einer offen­sicht­lich ins Schlin­gern gera­te­nen päpst­li­chen Kuri­en­ver­wal­tung har­mo­nisch ab.

Gellende Zustimmung

Die­ser epi­skopa­len Zan­gen­ge­burt zum Trotz: Als am 15. Febru­ar 2021 die Ernen­nung von Joseph Bonn­emain zum Bischof von Chur öffent­lich gemacht wur­de, bra­chen alle Däm­me, gab es kein Hal­ten mehr. Die ganz gro­sse Röh­re führ­te – wenig erstaun­lich – der Deut­sche Rapha­el Rauch, Lei­ter des kir­chen­of­fi­zi­el­len Inter­net-Por­tals kath​.ch: „Ein Super­man wird Bischof“; „Die blei­er­ne Zeit ist vor­bei. Auf das Bis­tum Chur war­ten gol­de­ne Zwan­zi­ger“; „Per­son of the year 2021“; „Selbst Reform­ka­tho­li­ken schwär­men für den Opus-Dei-Mann“; Mit Joseph Bonn­emain kann das Bis­tum Chur zum Modell von Kir­che in der Welt von heu­te wer­den“ hyper­ven­ti­lier­te der nicht mehr aus sei­nem deli­ri­um per­ma­nens her­aus­fin­den­de Rauch. Des­sen gel­len­de Zustim­mung griff aber wenig erstaun­lich auch auf ande­re Figu­ren der Schwei­zer Kir­chen­sze­ne über: Nichts weni­ger als „die Son­ne geht auf in Nid­wal­den“, befand Moni­ka Reb­han, Prä­si­den­tin der Lan­des­kir­che Nid­wal­den. Strip­pen­zie­her Peter Hen­ri­ci, eme­ri­tier­ter Weih­bi­schof von Zürich, dankt Gott, „dass Er für das Bis­tum Chur einen so guten Impf­stoff gefun­den hat“. Auch der für Homo­ehe, Samen­spen­de für Les­ben und Prä­im­plan­ta­ti­ons­dia­gno­stik zwecks Eli­mi­nie­rung „unwer­ten“ Lebens agie­ren­den Prä­si­den­tin des ‚Katho­li­schen‘ Frau­en­bun­des, Simo­ne Curau-Aepli „fällt ein Stein vom Her­zen, denn bis­her wur­den wir lan­ge Zeit ausgebremst.“

Bemer­kens­wert auch der Offen­ba­rungs­eid von Bischof Felix Gmür: Im Nach­gang zur geplatz­ten Bischofs­wahl durch das Dom­ka­pi­tel beklag­te sich Gene­ral­vi­kar Mar­tin Gricht­ing über die mas­si­ven Ein­mi­schungs­ver­su­che der Nach­bar­diö­ze­sen. Der damit direkt ange­spro­che­ne Bischof Gmür flüch­te­te sich in ein ver­ba­les Ablen­kungs­ma­nö­ver: Es sei „erschreckend, wie tief die Grä­ben im Chu­rer Dom­ka­pi­tel sind und wie wenig das insti­tu­tio­nel­le Wahl­ver­fah­ren geach­tet wird.“ Nun, da sein Wunsch­kan­di­dat zum neu­en Chu­rer Bischof ernannt wur­de, lüf­te­te Bischof Gmür die Mas­ke. Via sei­nen Medi­en­spre­cher liess er aus­rich­ten, Bischof Felix Gmür habe sich „auf ver­schie­den­sten (!) Ebe­nen per­sön­lich für Joseph Bonn­emain stark gemacht“. Der eini­ger­ma­ssen sin­gu­lä­re Vor­fall, dass sich da ein Bischof buch­stäb­lich auf Teu­fel komm raus hin­ter den Kulis­sen in die Belan­ge einer Nach­bar­diö­ze­se ein­mischt und damit – weil erfolg­reich – auch noch coram publi­co hau­sie­ren geht, ist mehr als bedenk­lich. Man geht wohl nicht fehl in der Annah­me, dass Bischof Gmür bei sei­nem zukünf­ti­gen Mit­bru­der den Tri­but für den eif­rig betrie­be­nen Sup­port ein­for­dern wird.

