
(Moskau) Der Patriarch von Moskau und aller Russen, Kyrill, gab am 6. Januar zur orthodoxen Weihnacht dem russischen Sender Rossija 1 ein Interview.
Ziemlich deutlich gab der russische Patriarch dabei zu verstehen, daß er in der Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee, die im vergangenen Juli stattfand, ein Strafe Gottes am Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus von Konstantinopel sieht. Als Grund dafür nannte Patriarch Kyrill die Anerkennung einer autokephalen ukrainisch-orthodoxen Kirche durch Bartholomäus.
„Ich möchte keine Kritik an meinem Bruder äußern, aber ohne Zweifel beweist alles, was später in Konstantinopel geschah, die göttliche Bestrafung. Patriarch Bartholomäus setzte die Schismatiker von Kiew in die Hagia Sophia von Kiew und verlor die Hagia Sophia von Konstantinopel: Sie wurde eine Moschee.“
Patriarch Bartholomäus habe dem orthodoxen Volk und der orthodoxen Kirche die Hagia Sophia in Kiew genommen und sei dafür mit dem Verlust der Hagia Sophia von Konstantinopel bestraft worden.
„Ich finde, das ist eine offensichtliche Konsequenz, die vom göttlichen Willen ausgeht. Die Konsequenzen folgten unverzüglich, weil die Sünde zu groß war“, so das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche.
Patriarch Kyrill beschrieb den Akt der Anerkennung der Autokephalie der orthodoxen Kirche der Ukraine als „Verbrechen“ und nicht als Fehler. Zugleich gab er zu verstehen, für den Ökumenischen Patriarchen zu beten, da die „Krise“ zusammen überwunden werden müsse.
„Wir müssen füreinander beten. Zumindest was das private Gebet betrifft, weil das während des Gottesdienstes schwierig ist, da wir nicht an den Patriarchen von Konstantinopel in den Diptychen erinnern. Wir müssen füreinander beten, um diese Krise, die der Orthodoxie von außen auferlegt wurde, so schnell wie möglich zu überwinden “, so der Patriarch von Moskau.

Als die Ukraine 1991 selbständig wurde, spaltete sich ein Teil der russisch-orthodoxen Kirche vom Moskauer Patriarchat ab, um nach dem Nationalstaatsprinzip eine ukrainisch-orthodoxe Kirche zu gründen. Diese Abspaltung wurde vom Moskauer Patriarchat, das die Ukraine als Teil seines historischen Jurisdiktionsgebietes betrachtet, nicht anerkannt. 2018 erfolgte jedoch die Anerkennung durch den Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus von Konstantinopel, indem sich die ukrainischen Schismatiker ihm unterstellten. 2019 erkannte er den Ukrainern die Autokephalie als Orthodoxe Kirche der Ukraine zu. Bisher sind dieser Anerkennung nur die orthodoxe Kirche von Griechenland und jene von Zypern und der orthodoxe Patriarch von Alexandria gefolgt. Die Mehrheit der kanonischen Kirchen der Orthodoxie erkennen die Ukrainer nicht an. Das hat auch damit zu tun, daß die russisch-orthodoxe Kirche die weitaus größte unter den kanonischen Kirchen der Orthodoxie ist.
Die Frage der Anerkennung hängt direkt mit dem zwischen Rußland und der Ukraine schwelenden Territorialkonflikt zusammen.
Die Hagia Sophia, die einst größte Kirche der Orthodoxie, war 1453, nach der Eroberung Konstantinopels durch die Muslime, in eine Moschee umgewandelt worden. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machte Kemal Atatürk ein Museum daraus. Trotz der Proteste der Orthodoxie ernannte der türkische Machthaber Recep Erdogan 2016 einen ständigen Imam für die Hagia Sophia und wandelte sie im Sommer 2020 wieder in eine Moschee um.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoVaticana/Wikicommons