Pistole auf die Brust gesetzt

Ange­sichts der en mas­se über sein Haupt gestülp­ten Lor­beer­krän­ze muss einem der neu ernann­te Bischof rich­tig­ge­hend leid tun. Es sind vor­ab zwei, in inne­rem Zusam­men­hang ste­hen­de Aspek­te, die in die­sem Kon­text stut­zig machen. Zum einen ist es die Tat­sa­che, dass aus­ge­rech­net aus Krei­sen, wel­che das Opus Dei über Jah­re hin­weg anschwärz­ten und in den Dreck zogen, die Opus-Dei-Mit­glied­schaft von Neu-Bischof Bonn­emain her­un­ter­spiel­ten oder gar als belang­los taxier­ten. Den Vogel schoss der Lei­ter des auf­ge­bläh­ten PR-Appa­ra­tes des para­kirch­li­chen Syn­odal­rats des Kan­tons Zürich, Simon Speng­ler, ab, der sich wider bes­se­res Wis­sen zur Behaup­tung ver­stieg, dies sei Bonn­emains „Pri­vat­an­ge­le­gen­heit“. Wer eine sol­che Beschwich­ti­gungs­pe­tar­de zün­det, geht offen­sicht­lich davon aus, den neu ernann­ten Bischof bereits in den eige­nen Sack gesteckt zu haben frei nach dem Mot­to „Den haben wir weich­ge­spült, was schert uns des­sen Opus-Dei-Eier­scha­le“. Noch mehr befrem­det der Umstand, dass jene Leu­te, die Joseph Bonn­emain bereits zu Leb­zei­ten zur Ehre der Altä­re erhe­ben, ihm sozu­sa­gen im glei­chen Atem­zug die Pisto­le auf die Brust set­zen, will hei­ssen: ihm im Befehls­ton signa­li­sie­ren, wel­che Per­so­nal­ent­schei­dun­gen er gefäl­ligst zu tref­fen hat. Auch hier ging Rapha­el Rauch allen vor­an, dik­tier­te dem zukünf­ti­gen Bischof gleich selbst sei­ne eige­ne Agen­da: Als erstes müs­se er „Macht­miss­brauch, Ver­let­zun­gen und Schi­ka­nen besei­ti­gen“ und falls nötig „Brücken abbre­chen“. Dem zuvor über­schwäng­lich gefei­er­ten Bischof in spe setzt Rauch schon mal eine Art Gal­gen­frist: „Joseph Bonn­emain wird dar­an gemes­sen, ob er gleich „zu Beginn (!) weg­wei­sen­de Per­so­nal­ent­schei­de fällt.“ In sei­nem furor teu­to­ni­cus gab er gleich auch noch eine Kost­pro­be sei­ner tota­li­tä­ren, kei­ne Auf­schub dul­den­den DNA: „Die Prie­ster, die gegen Bonn­emain waren, soll­ten eben­falls per sofort zurück­tre­ten oder für immer (!) schwei­gen.“ Just auf sol­che Beleh­run­gen in Sachen Plu­ra­lis­mus, Tole­ranz und Viel­falt aus dem Mun­de eines Deut­schen haben  wir Schwei­zer gewar­tet! Tho­mas Binot­to, Chef­re­dak­tor des Zür­cher Pfarr­blat­tes ‚forum‘ und Dau­er­pöb­ler gegen Chur und Rom, sekun­diert mit einem Fahn­dungs­auf­ruf: Gene­ral­vi­kar Mar­tin Gricht­ing, Medi­en­spre­cher Giu­sep­pe Gra­cia und Gene­ral­vi­kar Andre­as Fuchs müs­sen unver­züg­lich das Feld räu­men, denn es brau­che „zwin­gend eine kom­plet­ten Neu­be­ginn.“ Dekan Hugo Geh­ring aus Win­ter­thur ruft eben­falls zur „Poli­tik der ver­brann­ten Erde“ auf: „Ich erwar­te, dass er Leu­te aus dem bis­he­ri­gen Chu­rer Macht-Klün­gel (sic) nicht mehr mit­wir­ken lässt. Das liegt auf der Hand.“

Vom Paulus zum Saulus?

Super­man? Brücken­bau­er? Hoff­nungs­trä­ger? Was ist nun der Opus-Dei-Prie­ster Joseph Maria Bonn­emain wirklich?

Wie es sich für einen Opus-Dei-Prie­ster gehört, ver­fügt Joseph Maria Bonn­emain über ein impo­nie­ren­des Bil­dungs-Cur­ri­cu­lum: Abge­schlos­se­nes Medi­zin­stu­di­um mit Dok­to­rat; anschlie­ssend kir­chen­recht­li­ches Stu­di­um mit Pro­mo­ti­on zum Dr. iur. can. Im Ver­bund mit sei­nen stu­pen­den Sprach­kennt­nis­sen (fünf­spra­chig) war er gera­de­zu prä­de­sti­niert für die Ver­tre­tung des Hei­li­gen Stuhls bei der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on WHO in Genf. Sein anschlie­ssen­der Par­cours führ­te ihn in die Diö­ze­se Chur, wo ihm das Prä­si­di­um (Offi­zi­al) des Kir­chen­ge­richts anver­traut wur­de. Par­al­lel dazu wirk­te er über lan­ge Jah­re als Seel­sor­ger am Lim­mat­spi­tal in der Nähe von Zürich. Aus eige­nen Erfah­run­gen kann ihm der Schrei­ben­de beschei­ni­gen, dabei vor­züg­li­che Arbeit im „Stein­bruch des Herrn“ gelei­stet zu haben. Auch als Sekre­tär der Kom­mis­si­on „Sexu­el­le Über­grif­fe in der Pasto­ral“ der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz wird ihm über­ein­stim­mend vor­bild­li­che Arbeit atte­stiert. Es sind dies Qua­li­fi­ka­tio­nen und Qua­li­tä­ten, die sich schwer­lich top­pen las­sen. Oder doch? Joseph Maria Bonn­emain schafft es!

Kon­kret:

In der Fest­schrift ‚Ius­ti­tia In Cari­ta­te‘ für Ernst Röss­ler hält Joseph Bonn­emain im Vor­feld der Volks­ab­stim­mung über die Ver­fas­sung der römisch-katho­li­schen Kan­to­nal­kir­che Schwyz 1996 u. a. fest: „Es liegt bei der Kan­to­nal- bzw. Lan­des­kir­che nach schwei­ze­ri­schem Modell gewis­ser­ma­ssen eine grund­sätz­li­che Fehl­kon­struk­ti­on vor. Der Feh­ler liegt dar­in, nicht in eine wirk­li­che Part­ner­schaft auf­grund ver­bind­li­cher Ver­trä­ge mit der Kir­che als sol­cher ein­tre­ten zu wol­len. Man will eine Kir­che nur im Kor­sett der eige­nen Kri­te­ri­en haben, ein Kir­chen­we­sen unter staat­li­cher Kon­trol­le. Man muss wohl anneh­men, dass die Mehr­heit des Vol­kes bei der Ver­fas­sungs­re­vi­si­on nicht rich­tig infor­miert oder absicht­lich irre­ge­führt wur­de… Auch die Hier­ar­chie soll­te in der Öffent­lich­keit klar Stel­lung bezie­hen, sowohl die Orts­kir­che wie auch die Apo­sto­li­sche Nun­tia­tur… Der Scha­den, der dem Anse­hen der Schweiz als einer frei­heit­lich ver­fass­ten Nati­on droht, könn­te dadurch noch abge­wen­det werden.“

Bereits zwei Jah­re zuvor (1994), war Joseph Bonn­emain die­ser Fehl­kon­struk­ti­on in sei­nem Bei­trag „Die Schwei­zer Kan­to­nal­kir­chen und die Mit­ver­ant­wor­tung der Gläu­bi­gen“ (in: Ius in Vita et in Mis­sio­ne Eccle­siae, Akten des Inter­na­tio­na­len Sym­po­si­ums aus Anlass des 10-jäh­ri­gen Jubi­lä­ums der Inkraft­set­zung des Codex iuris Cano­ni­ci von 1983) nachgegangen.

Aus­zü­ge:

„In der Mehr­heit der Kan­to­ne wur­de bezüg­lich des Ver­hält­nis­ses von Kir­che und Staat weit­ge­hend das System der Staats­kir­chen­ho­heit gewählt. Wäh­rend aber in ande­ren Län­dern Euro­pas dies Mit­te des 19. Jahr­hun­derts mit der Ent­ste­hung des moder­nen Rechts­staa­tes geschah und inzwi­schen die­ses System durch ande­re For­men, die bes­ser dem Wesen, der Auto­no­mie und der Selb­stän­dig­keit der katho­li­schen Kir­che ent­spre­chen, ersetzt wur­de (völ­ker­recht­li­che Kon­kor­da­te), wur­den die römisch-katho­li­schen ‚Lan­des­kir­chen‘ ver­schie­de­ner Schwei­zer Kan­to­ne erst in der Zeit vor und nach dem zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil sei­tens des Staa­tes errich­tet. Die­se zeit­li­che Über­ein­stim­mung mit dem Kon­zil ist auf­fäl­lig; das Gan­ze deu­tet auf ein prin­zi­pi­ell fal­sches Ver­ständ­nis der Grund­an­lie­gen des Zwei­ten Vati­ka­nums hin, beson­ders was die akti­ve Betei­li­gung der Lai­en am Leben der Kir­che und die Bezie­hun­gen von Kir­che und Staat betrifft.“

Mit Blick auf die vom Staat nicht den kirch­li­chen Pfar­rei­en, son­dern den staat­li­chen Kirch­ge­mein­den bzw. Lan­des­kir­chen über­tra­ge­ne Finanz­ho­heit warnt Joseph Bonn­emain vor einem „demo­kra­ti­schen Volks-Jose­phi­nis­mus“, ja vor einer „Olig­ar­chie des staats­kirch­li­chen Appa­rats und deren Folgen: 

„Es ist offen­sicht­lich, dass vor allem durch die Dienst­ver­hält­nis­se der Seel­sor­ger und der kirch­li­chen Mit­ar­bei­ter gegen­über der Lan­des­kir­che, aber auch durch die Finan­zie­rung aller mög­li­chen Seel­sor­ge­aus­ga­ben sei­tens der staats­kirch­li­chen Kör­per­schaft, die Staats­kir­che einen gro­ssen Ein­fluss auf rein inner­kirch­li­che Berei­che aus­übt. Klar ist auch, dass dadurch die Frei­heit der Hier­ar­chie in der Wahr­neh­mung ihrer Hir­ten­sor­ge sehr ein­ge­schränkt, ja mit­un­ter sogar behin­dert wird. Auch die Pfar­rer kön­nen leicht beein­flusst oder sogar unter Druck gesetzt werden.“

„Die katho­li­schen Lan­des­kir­chen als staat­li­che Kör­per­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts soll­ten abge­schafft wer­den“, so die Quint­essenz von Bonn­emains eben­so klar­sich­ti­ger wie zutref­fen­der Analyse.

Besag­te Bestan­des­auf­nah­me hat inzwi­schen den Plau­si­bi­li­täts­be­weis mehr­fach erbracht, ist aktu­el­ler denn je: „Pro­ak­tiv“ droh­ten die zum Bis­tum Chur gehö­ren­den staat­li­chen Kan­to­nal­kir­chen im Vor­feld der Bischofs­wahl: Soll­te ein ihnen nicht geneh­mer Kan­di­dat zum Bischof gewählt wer­den, wer­de „den Geld­hahn zudre­hen zur Option“.

Bes­ser und berech­tig­ter könn­ten die Vor­be­hal­te Bonn­emains gegen­über dem „lan­des­herr­li­chen Kir­chen­re­gi­ment“ nicht veri­fi­ziert wer­den. Aber oh Wun­der! In den letz­ten Jah­ren voll­zog Bonn­emain eine Kehrt­wen­dung von 180 Grad: Nun ent­deckt der pro­mo­vier­te Arzt Bonn­emain plötz­lich die bei­den Lun­gen­flü­gel als unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für „ein­wand­frei­es Atmen und aus­rei­chen­den Sau­er­stoff im Blut“. Des­halb bedür­fe das Bis­tum Chur „sozu­sa­gen der koor­di­nier­ten Funk­ti­on bei­der Lun­gen­flü­gel, der kirch­li­chen Lei­tung einer­seits und der staats­kir­chen­recht­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen ande­rer­seits, um ein gesun­der Orga­nis­mus zu sein.“ Die in die­sem Ver­gleich stecken­de „Son­der­fall-Schweiz-Psy­cho­se“ ist zum einen schon des­halb gro­tesk, weil sie im Umkehr­schluss bedeu­ten wür­de, dass alle andern Diö­ze­sen der Welt­kir­che nur mit einer lädier­ten Lun­ge leben müss­ten (tat­säch­lich exi­stiert das dua­le System nur in der Schweiz). Er offen­bart zugleich einen eben­so irri­tie­ren­den wie frap­pie­ren­den Oppor­tu­nis­mus des Joseph Bonn­emain. „Bleib, der Du warst!“, möch­te man ihm die Abwand­lung eines geflü­gel­ten Wor­tes zurufen.

In einem Bei­trag für die Schwei­ze­ri­sche Kir­chen­zei­tung aus dem Jah­re 2017 begrün­det Bonn­emain den Para­dig­men­wech­sel von der Enzy­kli­ka „Fami­lia­ris con­sor­tio“ Johan­nes Pauls II. hin zur Enzy­kli­ka „Amo­ris lae­ti­tia“ von Fran­zis­kus I.  Es betrifft dies die Fra­ge der Zulas­sung von wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen zum Emp­fang der hl. Kom­mu­ni­on. ‚Amo­ris lae­ti­tia‘ habe, so Bonn­emain, nichts weni­ger als ein neu­es Zeit­al­ter eröff­net und sei in die­sem Sin­ne „revo­lu­tio­när“. Gefor­dert sei jetzt nicht mehr ein simp­les Schwarz-Weiss-Den­ken, son­dern eine „äusserst dif­fe­ren­zier­te Beglei­tung der Seel­sor­gen­den“. Liest man die Aus­füh­run­gen Bonn­emains im Detail, so dürf­te aller­dings die von ihm ange­mahn­te „äusserst dif­fe­ren­zier­te Beglei­tung“ in der Pra­xis nicht nur die Seel­sor­gen­den selbst, son­dern v. a. auch die betrof­fe­nen Gläu­bi­gen hoff­nungs­los über­for­dern. Vor allem aber bleibt das scha­le Bauch­ge­fühl zurück, dass Bonn­emains vir­tuo­se Hirn­zel­len­akro­ba­tik je nach kir­chen­po­li­ti­scher Wet­ter­la­ge mit eben­sol­cher Vir­tuo­si­tät exakt zum ent­ge­gen­ge­setz­ten Schluss gelan­gen könnte.

Auf der Suche nach einem Allein­stel­lungs­merk­mal wur­de Joseph Bonn­emain umge­hend fün­dig: Er ver­zich­tet auf das übli­che Bischofs­wap­pen mit­samt dem dazu­ge­hö­ren­den Wahl­spruch. Sei­ne Begrün­dung: „Mir reicht das Kreuz­zei­chen Chri­sti. Und die­ses, nur die­ses, wer­de ich benut­zen.“ Da ist aber einer mäch­tig stolz auf sei­ne Demut!

Eignung für das Bischofsamt

Wer eig­net sich zum Bischof? Joseph Bonn­emain hat dazu in einem Bei­trag der damals noch exi­stie­ren­den Neu­en Zür­cher Nach­rich­ten vom 5. Mai 1988 gera­de­zu zeit­los gül­ti­ge Über­le­gun­gen ange­stellt: „Aller Erfah­rung gemäss hat die ‚ver­söh­nen­de, aus­glei­chen­de und eini­gen­de‘ Wirk­sam­keit eines Bischofs nie dar­auf beruht, sich ein­fach als ‚Mode­ra­tor‘ ver­schie­den­ar­ti­ger ‚inner­kirch­li­cher Strö­mun­gen‘ zu ver­ste­hen. Einem Bischof steht es als Hir­ten sei­ner Diö­ze­se viel­mehr zu, sol­che ver­schie­de­nen Strö­mun­gen in den über allen ‚Strö­mun­gen‘ und ‚Grup­pie­run­gen‘ ste­hen­den gemein­sa­men Kanal der Treue zu Chri­stus und der von der Kir­che gelehr­ten Wahr­heit zu len­ken. Gera­de dadurch erwirkt er die von Chri­stus gewoll­te Ver­söh­nung und Ein­heit und den wah­ren Aus­gleich unter den Men­schen. Hät­te sich Chri­stus ledig­lich als ‚Mode­ra­tor‘ der zu sei­ner Zeit bestehen­den reli­giö­sen Strö­mun­gen und Grup­pie­run­gen ver­stan­den, wäre er wahr­schein­lich nicht gekreu­zigt wor­den, wir aber befän­den uns immer noch im Alten Testa­ment.“ Es ist, als hät­te Joseph Bonn­emain die­se Sät­ze im Hin­blick auf sei­ne eige­ne Ernen­nung zum Bischof geschrie­ben. Hält er sich an die von ihm selbst for­mu­lier­ten Grund­sät­ze, kann es gut kommen.

So oder so: In sei­nem Auf­ruf unmit­tel­bar nach Bekannt­ga­be sei­ner Ernen­nung durch Papst Fran­zis­kus bit­tet er die Gläu­bi­gen der Diö­ze­se Chur, mit der Gebets­un­ter­stüt­zung nicht auf­zu­hö­ren, denn er „brau­che die­se zukünf­tig noch viel mehr“. Die­se Bit­te sei ihm von Her­zen gewährt. Mehr noch: Neh­men wir Bischof Bonn­emain ins Gebet!

*Lic. iur. et theol. Niklaus Her­zog war Notar am Inter­diö­ze­sa­nen Gericht der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz, anschlie­ssend Geschäfts­füh­rer der KIPA. Bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung war er Geschäfts­füh­rer der Kan­to­na­len Ethik­kom­mis­si­on des Kan­tons Zürich und für das Dos­sier Spi­tal­seel­sor­ge zustän­dig. Zur Zeit amtet er als Diözesanrichter.

Bild: Faro di Roma (Screen­shot)

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5 Kommentare

  1. Ein „idea­ler Kandidat“!
    Im Buch „Die Spur des Sämanns“ vom Grün­der die­ser Fast-Geheim­ge­sell­schaft, rühmt sich die­ser mit sei­nem gewich­ti­gen Anteil am Zustan­de­kom­men vie­ler Kon­zils­do­ku­men­te. Opus Dei bejaht das gesam­te Kon­zil und ver­bie­tet sei­nen Prie­stern die über­lie­fer­te Messe.
    Aller­lö­sung, Öku­me­nis­mus, Reli­gi­ons­frei­heit im kon­ser­va­ti­ven Mäntelchen.
    Rei­ssen­de Wöl­fe, hübsch im Schafs­pelz verpackt.
    Nicht Katholisch.

    • „ver­bie­tet sei­nen Prie­stern die über­lie­fer­te Mes­se“ Das sit­immt nicht. In Bis­tum Mün­ster liest z.B. ein Prie­ster die Mes­se aller Zei­ten seit Jah­ren. Das ist auch all­ge­mein bekannt.

      • Ich ken­ne auch einen Prie­ster des Opus Dei in Öster­reich, der das tut. Außer­dem hat­te doch der Grün­der selbst die Erlaub­nis Pauls VI. bei der vor­he­ri­gen Lit­ur­gie zu blei­ben. Das heißt natür­lich nicht direkt etwas für die­se Fra­ge, aber es wäre doch selt­sam, wenn es im Opus Dei eine eigent­li­che Geg­ner­schaft zur Alten Mes­se gäbe.

  2. Das wäre mir neu, mein Kennt­nis­tand ist, dass das Opus Dei die über­lie­fer­te Mes­se nicht erlaubt.

  3. Bit­te den Vor­trag von Dr. Hes­se hören:
    „Über das Opus Dei“ oder „Opus Dei Katholisch?“
    Der Mann ist ein pro­fun­der Ken­ner der Mate­rie und sei­ne Argu­men­ta­ti­on ist schlüssig.

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